Intendant Julian Rachlin über das Herbstgold Festival

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Julian Rachlin ist Violinist, Bratschist und Dirigent. Außerdem ist er bereits zum vierten Mal Intendant des Herbstgold Festivals im Schloss Esterházy in Eisenstadt. Dieses Jahr steht alles unter dem Motto „Verführung“. schauvorbei.at hat ihn ins Studio gebeten und wichtige Einblicke in das Leben des Musikers bekommen.

schauvorbei.at: Von Sehnsucht zu Verführung – warum haben Sie dieses Jahr das Motto „Verführung“ gewählt?
Julian Rachlin: 
Es ist sowohl für einen Festivalbesuch als auch für ein unvergessliches Konzerterlebnis eine wichtige Emotion. Die Verführung ist ein Element, das für Musiker eine bedeutende Rolle spielt. Denn wir als Instrumentalisten und Dirigenten sind während einer Aufführung mit den Komponisten verbunden und werden von ihnen verführt. Außerdem möchten wir das Publikum beim Herbstgold Festival in eine andere Welt ent- und verführen. Ein weiteres wichtiges Element, worüber oft nicht gesprochen wird, ist die Komposition aus Publikum und Profis. Beide Parts nehmen sich die Zeit, ins Schloss Esterházy ins wunderschöne Burgenland zu kommen und dort die Festivalatmosphäre einzuatmen. Dabei entsteht eine Symbiose, die man nicht in Worte fassen kann. Denn Musik ist abstrakt. Sie ist nicht wirklich greifbar. Man kann sie nicht anfassen. Doch da kommt das Element der Verführung ins Spiel. Es ist eine Art der Hypnose, bei der man alles vergisst.

schauvorbei.at: Was ist für Sie persönlich heuer das absolute Highlight?
Julian Rachlin:
Für mich ist sowohl der 15. als auch der 19. September ein wichtiges Datum. Am 19. wird ein Werk aufgeführt, das der junge Ludwig van Beethoven geschrieben hat. Es ist ein Septett. Dabei sitzen sieben außergewöhnliche Musiker auf der Bühne, die als Solisten tätig sind. Normalerweise spielen sie auf der ganzen Welt allein mit großen Orchestern. Aber an diesem Tag kommen sie alle in einer geballten Formation zusammen. Dazu kommt, dass Beethoven selbst eine enge Verbindung zu der Familie Esterházy hatte. Denn er war Schüler von Joseph Haydn. Er spielte selbst im Haydnsaal Kammermusik. Natürlich haben wir auch große Orchesterkonzerte zu bieten. Aber die Kammermusik ist etwas, das Haydn im Haydnsaal im Schloss Esterházy immer gepflegt hat. Diese Art der Zusammenkunft von Ort, Zeit, Raum und Musik ist etwas ganz Besonderes.

Am 15. September findet auch ein außergewöhnliches Musik-Spektakel statt. Und zwar mit dem – nicht fast, sondern sicherlich – legendären Schauspieler Karl Markovics. Er wird aus einem sehr bewegenden Buch lesen. Daneben sind großartige Stars der klassischen Musik auf der Bühne. Das bedeutet: Wort und Musik, Schauspieler und Musiker werden sich auf der Bühne gemeinsam ergänzen. Das ist fast schon Tradition geworden beim Herbstgold Festival. Denn auch Klaus Maria Brandauer und John Malkovich haben uns schon die Ehre gegeben.

„Der Haydnsaal ist für mich ein heiliger Ort. Ansonsten bin ich auch gerne im Ort in den kleinen Gässchen und Cafés unterwegs.“
Julian Rachlin

schauvorbei.at: Schloss Esterházy – inwiefern spielt dieser Ort eine Rolle für das Herbstgold Festival?
Julian Rachlin:
Die größte, die man sich vorstellen kann, und das über alle Grenzen hinaus. Ich selbst bin sehr viel unterwegs. Es sind an die 300 Tage im Jahr auf fünf Kontinente verteilt. Überall, wo ich hinkomme und Esterházy oder Eisenstadt erwähne, wissen Musikliebhaber sofort Bescheid. Sie sind international ein Begriff. Einen großen Anteil daran hatte das Wirken von Haydn, aber auch alle anderen großen, unglaublichen Komponisten wie Franz Liszt, Ludwig van Beethoven und Gustav Mahler. Sie alle hatten Kontakt zu den Esterházys.

schauvorbei.at: Was gefällt Ihnen am Burgenland am besten?
Julian Rachlin:
Die Freundlichkeit der Menschen. Ich bin als künstlerischer Leiter öfter im Publikum unterwegs als auf der Bühne. Diese Atmosphäre vor dem Konzert oder auch in der Pause mit den Gästen zu teilen, ist wichtiges Feedback. Ich habe bereits mehrfach festgestellt, dass die Herzlichkeit der Burgenländer etwas ist, das dieses Land so besonders macht.

schauvorbei.at: Gibt es einen Platz in Eisenstadt, den Sie besonders gerne mögen?
Julian Rachlin: Der Haydnsaal ist für mich ein heiliger Ort. Ansonsten bin ich auch gerne im Ort in den kleinen Gässchen und Cafés unterwegs. Eisenstadt hat diesen speziellen Charme: „Klein, aber fein.“ Es ist ein wirkliches Schmuckkästchen.

„Am herausforderndsten als Intendant finde ich, dass sich alle wohlfühlen. Das ist immer meine größte Sorge, aber auch mein größtes Glück, wenn es gelingt.
Julian Rachlin

schauvorbei.at: Was macht den Haydnsaal so besonders?
Julian Rachlin: Die Akustik ist einzigartig. Er ist nicht sehr groß. Es passen nicht zwei- oder dreitausend Menschen hinein wie in anderen modernen Konzertsälen, sondern lediglich an die 750. Die Auslastung ist perfekt. Der Raum wurde vor Hunderten Jahren als Konzertsaal gebaut, und es gab ihn bereits vor dem Wiener Konzerthaus. Diese Geschichte macht ihn unvergleichlich.

schauvorbei.at: In Ihrer Rolle als Intendant – was stellt die größte Herausforderung dar?
Julian Rachlin: Am herausforderndsten als Intendant finde ich, dass sich alle wohlfühlen. Das ist immer meine größte Sorge, aber auch mein größtes Glück, wenn es gelingt. Ich arbeite mit einem fantastischen Team, das das ganze Jahr über das Herbstgold Festival plant. Wir sind bereits mit der Planung für das nächste Jahr fertig und bereits jetzt mit der Inszenierung für 2026 beschäftigt. Aber da verraten wir noch nichts (schmunzelt). Das Team kümmert sich um jedes Detail und die größten Kleinigkeiten. Diese machen das Herbstgold Festival aus. Selbst wenn das Publikum nicht merkt, was hinter der Bühne passiert. Denn wir tun alles, damit das Publikum mit einer Leichtigkeit den Konzertbesuch erleben kann. Diese Atmosphäre bieten zu können, bedeutet ein Jahr härtester Arbeit.

schauvorbei.at: Wie kam es dazu, dass Sie Intendant geworden sind?
Julian Rachlin:
Ich bekam einen Anruf von meinem guten Freund Daniel Serafin. Er feiert einen unfassbaren Erfolg jedes Jahr im Steinbruch in St. Margarethen. Schon unsere Eltern waren befreundet. Das heißt, uns verbindet schon eine jahrzehntelange Freundschaft. Er fragte mich, ob ich es mir vorstellen könnte, Intendant für das Herbstgold Festival zu werden. Ich habe ohne zu zögern zugesagt. Nach vielen Interviews und Gesprächen habe ich die Stelle erhalten. 2021 war mein erstes Jahr als Intendant.

„Ob als Dirigent leitend, spielend als Musiker, unterrichtend als Professor oder inszenierend als Intendant: Durch diese verschiedenen Funktionen habe ich die Möglichkeit, die Musik aus all ihren Blickwinkeln zu betrachten.“
Julian Rachlin

schauvorbei.at: Wo findet man Sie abseits der Bühne?
Julian Rachlin:
Am Tennisplatz, im Schwimmbad, im Kino, im Theater oder im Konzert. Überall, wo man sich entspannen kann. Diesen Sommer habe ich zum ersten Mal in meinem Leben drei Wochen ohne Musik verbracht. Ganz ohne Partituren, und auch alle Instrumente habe ich zu Hause gelassen. Meine Frau ist eine fantastische Bratschistin und Geigerin. Dieses Jahr haben wir im gemeinsamen Urlaub nicht ein Mal über Musik gesprochen. Aber wir haben viele andere interessante Dinge erlebt. Zum Beispiel haben wir einen herrlichen Abend mit Novak Djokovic erlebt. Er kehrte im Sommer von den Olympischen Spielen in Paris mit seiner Goldmedaille zurück und es gab ein spontanes, aber sehr lustiges Treffen mit diesem herausragenden Sportler.

schauvorbei.at: Wie kam es zu dieser Entscheidung, einen dreiwöchigen musikalischen Detox zu machen?
Julian Rachlin:
Zuerst haben wir einen medizinischen Detox gemacht und sind anschließend nach Kroatien ans Meer gefahren. Wir lieben das Meer. Die Entscheidung, einen musikalischen Detox zu machen, fiel, nachdem die letzten Jahre in meiner Doppelfunktion bzw. Dreifach- oder Vierfach-Funktion sehr intensiv waren. Ich habe eine Professur an der Privatuniversität in Wien, dazu kommen meine Auftritte als Geiger mit Violinkonzerten und Orchestern, meine Funktion als Geiger und Bratschist in der Kammermusik plus meine Tätigkeit als Dirigent. Letztere nimmt 70 Prozent meiner Gesamttätigkeit ein. Addiert man alles zusammen – mit all den Reisen die dazugehören –, kommt man irgendwann an den Punkt, wo man sagt: „So, jetzt möchte ich eine Pause.“ Diese war sehr wichtig. Danach kam ich mit vollen Akkus und voller Tatendrang zurück.

schauvorbei.at: Violinist, Bratschist und Dirigent – welche Rolle füllt Sie am meisten aus?
Julian Rachlin: 
Prozentuell würde ich sagen 70 zu 30. 70 Prozent bin ich als Dirigent tätig. Es hat sich über die Jahre in diese Richtung verschoben. Umso wichtiger sind mir die 30 Prozent, in denen ich auf der Geige spiele. Diese Auftritte sind sozusagen in der Unterzahl. Aber dadurch, dass ich Chef-Dirigent von zwei Orchestern und Gast-Dirigent in Deutschland bin, habe ich viele Konzerte, auf die ich mich freuen kann. Zum Beispiel das Abschlusskonzert des diesjährigen Herbstgold Festivals. Mit dabei ist das Jerusalem Symphony Orchestra. Dieses Abschlusskonzert ist gleichzeitig das erste Konzert unserer Tournee. Bereits am nächsten Tag geht es nach Frankreich und dann nach Deutschland. Darauf freue ich mich bereits jetzt. Letztes Jahr durfte ich „Die Hochzeit des Figaro“ an der Oper in Wien dirigieren. Auch das war ein Meilenstein für mich. Ob als Dirigent leitend, spielend als Musiker, unterrichtend als Professor oder inszenierend als Intendant: Durch diese verschiedenen Funktionen habe ich die Möglichkeit, die Musik aus all ihren Blickwinkeln zu betrachten. Das hält mich jung. Ich fühle mich frisch, immer inspiriert und lerne ständig etwas dazu.

„Es war eine wunderschöne Kindheit, weil ich nie etwas tun musste, aber dazu inspiriert wurde, Musik zu machen.“
Julian Rachlin

schauvorbei.at: An welchem Instrument hängt Ihr Herz am meisten?
Julian Rachlin:
Cello, aber ich kann dieses Instrument nicht spielen.

schauvorbei.at: Warum haben Sie dann nicht Cellospielen gelernt?
Julian Rachlin:
Zu diesem Thema müssten wir vermutlich einen eigenen Podcast machen (lacht). Ich würde tatsächlich sagen, ich spiele das falsche Instrument. Aber das stand für mich nie im Vordergrund. Es ging mir nie darum, der beste Geiger zu sein. Das ist für mich uninteressant. Ich möchte generell nicht der Beste bei irgendetwas sein. Vielmehr will ich versuchen, als Musiker zu lernen und zu wachsen. Dafür kann ein Leben gar nicht lang genug sein. Im Vordergrund steht für mich die Musik per se und die Verwandlung meiner selbst in den verschiedensten Rollen. Zeit meines Lebens bin ich von Neugierde und Interesse getrieben, die Musik aus ihren verschiedensten Richtungen kennenzulernen. Natürlich muss man seine Grenzen dabei ausloten und kennen, aber sie verschieben sich mit der Zeit auch. Zum Beispiel: Wenn mir in meiner Jugend jemand gesagt hätte, dass das Dirigenten-Dasein einmal bei mir im Vordergrund stehen wird und ich viele unglaubliche Orchester auf der ganzen Welt leiten werde, so hätte ich es sicher für unmöglich gehalten.

schauvorbei.at: Woher kommt Ihre Leidenschaft zur Musik und insbesondere zur Klassik?
Julian Rachlin:
Meine Eltern sind professionelle Musiker. Das bedeutet, im Haus gab es immer Musik. Meine Mutter ist dirigierende Professorin und Pianistin und mein Vater Cellist. Aber ich wurde nie dazu gezwungen, ein Instrument zu spielen – im Gegenteil! Es war eine wunderschöne Kindheit, weil ich nie etwas tun musste, aber dazu inspiriert wurde, Musik zu machen. Ab meinem zweiten Lebensjahr kann ich mich an Klassik in meinem Leben erinnern. Es war eine Faszination, die davon für mich ausging. Klassische Musik war das Spannendste, das es für mich auf der Welt gab und immer noch gibt.

schauvorbei.at: Sie werden beim Festival auch selbst auf der Bühne stehen. Was empfinden Sie bei solchen Auftritten?
Julian Rachlin:
Musik ist meine Religion, meine Leidenschaft und meine Geliebte. Ich bin zwar verheiratet, aber meine Frau erlaubt mir das (zwinkert). So gesehen, erfüllt es mir außer der kulinarischen Komponente alle Wünsche. Es ist eine unglaubliche Passion, und dieses Glücksgefühl, auf der Bühne sein zu können, ist etwas, das man nicht in Worte fassen kann. Das kann man nur erfahren, wenn man es selbst erlebt. Aber ich hoffe, dass das Publikum es auch spürt. All diese talentierten Musiker-Persönlichkeiten, die jedes Jahr zum Herbstgold Festival kommen, sind zum großen Teil auch abseits der Musik-Szene langjährige Freunde von mir. Das trägt natürlich auch zu einer einmaligen Aufführung bei. Gleichzeitig versuche ich in jedem Jahr, Musiker von Weltrang ins Burgenland zu locken. Bisher gelingt das gut. Die Community wächst kontinuierlich und derzeit sind sieben der elf Veranstaltungen ausverkauft. Dabei kommen auch viele Gäste aus dem Ausland speziell für das Herbstgold Festival.

„Die Auseinandersetzung mit den Komponisten sollte seriös, aber nicht ernst sein. Denn klassische Musik ist nichts Bitterernstes. Selbst wenn viele Menschen das glauben.“
Julian Rachlin

Die Infrastruktur ist fantastisch. Das Hotel Galántha gegenüber kann ich empfehlen. In der Nähe finden sich auch andere sehr gute Übernachtungsmöglichkeiten und kulinarisch wird einiges geboten. Dazu kommt Vielschichtigkeit. Es gibt so vieles, das man tun kann. Zum Beispiel wunderschöne Spaziergänge vor oder nach dem Konzert machen, denn es gibt spezielle Installationen für die Gäste. Neben einem klassischen Konzert kann ein moderneres Jazz-Konzert besucht werden oder aber das Kinoprogramm. Dieses ist sehr populär. Es gibt jedes Jahr einen Kinofilm beim Herbstgold Festival. Heuer haben wir uns für „Die Fälscher“ entschieden. Grund dafür ist, dass Karl Markovics bei uns auftreten wird und er einen Oscar für die Hauptrolle in diesem Film erhalten hat.

Es gibt auch noch ein weiteres grandioses Projekt. Das Janoska Ensemble tritt mit 100 Gypsy Violins auf. Dabei sind nicht wirklich 100 Geigen auf der Bühne, aber es wird sich so anfühlen. Die Geiger werden die aufgeführte Weltmusik auf ihre einzigartige Weise kuratieren. Sie sind Publikumslieblinge und international unterwegs. Diese Vielfalt macht das Herbstgold Festival zu einem Erlebnis, wo man im Anschluss hoffentlich sagt: „Ich kaufe mir sofort Karten für nächstes Jahr!“ (lacht)

schauvorbei.at: Haben Sie immer noch Lampenfieber?
Julian Rachlin: Sicher! Man hat Respekt vor den Komponisten. Ich glaube, es liegt in der Natur der Sache, dass alle Musiker das Allerbeste aus einem Konzert vor dem Publikum herausholen möchten, da jeder Auftritt etwas Einzigartiges darstellt. Deswegen ist man dann aufgeregt. Wenn sich die Nervosität in Grenzen hält – es also in einem gesundes Maß stattfindet –, zeigt sie eine Demut und Respekt vor dem Beruf. Denn es ist nichts Alltägliches. Es ist nicht so, als würde man einfach ein Glas Wasser trinken. Die Zuschauer nehmen sich viel Zeit und zahlen dafür, etwas Besonderes zu erleben, und es ist unsere Verantwortung, ihnen genau das zu bieten.

schauvorbei.at: Würden Sie sagen, dass sich die Klassik-Szene  in den letzten Jahren verändert hat?
Julian Rachlin: 
Alles verändert sich – ständig. Neue Technik kommt auf den Markt, die junge Generation bringt unglaubliche Einblicke und neue Interpretationen. So verändern sich auch Werke und deren Rezeption. Ich sehe diese Entwicklung als durchgehend positiv. Auch den Einbezug von Social Media in die klassische Musiklandschaft. Denn so können wir das junge Publikum abholen. Ich hoffe, dass sie sagen: „Ein Klassik-Konzert ist genauso toll wie ein Pop-Konzert.“ Allerdings finde ich wichtig, dass wir uns unsere Ethik bewahren. Die Auseinandersetzung mit den Komponisten sollte seriös, aber nicht ernst sein. Denn klassische Musik ist nichts Bitterernstes. Selbst wenn viele Menschen das glauben.

Dabei handelt es sich um ein großes Missverständnis. Alle berühmten Komponisten waren extrem lustige und verrückte Menschen. Zum Beispiel hat sich Haydn oft mit Wein bezahlen lassen, weil er das Feiern mit seinen Freunden liebte. Auch Beethoven war ein Partytiger, wenn man das so sagen darf. Viele Menschen kennen den Film „Amadeus“. Wenn man einige der Bücher über Mozart oder seine Briefe, die er an seine Schwester, seinen Vater, seine Mutter und seine Liebsten geschrieben hat, liest, weiß man: Da ist viel Wahres dran. Die Briefe sind sehr humorvoll und liefern Einblicke in seine Musik. Sie besteht aus einer ganzen Palette an Emotionen. Deswegen ist es ein solches Erlebnis, in ein klassisches Konzert zu gehen.

„All die begabten und talentierten Künstler auf einer Bühne stellen etwas Unglaubliches dar. Es ist etwas, das man in keinem anderen Konzertsaal in einer solchen geballten Form erleben kann.“
Julian Rachlin

Wir haben die Aufgabe, das dem jungen Publikum zu vermitteln. Damit sie nicht denken: „Oh, jetzt schleppt mich meine Oma dort hin.“ Nehmen wir nur China als Beispiel. Ich reise dort jedes Jahr hin. Der Altersdurchschnitt aller klassischen Konzerte liegt da bei 30 Jahren. Ich hoffe sehr, dass sich dieser Trend auch in Amerika und bei uns hier in Österreich durchsetzt. Generell wünsche ich mir, dass sich das Publikum in Europa verjüngt. Die Jugend ist ein großes Thema in dieser Branche. Obwohl natürlich der älteste Gast genauso herzlich willkommen ist wie der jüngste.

Um der jungen Altersgruppe gerecht zu werden, haben wir ein fantastisches österreichisches Jazz Ensemble mit dem Namen „River“ engagiert. Sie haben das Ö1-Stipendium dieses Jahr gewonnen. Mit dabei ist Nina Feldgrill als Kontrabassistin auf einem E-Bass. Ich bin sehr stolz, dass sie dieses Jahr beim Herbstgold Festival zu hören sein werden.

schauvorbei.at: Haben Sie festgestellt, dass sich das Publikum beim Herbstgold Festival in den letzten Jahren verändert hat?
Julian Rachlin: Ja, das habe ich. Als wir mit der Produktion begannen, befanden wir uns mitten in der Pandemie. Trotzdem hatten wir in diesen Jahren immer das Glück, dass wir spielen konnten. Jetzt stehen alle Türen offen und dadurch erleben wir einen regelrechten Ansturm. Obwohl wir immer sehr gut besucht waren, gab es noch nie solche Wartelisten. Auch wenn das schade ist für jene, die die Tickets später kaufen wollten, ist es für uns als Team eines der schönsten Komplimente. Ich freue mich, dass das Herbstgold Festival ein fixer Bestandteil der österreichischen Kulturlandschaft ist. In etwa so, wie wenn man als Klassik-Liebhaber Salzburg besucht und Bregenz und Grafenegg zu einem Fixpunkt macht, sind es im Burgenland das Herbstgold Festival und das Schloss Esterházy geworden.

schauvorbei.at: Gibt es eine Botschaft, die Sie dem Publikum mitgeben möchten?
Julian Rachlin:
Wir freuen uns auf jeden Besucher. Jeden einzelnen wissen wir zu schätzen. Dadurch, dass wir das absolute Maximum an Energie hineinlegen, kann man spüren, dass es kein normaler Konzertbesuch ist, sondern etwas ganz Besonderes. Natürlich gibt es viele gute Angebote in ganz Österreich. Ich wohne in Wien, dort gibt es jeden Tag mindestens 20 Konzerte, Theaterstücke und Opern. Beim Herbstgold Festival findet man in zwei Wochen erstklassige Kunst in geballter Form. All die begabten und talentierten Künstler auf einer Bühne stellen etwas Unglaubliches dar. Es ist etwas, das man in keinem anderen Konzertsaal in einer solch konzentrierten Form erleben kann.

„Das Wichtigste in meinem Leben ist … Liebe.“
Julian Rachlin

schauvorbei.at: Kommen wir zur Speed-Runde. Dieses Lied erinnert mich an Liebe:
Julian Rachlin:
Oh, keine Ahnung (lacht). Nächste Frage.

schauvorbei.at: Dieses Stück spielt eine wichtige Rolle in meinem Leben:
Julian Rachlin:
Antonín Dvoráks Cellokonzert.

schauvorbei.at: Musik bedeutet für mich …
Julian Rachlin:
Leidenschaft, Hobby, Beruf und Religion.

schauvorbei.at: Wäre ich nicht Musiker geworden, wäre ich jetzt wahrscheinlich …
Julian Rachlin:
Fußballer.

schauvorbei.at: Aus der Fassung bringt mich nur …
Julian Rachlin: 
Ungerechtigkeit!

schauvorbei.at: Das Wichtigste in meinem Leben ist …
Julian Rachlin:
Liebe.

schauvorbei.at: Zeitgenössische Musik ist für Klassik so wie …
Julian Rachlin: 
Das ist eine sehr gute Frage. Es kommt darauf an, um welche zeitgenössische Musik es sich handelt. Dabei ist es so wie bei allen Genres. In jedem gibt es gute und schlechte Musik, aber jedes liebe ich. Egal ob Rock oder Pop. Gut, Rap muss ich noch lernen zu lieben, aber ich bin für alles offen.

schauvorbei.at: Das Herbstgold Festival in Eisenstadt in drei Worten:
Julian Rachlin:
Emotion, Atmosphäre und Freude.

schauvorbei.at: Vielen Dank für das Gespräch!

Foto: © Julia Wesely

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