Story

Der Kitesurf-Olympiasieger Valentin Bontus im Talk

Knapp ein Jahr ist es her, seitdem Valentin Bontus Gold für Österreich in der Disziplin Formula Kite bei den Olympischen Spielen in Paris holte. Im Interview erzählt der 24-Jährige, der seine sportlichen Wurzeln im Yachtclub Podersdorf hat, wie es ihm heute geht, was einen erfolgreichen Spitzensportler ausmacht und warum ihm ausgerechnet ein Edelstein geholfen hat, nach dem größten Sieg seines Lebens neue Kraft zu finden.
Kitesurf-Olympiasieger Valentin Bontus zeigt sich stolz mit seiner Goldmedaille. © ÖOC/Michael Meindl

Im Mai 2024 sorgte ein junger Niederösterreicher bei den Olympischen Spielen in Paris (Anmerkung der Redaktion: Die Segelbewerbe fanden in Marseille statt.) für Aufsehen. Valentin Bontus gewann Gold in der erstmals ausgetragenen olympischen Disziplin Formula Kite – in einem hautengen weißen Skianzug, der ebenso hervorstach wie sein Leitspruch „Fat is fast. Fast is sexy“.  Wie ihm dieses Motto zum Sieg verholfen hat und was sich seither im Leben des Olympioniken verändert hat, verrät uns der frisch verheiratete Spitzensportler im schau-Talk.

schauvorbei.at: Valentin, du hast ein sehr erfolgreiches Jahr hinter dir. Wie geht es dir gerade? 
Valentin Bontus: Mir geht’s gut, danke. Ich bin derzeit viel mit dem Rennrad unterwegs und konzentriere mich darauf, mein Knie nach dem Kreuzbandriss im April Schritt für Schritt wieder fit zu bekommen.

schauvorbei.at: Konntest du deinen Olympiasieg bereits verarbeiten?
Valentin Bontus: Es ist total verrückt. Dieses eine Jahr fühlt sich gleichzeitig extrem kurz und unglaublich lang an. Es ist so viel passiert, und manchmal denke ich mir: Das war doch ein ganzes Jahrzehnt, oder? Ich habe natürlich realisiert, was da passiert ist. Ich habe alles aufgesogen, so gut es ging. Aber wenn ich höre, dass das jetzt wirklich erst 365 Tage her ist, dann wirkt das fast skurril. Die Zeit danach war so intensiv, so voll mit Eindrücken, das hat alles völlig verzerrt.

schauvorbei.at: Hast du das Gefühl, dich durch den Olympiasieg auch persönlich verändert zu haben?
Valentin Bontus: Ich glaube nicht, dass ich mich grundsätzlich verändert habe. Ich bin noch immer der gleiche bodenständige Mensch wie davor. Der Olympiasieg hat mich da nicht großartig verändert. Aber natürlich wächst man an so einer Erfahrung. Man wird reifer, erwachsener. Es kommt plötzlich viel mehr auf einen zu: Aufmerksamkeit, neue Aufgaben, Verpflichtungen. Und auch wenn man das nicht geplant hat, lernt man, damit umzugehen. Ich würde sagen, ich bin als Mensch gewachsen. Aber definitiv in eine gute Richtung.

schauvorbei.at: Wo hängt denn eigentlich deine Goldmedaille?
Valentin Bontus:
Im Moment liegt sie ganz unspäktakulär im Safe. Ich musste sie in letzter Zeit oft zu Terminen mitnehmen, da war sie ständig unterwegs. Deswegen habe ich sie noch nicht richtig bei mir zu Hause in Garmisch-Partenkirchen „einziehen“ lassen. Aber ich hab schon ein ziemlich genaues Bild im Kopf, wie ich sie einmal aufhängen will: am liebsten in einer schönen Vitrine mit Sicherheitsglas, damit nichts drankommt. Ein Platz, der ihr gerecht wird.

schauvorbei.at: Formula Kite war bei den Olympischen Spielen 2024 zum ersten Mal eine olympische Disziplin. Und du hast gleich die erste Goldmedaille im Kitesurfen gewonnen. Liegt dadurch ein Druck auf dir?
Valentin Bontus: Natürlich, bei künftigen Wettkämpfen wird der Druck da sein, von außen und auch ein bisschen von mir selbst. Man will ja zeigen, dass es kein Zufall war. Aber was diesen historischen Moment betrifft, verspüre ich keinen Druck. Im Gegenteil. Es ist ein unglaubliches Gefühl, in der Sportart, die ich liebe, einen Fußabdruck zu hinterlassen. So viele Legenden haben diesen Sport geprägt, die ich als Kind bewundert habe, und jetzt darf ich ein Teil dieser Geschichte sein. Dass mein Name jetzt mit dem Kiten und dem ersten Olympia-Gold verbunden ist, fühlt sich einfach richtig an.

schauvorbei.at: Deine Familie hat ein Hotel in Paros (Griechenland), du bist im Yachtclub Podersdorf groß geworden und auch jetzt noch viel unterwegs. Gibt’s eigentlich so etwas wie deinen persönlichen Lieblings-Surf-Spot?
Valentin Bontus: Es gibt so viele besondere Orte. Der Neusiedler See hat eine unfassbare Kulisse, die Szenerie dort ist einfach magisch. Und in Griechenland, da ist im Sommer fast immer perfekter Wind. Da kann man ideal trainieren. Ich verbinde diesen Ort sehr mit Heimat, weil ich dort unglaublich viel Zeit verbracht habe. Und dann gibt es Plätze wie Marseille, wo die Olympischen Spiele stattfanden. Am Anfang hat mich der Spot fast wahnsinnig gemacht – schwierige Bedingungen, wenig Planbarkeit. Aber jetzt im Rückblick ist es einer der bedeutendsten Orte für mich überhaupt.

schauvorbei.at: Wie kommst du nach einer Wettkampf-Saison am besten zur Ruhe?
Valentin Bontus: Ich liebe es, in die Berge zu fahren. Abschalten, das Handy mal weglegen, rausgehen, wandern, den Kopf durchlüften. Ich bin generell extrem sportbegeistert, also auch in der Wettkampfpause brauche ich Bewegung, aber eben anders. Früher bin ich selbst in meinen Pausen wieder ans Wasser gefahren und habe weitertrainiert. Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass ich das Wasser kaum noch sehen kann, so skurril das auch klingt. Dann brauche ich einfach einen Tapetenwechsel und suche mir eine andere Sportart.

schauvorbei.at: Also auf der Couch zu liegen ist nichts für dich, oder?
Valentin Bontus: Oh doch, das geht schon auch mal. Ein, zwei Tage einfach nur liegen, nichts tun, ein bisschen Serien schauen – das gehört auch dazu. Aber dann muss wieder was passieren (lacht).

schauvorbei.at: Wie hast du die Stimmung bei den Olympischen Spielen erlebt? Gab es Teamspirit oder eher Anspannung? 
Valentin Bontus: Die Olympischen Spiele haben eine ganz eigene Energie. Nicht nur bei uns Athleten, auch bei den Funktionären, Physiotherapeuten und Coaches. Es ist einfach etwas ganz Besonderes, weil es nur alle vier Jahre passiert. Und genau das macht es für viele auch so schwierig. Viele denken: „Jetzt ist Olympia, jetzt muss ich etwas anders machen als sonst.“ Ich glaube, mein größter Vorteil war, dass ich genau das nicht gemacht habe.

© OeSV/Dominik Matesa

„Mir ist am Finaltag etwas passiert, das ich nur schwer beschreiben kann. Ich nenne es gerne meinen Flowstate. Es war, als würde ich aus der Vogelperspektive auf alles schauen. Ich war vollkommen bei mir, konnte alles wahrnehmen: die Bedingungen, die Gegner, meine eigenen Abläufe. Ich wusste genau, was ich zu tun habe, und gleichzeitig war ich völlig ruhig.“
Valentin Bontus, Kitesurf-Olympiasieger

schauvorbei.at: Was geht dir während eines Rennens durch den Kopf? Hast du da ein bestimmtes Mindset?
Valentin Bontus: Ich habe immer einen Song im Kopf. Keinen bestimmten, es ist jedes Mal ein anderer, und dieses Lied singe ich dann im Kopf vor mich hin. Das hilft mir, mich zu beruhigen. Und sobald ich auf dem Wasser bin, geht es in erster Linie ums Reagieren. Der Sport ist so dynamisch, so abhängig von Faktoren wie Wind, Wasser und Wellen, das heißt, du musst im Kopf extrem klar und flexibel bleiben. Ich versuche immer, mich auf die Dinge zu konzentrieren, die ich kontrollieren kann: keine Stürze, keine unnötigen Fehler. Denn wenn schon die Basics nicht stimmen, dann wird’s richtig schwierig, weil ohnehin ständig neue Variablen dazukommen, die man nicht beeinflussen kann. Und je ruhiger man innerlich bleibt, desto besser kann man auf plötzliche Veränderungen reagieren.

schauvorbei.at: Was fällt dir beim Kiten leicht, was anderen vielleicht eher schwerfällt?
Valentin Bontus: Ich glaube, meine größte Stärke ist meine Liebe zum Sport. Klar, alle, die das professionell machen, lieben Kiten irgendwie. Aber bei vielen kippt das irgendwann in Verbissenheit. Sie machen den Sport, um zu gewinnen. Und ja, auch ich will gewinnen, keine Frage. Aber das war nie der Grund, warum ich überhaupt angefangen habe. Ich hab mit dem Kiten angefangen, weil es mir Freude macht. Weil ich reisen, die Welt entdecken und dabei das tun wollte, was mich erfüllt. Und genau das hat mich, glaube ich, auch so schnell besser gemacht. Und was die reine Performance betrifft: Ich glaube, ich hab durch meinen Körperbau einen Vorteil, gerade bei der Geschwindigkeit. Man muss beim Kiten ein gewisses Gewicht mitbringen und ich kann das ziemlich gut halten.

schauvorbei.at: Du betreibst den Profisport erst seit 2020 richtig intensiv. Was würdest du heute deinem 16-jährigen Ich raten? Was sind die wichtigsten Eigenschaften, die man als erfolgreicher Sportler mitbringen muss?
Valentin Bontus: Ich glaube, einer der wichtigsten Punkte ist: Harte Arbeit ist mindestens genauso wichtig wie Talent, wenn nicht sogar wichtiger. Um ganz nach oben zu kommen, braucht man beides. Und meinem eigenen 16-jährigen Ich würde ich sagen: „Mach dir nicht so viele Sorgen. Vertrau darauf, dass alles einen Sinn hat.“ Ich lebe generell nach dem Motto: Alles passiert aus einem bestimmten Grund. Und dieser Gedanke nimmt mir oft den Druck, weil ich weiß: Wenn ich hart arbeite und mein Bestes gebe, wird sich der Weg zeigen.

schauvorbei.at: Im April hast du dir beim Skifahren das Kreuzband gerissen, ein ziemlicher Rückschlag für einen Leistungssportler. Wie schaffst du es, positiv zu bleiben? 
Valentin Bontus: Ehrlich gesagt, genau dieses Vertrauen, dass alles aus einem bestimmten Grund passiert, nimmt mir den größten Druck. Ich glaube fest daran, dass das hier für etwas gut ist. Vielleicht, weil ich dadurch wieder neue Perspektiven bekomme. Vielleicht, weil ich gezwungen werde, mich auf meinen Körper neu zu konzentrieren. Ich hab außerdem ein großartiges Umfeld: Meine Familie, meine Frau Martina und auch der Segelverband stehen alle hinter mir. Und das gibt mir Halt.

schauvorbei.at: Und wie sieht dein Alltag jetzt aus, wo du für die Olympischen Spiele in L.A. 2028 trainierst?
Valentin Bontus:
Natürlich ist Los Angeles 2028 ein großes Ziel. Aber es ist auch noch weit weg. Zum Glück ist die Verletzung jetzt passiert und nicht ein Jahr vor den Spielen. Das wäre schwieriger. Ich hatte übrigens auch 2020 einen Kreuzbandriss. Und rückblickend war genau das der Auslöser dafür, dass ich überhaupt aufs Racing umgestiegen bin. Hätte ich mich damals nicht verletzt, wäre vieles ganz anders gelaufen. Deshalb: Ich glaube wirklich, dass alles einen Sinn hat.

Was das derzeitige Training angeht, bin ich momentan viel im Fitnessstudio. Meine Frau ist auch gleichzeitig meine Physiotherapeutin und hilft mir, mein Knie zu stabilisieren und Muskulatur aufzubauen, damit ich gegen Ende des Jahres wieder voll ins Training einsteigen kann.

schauvorbei.at: Also momentan noch kein Kiteboard unter den Füßen?
Valentin Bontus: Noch nicht. Die Verletzung ist jetzt drei Monate her, und man sagt, sechs bis acht Monate dauert es, bis man wirklich wieder voll belastbar ist. Ich bin aber froh, dass ich wieder rausgehen, mich bewegen und Krafttraining machen kann. Gerade fokussiere ich mich komplett auf meinen Körper, das ist jetzt das Wichtigste.

schauvorbei.at: Vor Olympia hat dir deine Freundin einen Chrysokoll geschenkt, einen Edelstein, der dir Energie spenden soll. Kurz nach deinem Goldlauf ist er abgefallen. Inzwischen trägst du einen neuen. Welche Bedeutung haben diese Steine für dich und mit welcher Energie gehst du gerade in die Zukunft?
Valentin Bontus: Der Chrysokoll hat mich während der ganzen Vorbereitung auf Olympia begleitet. Danach habe ich mir selbst einen neuen Stein ausgesucht, der für innere Kraft und Akzeptanz steht. Gerade nach Olympia, mit all der Aufmerksamkeit und den neuen Situationen, hat mir das geholfen, ruhig zu bleiben und alles in mir aufzunehmen, statt mich davon überrollen zu lassen. Ich lege nicht mein ganzes Leben auf solche Dinge, aber ich glaube schon, dass da etwas dran ist. Auch an Horoskopen, denn meine Mutter hat damals ein Geburtshoroskop für mich machen lassen, und vieles davon passt tatsächlich erstaunlich gut.

Was mich jetzt antreibt? Ich nehme alles mit offenen Armen an. Gerade nach meiner Verletzung ist mir noch bewusster geworden, wie schnell alles vorbei sein kann. Deshalb will ich die Zeit bis Los Angeles 2028 so bewusst wie möglich leben. Ich will zurückblicken und sagen können: Ich hab das Bestmögliche rausgeholt.

schauvorbei.at: 2024 wurdest du als Österreichs Sportler des Jahres ausgezeichnet und 2025 zu Burgenlands Sportler des Jahres gekürt. Was bedeuten dir einerseits diese Auszeichnungen, aber auch das Burgenland und der Yachtclub Podersdorf?
Valentin Bontus: Sportler des Jahres in ganz Österreich zu werden, war fast surreal. In einem Land mit so vielen Ausnahmesportlern – gerade im Wintersport – als Kitesurfer mit dieser Trophäe dazustehen, ist alles andere als selbstverständlich und genau deshalb etwas ganz Besonderes für mich. Auch Burgenlands Sportler des Jahres zu sein, bedeutet mir unglaublich viel. Ich habe im Burgenland, vor allem in Podersdorf, unglaublich viel Zeit als Kind und Jugendlicher verbracht. Das waren viele Sommer und viele Stunden am Wasser. Es ist ein Ort, den ich durchaus ein wenig als Heimat empfinde und der mich geprägt hat.

schauvorbei.at: Zum Schluss eine Doppelfrage: Wo siehst du dich selbst in fünf Jahren und wie siehst du die Zukunft des Kitesurfens generell?
Valentin Bontus: In fünf Jahren? Hoffentlich als zweifacher Olympiasieger! (lacht) Aber ganz ehrlich: Ich sehe mich auf jeden Fall noch immer eng verbunden mit dem Sport. Ob aktiv oder in einer anderen Rolle, das wird sich zeigen. Was mir aber genauso wichtig ist: Ich hoffe, dass ich auch dann noch gesund bin, sportlich aktiv bleibe und mein Leben so gestalten kann, wie ich es liebe.

Für das Kitesurfen wünsche ich mir, dass es noch mehr Aufmerksamkeit bekommt. Die Entwicklung des Materials in den letzten Jahren war unglaublich und es ist viel zugänglicher geworden. Ich hoffe, dass dadurch mehr Menschen den Sport ausprobieren. Für mich ist dieses Gefühl, übers Wasser zu gleiten, eines der friedlichsten überhaupt. Es ist schwer zu beschreiben, aber wer es einmal gespürt hat, weiß, was ich meine. Ich kann nur jedem ans Herz legen, es auszuprobieren.

Vielen lieben Dank für das nette Gespräch, Valentin!

Wordrap

Meine Guilty Pleasure: Süßigkeiten.
Wenn ich nicht am Kite surfe, dann … betätige ich mich in anderen Sportarten.
Meine Lieblingstricks auf dem Kiteboard: Entweder ganz schnell fahren oder einen Kiteloop machen, wo das komplette Kite während eines Sprungs rotiert.
Meine Wettkampf-Hymne … ist tatsächlich immer unterschiedlich, aber momentan An Tagen wie diesen von den Toten Hosen.
Wenn ich ein Tier wäre, dann wäre ich … ein Panda

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