Story

70 Jahre Rainhard Fendrich: Eine Legende erzählt

19 Studio-, fünf Greatest-Hits- und acht Live-Alben: Das macht summa summarum 489 Tracks, 45 Jahre Erinnerungen auf der Bühne und 70 Jahre Lebensgeschichte von Rainhard Fendrich. Der Kult-Sänger feiert seine Jubiläen mit der Tour „Nur ein Wimpernschlag“ und einem neuen Album. Zeit einen Blick zurück in ein bewegtes Leben ohnegleichen und einen in die Zukunft zu werfen.
Reinhard Fendrich vor schwarzem Hintergrund
Die Austro-Pop-Legende Reinhard Fendrich feiert 45 Jahre Bühnenjubiläum. © RJF Musik/MarcelBrell

„Wimpernschlag“ ist nicht nur der Name des neuen Albums von Rainhard Fendrich, es ist auch Programm in seiner musikalischen Karriere. Denn genau so lange dauerte es, bis sich seine neueste Platte wieder auf den ersten Platz der Charts katapultierte. Zuvor schafften es bereits sein Live-Album „Symphonisch in Schönbrunn“ als auch sein letztes Studioalbum „Starkregen“ bei iTunes von null auf eins der Austria Top 40. Insgesamt 18 Mal konnte der Austropoper bereits Chart-Gold in Österreich holen.

„Vü schöner is des G’fühl!“

Auch wenn man den Wiener heute nur noch als Musiker sieht, so hat er seine Wurzeln dennoch im Schauspiel. 1980 trat er am Theater an der Wien auf und gab zwei Jahre später den Judas im Musical „Jesus Christ Superstar“. Diese Episode dauerte aber nur kurz, denn parallel dazu hatte Rainhard Fendrich seine ersten Fernsehauftritte als Sänger in der ORF-Sendung „Wir-extra“ zugunsten von Kindern in der dritten Welt und bekam prompt seinen ersten Plattenvertrag. „Früher reichte es, eine Platte zu machen, zum Radiosender zu gehen und zu hoffen, dass du gespielt wirst. Ich habe meine ersten Erfolge vor allem Ö3 zu verdanken, als der Austropop laufen lernte“, erzählt der Musiker.

Sein Debütalbum „Ich wollte nie einer von denen sein“ erschien im selben Jahr, konnte aber zunächst keine hohen Verkaufszahlen erzielen. Allerdings landete er mit „Strada del sole“ ein Jahr später den österreichischen Sommerhit des Jahres. Die Single verkaufte sich in Österreich 99.000 Mal. Ebenso erfolgreich waren Songs wie „Macho, Macho“. Diesen schrieb er innerhalb von nicht einmal fünf Minuten, nachdem er einen Artikel in der Frauenzeitschrift „Brigitte“ gelesen hatte. Damit gelang dem Sänger auch der internationale Durchbruch. In der Schweiz landete das Lied in den Top drei und in Deutschland sogar auf Platz zwei. Der Song „I am from Austria“ hatte anfangs wenig Erfolg, wurde später jedoch zur „inoffiziellen Hymne Österreichs“.

Bei all dem Ruhm und den musikalischen Ehrungen bleibt der Vater zweier Söhne bescheiden: „Ich möchte nichts vermitteln und habe keine ‚Botschaft‘, weil ich mir nicht anmaße, im Besitz der Wahrheit zu sein. Geschichten erzählen und diese mit meinem Publikum teilen, das ist es, was ich immer wollte und will.“ Diese Erzählungen begeistern generationsübergreifend. Selbst wenn der Künstler sich selbst keinen Reim darauf machen kann: „Ich kann nicht sagen, was mein Erfolgsrezept ist. Vielleicht liegt es daran, dass die Eltern meiner jüngeren Fans bereits meine Musik gehört haben und sie damit aufgewachsen sind. Caterina Valente und Bill Ramsey höre ich selbst gerne, weil meine Mutter sie so geliebt hat.“

„Haben Sie Wien schon bei Nacht gesehen?“

Auch hat er keinen beschönigenden Blick auf seine frühen Errungenschaften und die Anfangszeiten seiner Musikkarriere: „Früher war nicht alles besser, es war anders. Die Aufnahmetechniken waren noch analog. Es musste alles ‚von Hand‘ eingespielt werden. Da half kein Computer mit. Heute funktioniert das meiste über Online-Marketing oder soziale Medien. Außerdem wird sehr viel Musik digital gehört über Streaming-Plattformen. Der CD-Verkauf ist stark zurückgegangen. Umso mehr freut mich die Renaissance der Vinyl-Platte. Es ist schon etwas anderes, wenn sich so eine schwarze Scheibe auf dem Plattenteller dreht, auch wenn’s manchmal knistert.“, bekennt er.

Trotz aller Zeit, die seit den musikalischen Kinderschuhen, denen Fendrich bereits lange entwachsen ist, vergangen ist, bleibt eine Sache unverändert: der Erfolg des Mannes, der das Austropop-Genre maßgeblich prägte. Stellt sich natürlich die Frage nach seiner Inspirationsquelle. „Ich suche nicht nach den Themen, über die ich schreibe. Sie finden mich. Das kann im Supermarkt, in der U-Bahn oder auf einem Waldweg sein. Es sind Dinge, die mich aufregen, berühren oder erheitern. Ich schreibe über das Leben, so wie ich es sehe. Die Voraussetzung dafür ist Neugierde und eine innere ‚Lupe‘, um genauer hinzuschauen“, erklärt der Singer-Songwriter.

Im Laufe seiner 45-jährigen Bühnen-Karriere hat sich ein beeindruckendes Symposium an Liedern angesammelt. Von A wie „Abendrot“ bis Z wie „Zweierbeziehung“ hat die Legende schon alles getextet. Da viele seiner Impulse direkt aus dem Leben gegriffen sind, wundert es nicht, dass einige aus seiner direkten Umgebung stammen. „Ich wohne in Favoriten – in der Bronx quasi. Und ich liebe es. Vor allem die direkte Art der Menschen mag ich sehr. Am Monte Laa weht ein anderer Wind als am Kobenzl.“

„Tango Korrupti“

Im neuen Album geht es vor allem um eine Art der Reflexion des aktuellen Zeitgeschehens, die auch vor heiklen Themen wie Politik und Flucht nicht Halt macht, und einer persönlichen Retrospektive. Dabei scheut er auch nicht davor zurück, das Wort Krieg in den Mund zu nehmen. Der Song „Wladimir“ nimmt den russischen Politiker Putin aufs Korn. Auch im Song „Nie wieder Krieg“ bekommt die politische Führungsriege ihr Fett weg.

„In schwierigen Zeiten etwas Lustiges zu schreiben, ist eine Herausforderung“, gesteht der Kult-Sänger. Allerdings heimst er mit der neuen, heiteren Nummer „Warteschleife“ einen ähnlich großen Erfolg wie mit seinem Song „Blond“ 1997 ein. Daneben inspirieren ihn viele intensive Stationen in seinem Leben. „Ich kann auf viele unvergessliche Momente zurückblicken. Einer davon ist das ‚Weiße Rössel‘ auf der Seebühne in Mörbisch mit dem wunderbaren Harald Serafin, wo ich den ‚Leopold‘ spielen durfte. Es war ein riesiger Erfolg und wir hatten jede Menge Spaß“, erinnert sich Fendrich. Nicht zu vergessen seine Zeit im Musik-Trio als Austria 3 mit Georg Danzer und Wolfgang Ambros.

„Weist a Herz hosd wie a Bergwerk“

Doch sein Leben war nicht immer eitel Sonnenschein. „Je älter man wird, desto öfter verabschiedet man sich. Es gehen Verwandte, Freunde oder die eigenen Eltern. Doch wenn jemand stirbt, der vor seiner Zeit aus dem Leben gerissen wird, ist das ein Schmerz, der mit nichts zu vergleichen ist und auch nie wieder weggeht“, erzählt Fendrich. Einer seiner schlimmsten Schicksalsschläge war der Tod seiner Tochter 1989. Sie starb an einer Viruserkrankung im Alter von nur 18 Monaten. „Das verkraftet man nie. Man lernt nur, mit dieser Amputation zu leben.“ Kurz darauf verfiel der Musiker in eine Drogensucht. Grund dafür war, dass er geglaubt hatte, er könne sich dadurch wieder aufbauen. Was ihn aber wirklich gerettet hat? „Die Musik, die Kunst“, gesteht er. So verarbeite er dieses Trauma im Lied „Und das Herz schlägt weiter“ auf seinem neuen Album.

Bei so viel Erlebtem braucht es aber auch Zeit für Erholung. So erschien sein elftes Album nach einer fünfjährigen Pause. „Da ich Text und Musik selbst schreibe, braucht das seine Zeit, und ich setze mich dabei auch keinerlei Druck aus. Ich lasse Texte oft liegen, um sie zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal durchzuarbeiten. Ebenso mache ich es mit der Musik. Eine Melodie, die mir heute gefällt, kann morgen nicht mehr so toll erscheinen. Ich lasse meine Lieder reifen.“

„Ruaf mi ned au“

Apropos Reifen: Das Älterwerden nimmt der fast 70-Jährige mit Humor. Mit einem spitzbübischen Lächeln erinnert er sich noch lebhaft an einen seiner letzten Einkäufe, als ihn eine ältere Dame durch die Supermarktregale verfolgte und ihn beim Klopapier ein ungewöhnliches Kompliment machte: „Sie seh’n aus wie der Vater vom Fendrich.“ Seine trockene Antwort: „Ich bin eh stolz auf den Buam.“ Anlässlich seines runden Geburtstags am 27. Februar gab es ein TV-Geschenk. Die neue Doku „Ich wollte nie einer von denen sein“ wurde am 20. Februar ausgestrahlt. Der ganze Trubel interessiert das Geburtstagskind aber wenig. An seinem Ehrentag will er lieber abtauchen: „Ich drehe mein Handy ab und sage nicht, wo ich bin. Denn ich will mich so gar nicht feiern lassen.“

Was er aber sehr wohl zelebrieren wird, ist sein 45-jähriges Bühnenjubiläum, dass mit der großen Tournee „Nur ein Wimpernschlag“ mit 19 Konzerten – neun davon in heimischen Gewässern – ab 11. April gefeiert wird. „Es wird eine sehr interessante Reise in meine Vergangenheit. Aber auch eine unglaubliche Herausforderung, weil eine große Erwartungshaltung da ist. Da hab’ ich schon ein Schularbeitsgefühl“, meint die Ikone. Aber was wünscht sich nun der Mann, der alles schon gesehen hat, für die Zukunft? „Ich wünsche mir Liebe und Gesundheit. Die beiden Dinge, die man nicht kaufen kann“, so Fendrich.

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