Suppenkoma, ade: Tipps gegen das Mittagstief

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Jeder kennt das: Man hat Mittagspause und hofft auf einen Energieschub. Aber dann kommt es: das Mittagstief. Umgangssprachlich wird es auch Suppenkoma genannt. Deshalb hat schauvorbei.at Expertin Holly Wilkinson, Ernährungsberaterin und Coach, zum Interview gebeten und sich Tipps geholt.

schauvorbei.at: Woher kommt das Mittagstief?
Holly Wilkinson:
Grundsätzlich ist es so, dass wir nach dem Essen immer die postprandiale Müdigkeit erleben. Das liegt daran, dass wir nach der Nahrungsaufnahme mit dem Verdauungsprozess beginnen. Das ganze Blut und der Sauerstoff wandern aus dem Gehirn in Richtung der Verdauungsorgane. Das ist ein Prozess, der grundsätzlich immer stattfindet. Stellt sich natürlich die Frage, warum es nach dem Mittagessen am stärksten ist. Die Antwort: In der Regel empfinden dies vor allem Menschen, die typische Büroarbeiten oder Jobs ausüben, bei denen sie viel Zeit im Sitzen verbringen. Wenn man am Vormittag die ganze Zeit bis zum Mittagessen sitzt und nicht die Gelegenheit hatte, die Energie vom Frühstück zu verdauen, bleibt dem Körper relativ viel zu tun.

Das klassische Mittagessen ist in der Regel so, wie wir es aus der Kantine kennen. Viele beharren auf ihr warmes Mittagessen. Das ist aber oftmals zu schwer für den Output, den man an einem normalen Bürotag hat. Sprich: Der Energiebedarf ist oft gar nicht so hoch wie gefühlt. Manche Menschen schnappen sich einen Imbiss, sei es eine Wurst-, Schnitzel- oder Leberkäsesemmel, oder etwas Warmes aus der Kantine. Das ist oft schwer verdaulich. Dann ist dieser Effekt natürlich noch stärker. Es ist die Kombination aus schwer verdaulichem Essen und Bewegungsmangel, die man im Alltag erfährt.

schauvorbei.at: Wenn das ein ganz normaler Prozess ist, kann man dem überhaupt vorbeugen?
Holly Wilkinson: Ja, das kann man. Es gibt da ein paar Tipps. Die meisten Menschen überschätzen ihren tatsächlichen Bedarf zu Mittag. Ich bin grundsätzlich immer Fan eines leichten Mittagessens. Zum Beispiel kann man warme Speisen für das Abendessen reservieren, weil man es sich da auch eher leisten kann, müde zu werden. Denn warme Gerichte machen eher schläfrig. Sie entspannen und erweitern die Gefäße wie bei warmen Außentemperaturen. Besser sind zum Beispiel belegte Brote und dazu ein Salat, Obstsalate oder generell frisches Obst oder Gemüse. Wenn man unbedingt etwas Warmes haben möchte, kann auch die Kombination Salat und Suppe guttun und mit ein bisschen Brot ergänzt werden. Auch eine leichte Küche mit Sandwiches, Wraps und Salaten ist empfehlenswert. Dabei gibt es zwei gute Tricks, die man anwenden kann.

Erstens sollte man beim Mittagessen zur Ruhe kommen. Auch oder vor allem, wenn man mit den Gedanken noch beim letzten Meeting oder den offenen E-Mails ist. Wichtig ist, dass wir unserem Körper die Chance geben, die Nahrung aufzunehmen. Deswegen ist dringend erforderlich, während des Essens, egal wie viel Zeit man zur Verfügung hat, sich diese auch bewusst zu nehmen. Das heißt: langsam essen, ordentlich kauen und das Tempo radikal drosseln. Dazu gibt es einen Trick: Man versucht während des Essens, die langsamste Person am Tisch zu sein. So kann der Körper rechtzeitig sagen, wann wir gesättigt sind.

Oft überisst man sich beim Mittagessen. Das kann daran liegen, dass man nebenbei tratscht oder schlingt, um schnell mit der Arbeit weiterzumachen, oder noch gestresst ist von der Arbeitsperiode davor. Das führt zu unachtsamem und schnellem Essen. Dann denkt man, man ist noch gar nicht satt geworden, weil das Gehirn noch keine Chance hatte, uns zu sagen, dass wir es doch schon sind. Dieses „Überessen“ fördert das Mittagstief beziehungsweise die Nachmittagsmüdigkeit. Sollte man es nicht schaffen, die Speise in der anberaumten Zeit zu essen, rate ich dazu, gegen den kleinen Hunger am Nachmittag – so gegen 16 Uhr – erneut zu speisen.

Auch bei meinem zweiten Tipp muss man sich Zeit nehmen. Man kann sich dafür mit Kollegen zusammenschließen. Ein Verdauungsspaziergang nach der Mittagspause hilft unglaublich. 15 bis 20 Minuten reichen aus. Ich bin selbstständig und kann unter Anführungszeichen tun, was ich will, da ist das natürlich einfacher. In einem Angestelltenverhältnis würde ich vorschlagen, dass man mit dem Team oder dem Vorgesetzten bespricht, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, das erste Meeting nach dem Mittagessen während eines Spaziergangs oder telefonisch zu halten. Dann kann man sich dabei bewegen. Der Körper kann dann die aufgenommene Energie und die Nährstoffe besser „verräumen“. Man verbrennt auch ein paar Kalorien, und danach fühlt man sich erfrischt anstatt vom Essen erschlagen.

schauvorbei.at: Isst man abends schwerer, hat man dann nicht das Problem, dass man nicht gut schlafen kann?
Holly Wilkinson: Das kommt auf den Inhalt der Nahrung an. Wenn ich Schnitzel mit Pommes am Abend esse, dann ist es schwer. Aber es liegt am Essen, nicht an der Uhrzeit. Grundsätzlich würde ich empfehlen, dass die letzte Mahlzeit – egal ob warm oder kalt – nicht zu spät eingenommen wird. Das heißt, ungefähr drei Stunden vor dem Schlafengehen sollte die Nahrungsaufnahme beendet sein. Hier auch derselbe Tipp wie zu Mittag: langsam und bewusst essen und sich Zeit dafür nehmen. Als positives Vorbild kann man einen Blick zu unseren mediterranen Nachbarn werfen. Sie lassen sich unglaublich viel Zeit beim Essen. Bei ihnen gehört es einfach zur Kultur dazu, dass man Speisen gemeinsam und in Ruhe genießt. Das hilft auch. Eine warme Mahlzeit nach einem langen Tag kann guttun und zusätzlich entspannen.

Außerdem finde ich, es ist ein schöner Tagesabschluss, mit der Familie, dem Partner oder dem Haustier nach dem Abendessen noch eine kurze Runde spazieren zu gehen. Eine Viertelstunde, maximal 20 Minuten, reichen schon aus, um den Körper zu unterstützen, damit man nicht in diese Trägheit verfällt. Am Abend hilft es zusätzlich, den Kopf freizukriegen, sodass man entspannter die Abendroutine durchführen kann.

Die Müdigkeit steht und fällt in vielen Bereichen tatsächlich eher mit dem Essverhalten als mit der Nahrung. Also mit den Fragen „Wie esse ich?“,  „Wie viel Zeit nehme ich mir?“ und „Wie viel Raum gebe ich mir?“. Wenn man nicht zu spät isst, kann man sehr wohl ein ausgewogenes, aber üppigeres Mahl am Abend zu sich nehmen. Wir müssen bedenken, dass unser Gehirn 15 bis 20 Minuten braucht, um zu realisieren, was geschieht. Wenn wir Nahrung binnen sieben Minuten in uns hineinschaufeln, hatten wir noch gar keine Chance, die Sättigung wahrzunehmen. Das ist oft der Grund, warum sich Menschen überessen. Der Zeitfaktor ist also auch hier der Grund.

schauvorbei.at: Gibt es spezielle Muntermacher, die man in der Mittagspause konsumieren sollte und die besonders helfen?
Holly Wilkinson: Dazu gehören vitaminreiche, frische Lebensmittel mit einem hohen Wasseranteil. Frisches Gemüse kann man immer als Beilage verwenden. Frisches Obst kann man nach der Hauptmahlzeit einbauen. Im Sommer zum Beispiel mit frischen Beeren. Wassermelone hat feine Enzyme, die richtig schön erfrischen. Aber tatsächlich ist der kleine Spaziergang danach das Erfrischendste.

schauvorbei.at: Inwiefern spielt die Flüssigkeitszufuhr eine Rolle?
Holly Wilkinson: Die Flüssigkeitszufuhr im Laufe des Tages ist wichtig, weil Hydration in Form von Wasser, ungesüßten Tees oder verdünnten Säften für eine bessere Leistung sorgt. Kurz gesagt: Man braucht Flüssigkeit, um zu funktionieren. Wenn wir zu wenig trinken, werden wir schneller müde und unkonzentriert. Oft verwechseln wir dieses Durstgefühl mit Hunger. Oder wir neigen am Nachmittag dazu, mehr Kaffee oder Süßigkeiten zu essen. Ich empfehle, grundsätzlich immer stündlich ein kleines Glas zu trinken. Ob es sich um Tee, Wasser oder etwas Verdünntes handelt, ist ganz egal.

Man muss nicht zwanghaft beim Essen Flüssigkeit in sich hineinpressen. Davon bekommt man nur Bauchweh. Aber ich finde es gut, stündlich 150 Milliliter Wasser zu trinken, wenn man wach ist. So kommt man auf zweieinhalb bis drei Liter am Tag. Es geht darum, den Körper regelmäßig mit Flüssigkeit zu versorgen. Klappt das nicht, sollte man sich ansehen, wo die Baustellen liegen könnten. Das ist bei jedem Menschen anders. Aber es ist auf jeden Fall eine wichtige Stellschraube, an der man drehen kann.

schauvorbei.at: Egal ob man im Supermarkt, auf einer Baustelle oder vor der Kamera arbeitet: Wenn man einen Beruf hat, in dem es mit regelmäßigem Flüssigkeitskonsum nicht klappt, soll man dann einen Liter auf einmal trinken oder wäre das kontraproduktiv?
Holly Wilkinson: Als Gesellschaft und auch als Einzelperson finde ich wichtig, auf Grundbedürfnisse einzugehen. So wie man auch aufs WC gehen sollte. Auch dafür sollte man sich Zeit nehmen. Es ist wichtig, Grenzen aufzuzeigen. Damit kann jeder Einzelne von uns beginnen zu sagen: „Stop, wir machen eine zweiminütige Pause! Es trinken alle kurz etwas, damit wir besser arbeiten können.“

Ich bin überhaupt kein Fan von Kompromissen, weil es dann nie zu einer Verbesserung kommt. Das gilt auch für Dinge wie: „Ich habe keine Zeit für eine Mittagspause.“ Wir sind beruflich dazu verpflichtet, Mittagspausen einzuhalten. Das darf man betreffenden Vorgesetzten auch gerne sagen. Auch, dass es nicht so weitergeht. Wenn man diese Grenzen nicht anspricht, werden sie nie eingehalten. Deswegen gibt es da keine Kompromisse. Schnell einen Liter auf Zug zu trinken, das wird der Körper nicht aufnehmen und sofort wieder ausscheiden. Ich wäre lieber Team „Wir versuchen, dass wir es alle schaffen, unsere Grundbedürfnisse zu decken“. Auch in einem stressigen Job – und gerade dann.

schauvorbei.at: Wenn das Mittagstief bereits da ist: Gibt es Tipps, wie man die Situation verbessern kann?
Holly Wilkinson: Dann sollte man sich auf jeden Fall bewegen und etwas trinken. Zum Beispiel kann eine fünfminütige Pause schon helfen. Ein Mal die Treppen hoch und runter, eine Runde um den Block oder einfach das Büro kurz verlassen. Im Sitzen wird man nicht frischer. Auch der nächste Kaffee wird nicht helfen. Stattdessen leidet dann meistens am Abend der Schlaf darunter. Bewegung ist Leben.

Aufstehen, ein paar Kniebeugen machen, durch die Büros gehen, sich eine Aufgabe suchen oder einen Call zu Fuß machen. Das sind alles Beispiele, die helfen können. Was sich Raucher an Rauchpausen rausnehmen, kann man als Nichtraucher für einen Spaziergang um den Block der Firma nutzen. Dabei sollte man tief durchatmen und Sauerstoff  und Flüssigkeit tanken. Denn dadurch wird eine gute Durchblutung angeregt. Bewegung ist die beste Lösung.

schauvorbei.at: Warum wird Koffein in Form von Kaffee oder Energy Drinks nicht helfen?
Holly Wilkinson: Es ist immer nur kurzfristig. Koffein ist ausgeborgte Energie. Dabei werden Rezeptoren im Gehirn angezapft. Das wiederum bewirkt, dass man kurze Zeit nicht müde werden kann oder weniger müde wird. Sobald sich diese chemische Reaktion auflöst, kommt die Müdigkeit zurück. Es ersetzt keinen Schlaf. Somit ist es immer ein schlechter Handel, den man eingeht.

Am Vormittag gehen wir mit Koffein noch recht gut um. Denn dann kann es im Laufe des Tages gut im Körper abgebaut werden. Koffein – gerade in Form von Energy Drinks am Nachmittag – gibt uns kurz eine Blutzuckerspitze. Danach stürzt der Blutzucker wieder in den Keller. Die Folge: Wir bekommen Heißhunger auf etwas Süßes oder Fettiges. Das ist ein ewiger Kreislauf. Beim Kaffee am Nachmittag ist es dasselbe.

Das heißt, es ist ungewohnt, ständig in Bewegung zu sein, aber es löst tatsächlich viele Probleme. Ich finde es gut, Menschen im eigenen Umfeld in diese Vorhaben einzuweihen. Zum Beispiel, dass Kollegen im Büro Bescheid wissen. Denn im Endeffekt profitieren alle davon.

schauvorbei.at: Vielen Dank für das Gespräch und die guten Tipps!

Foto: © Martha Gattringer Photography

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