Overthinking im Job? Diese Tipps helfen gegen ständiges Grübeln
Gedanken, die nicht locker lassen, To-dos, die nachts wiederkommen – Overthinking ist für viele Teil des Berufsalltags. Besonders Frauen sind davon häufig betroffen. Doch was steckt wirklich hinter dem Grübeln? Und wie kann man es stoppen? Psychologin Linda Knauth erklärt, woran man Overthinking erkennt und was im Alltag konkret hilft, wieder mehr Ruhe im Kopf zu finden.
Warum habe ich das bloß gesagt? Werde ich gekündigt? Und was, wenn das Meeting ganz anders läuft als geplant? Das Gedankenkarussell dreht sich meist dann besonders schnell, wenn der Tag eigentlich schon vorbei ist. Situationen durchspielen, Entscheidungen anzweifeln, nichts vergessen wollen – Overthinking zeigt sich oft schleichend und ist trotzdem für viele sehr belastend.
Linda Knauth kennt diese Muster. Als Psychologin, Unternehmensberaterin und ehemalige Skirennläuferin hat sie selbst erlebt, was passiert, wenn mentale Daueranspannung zur Normalität wird. In ihren Coachings und ihrem neuen Buch „Über alle Berge“ spricht sie über mentale Stärke, emotionale Erschöpfung und darüber, wie es gelingen kann, wieder klarer zu denken. Im Gespräch mit schauvorbei.at teilt sie einige Einblicke.
schauvorbei.at: Frau Knauth, was genau versteht man unter Overthinking? Linda Knauth: Overthinking beschreibt das ständige Kreisen der Gedanken, meist um Themen, die uns verunsichern: mögliche Fehler, Erwartungen, die wir erfüllen wollen, oder Vergleiche mit anderen. Im Joballtag vermischen sich diese Dinge oft mit privaten Sorgen. Psychologisch gesehen passiert das Ganze im sogenannten Arbeitsgedächtnis, dort, wo wir aktiv mit Informationen umgehen. Der Haken: Wir haben nur eine begrenzte Anzahl an „Gedanken-Slots“, und wenn die voll sind, blockiert das System. Genau dann beginnt das eigentliche Overthinking: Wir denken zu viel, ohne weiterzukommen.
schauvorbei.at: Warum betrifft Overthinking gerade im Berufsleben so viele? Linda Knauth: Weil die Anforderungen in den letzten Jahren enorm gestiegen sind, sowohl bei Männern als auch bei Frauen! Es geht nicht nur um die schiere Menge an Aufgaben, sondern auch um die Vielzahl an Rollen, die gleichzeitig erfüllt werden sollen – im Job wie im Privatleben. Hinzu kommt, dass es unterschiedliche Arten von Overthinking gibt. Manche Menschen grübeln über Vergangenes (Ruminieren), über vermeintliche Fehler, alte Gespräche oder falsche Entscheidungen. Und dann gibt es die sorgengetriebenen Gedanken, die sich um eine ungewisse Zukunft drehen: finanzielle Sicherheit, Familie, Alter. Auch eine Mischung aus beidem ist möglich. Besonders Frauen zwischen 30 und 45 sind oft davon betroffen. Sie sollen Karriere machen, Kinder bekommen, Eltern unterstützen, emotional präsent sein und dabei auch noch im Job funktionieren.
Overthinking erkennt man oft daran, dass der Körper zuerst reagiert, bevor man es selbst richtig greifen kann. Viele Betroffene klagen über Schlafprobleme, innere Unruhe, Konzentrationsschwierigkeiten oder das Gefühl, ständig unter Strom zu stehen. Sie sind erschöpft, aber kommen trotzdem nicht zur Ruhe. Auch körperliche Symptome wie Nackenverspannungen oder Kopfschmerzen sind typisch. Linda Knauth, Psychologin und Beraterin
schauvorbei.at: Welche typischen Auslöser gibt es für Overthinking? Linda Knauth: Overthinking hat ganz unterschiedliche Auslöser, innere wie äußere. Meistens ist es eine Mischung. Innere Faktoren können zum Beispiel ein starkes Bedürfnis nach Kontrolle sein, Perfektionismus oder ein geringes Selbstwertgefühl. Viele Menschen stellen sich ständig infrage, wollen alles richtig machen, haben Angst, Fehler zu begehen. Das setzt enorm unter Druck. Auch ein übersteigertes Verantwortungsgefühl kann eine Rolle spielen: wenn man das Gefühl hat, für alles und jeden zuständig zu sein.
Gleichzeitig wirken äußere Einflüsse mit: unklare Erwartungen im Job, fehlendes Feedback, ständige Erreichbarkeit oder das permanente Vergleichen in den sozialen Medien. Und auch das Umfeld spielt eine große Rolle. In einem toxischen oder sehr negativen Umfeld fällt es viel schwerer, gedanklich zur Ruhe zu kommen. Ich erlebe das oft auf Reisen: In Asien oder Südeuropa begegnen dir die Menschen mit einem Lächeln, sie sind offen, herzlich – das macht etwas mit einem. Diese positiven Momente hinterlassen Spuren im Gehirn. Und deshalb ist es so wichtig zu schauen: Was lasse ich eigentlich täglich in meinen Kopf? Womit füttere ich meine Gedanken und womit vielleicht besser nicht?
schauvorbei.at: Gibt es Persönlichkeitsmerkmale oder Berufsgruppen, die besonders anfällig sind? Linda Knauth: Ja, es gibt durchaus Berufsgruppen, die besonders anfällig für Overthinking sind, zum Beispiel alle, die in helfenden oder beratenden Rollen arbeiten: Pflegekräfte, Lehrende, medizinisches Personal, Coaches. Aber auch in der Entwicklung, im Vertrieb oder bei Führungskräften sehe ich das oft. Das sind alles Rollen, in die wir erst reinwachsen müssen, und wenn hier die innere Sicherheit fehlt, übernimmt der Kopf.
Und das ist nicht nur eine Frage des Berufs, sondern oft auch der eigenen Prägung. Unsere Persönlichkeit entsteht ja nicht im luftleeren Raum. Sie wird durch Gene, Umfeld und unsere Erziehung geformt. Ich zum Beispiel bin in einem sehr leistungsorientierten Umfeld aufgewachsen. Dieser innere Antreiber, „Du musst noch mehr, noch besser sein“, begleitet mich bis heute. Und es braucht Zeit, solche Muster aufzulösen. Man sagt oft: So lange man in einem bestimmten Denkstil gelebt hat, so lange dauert es auch, ihn zu verändern. Ich hab also noch ein paar Jahre, aber ich bin dran (lacht).
schauvorbei.at: Welche konkreten Techniken helfen dabei, den Gedankenkreisel zu stoppen? Linda Knauth: Ein erster Schritt ist, die eigenen Gedanken laut auszusprechen. Denn zwischen dem, was wir denken, und dem, was wir laut sagen, liegt ein weiter Weg. Wenn wir Dinge aussprechen, müssen wir sie automatisch sortieren. Das bringt oft schon eine erste Klarheit. Begleitend dazu empfiehlt sich ein ganz praktisches Werkzeug, das ich gerne als mentalen Stopp-Knopf bezeichne. Dafür drückt man mit dem rechten Daumen in die linke Handinnenfläche auf einen Aktivierungspunkt, der direkt mit unserem Nervensystem verknüpft ist. Dieser hilft, negative Gedanken gezielt umzulenken: Was wäre jetzt ein besserer Gedanke? Statt „Das Gespräch mit dem Chef wird sowieso schiefgehen“ kann man sich fragen: „Wie könnte es im besten Fall laufen?“
Im zweiten Schritt kann es helfen, ein mentales Tagebuch zu führen. Dadurch entsteht Distanz. Gedanken, die eben noch riesengroß schienen, wirken auf dem Papier plötzlich viel kleiner. Und manchmal erkennt man auch: „Das ist eigentlich völliger Blödsinn, was ich da den ganzen Tag denke.“ Dann kann man den Zettel auch zerknüllen und wegwerfen. Oder, wenn der Moment gerade nicht passt, die Gedanken einfach parken. Aufschreiben, zur Seite legen und bewusst sagen: „Darüber denke ich später nach, jetzt konzentriere ich mich auf meine Arbeit.“
Ein weiterer Tipp ist die sogenannte 4-7-8-Atemtechnik. Diese hilft, das Nervensystem zu beruhigen. Man atmet vier Sekunden lang tief ein, hält den Atem für sieben Sekunden an und atmet dann acht Sekunden langsam aus. Das Ganze am besten fünf bis zehn Mal hintereinander. Diese Übung wirkt direkt auf unser vegetatives Nervensystem. Denn in dem Moment, wo wir bewusst länger den Atem anhalten, entsteht ein kleine Pause und der Körper merkt: Es ist gerade nichts zu tun und keine Gefahr in Sicht.
schauvorbei.at: Wie lässt sich Overthinking bei anderen erkennen? Kann man als Außenstehender etwas tun? Linda Knauth: Wenn man merkt, dass es jemandem im Arbeitsumfeld nicht gut geht, dann kann es schon helfen, die Person darauf hinzuweisen oder zu ermutigen, die eigenen Gedanken mal aufzuschreiben. Was ich aber nicht empfehle, ist gut gemeinte Laienpsychologie. Also Ratschläge wie: „Probier doch mal das, das hat mir auch geholfen.“ So etwas kann schnell überfordern, gerade, wenn jemand innerlich schon sehr erschöpft ist.
schauvorbei.at: Wie sehr tragen digitale Dauererreichbarkeit, Selbstoptimierungsdruck und Social Media zum Overthinking bei? Linda Knauth: All das verstärkt Overthinking massiv. Wir sind heute einer Reizflut ausgesetzt, die es in dieser Intensität früher einfach nicht gab. Früher kamen Informationen aus dem direkten Umfeld, aus der Familie, der Arbeit und dem Ort, an dem man lebte. Heute strömt alles gleichzeitig auf uns ein, aus der ganzen Welt. Unser Gehirn verarbeitet diese Eindrücke über die Sinnesorgane, und dann kommt unser sogenannter Wahrnehmungsfilter ins Spiel. Dieser entscheidet: Was ist wichtig? Was darf weiter ins Bewusstsein? Was ist irrelevant?
Problematisch wird es dann, wenn dieser Filter überlastet ist oder gar nicht mehr greift, weil wir alles ungefiltert in uns reinlassen. Wer wahllos durch Instagram scrollt, ständig erreichbar ist und jede Push-Nachricht liest, füllt den Kopf mit einem wild durchmischten Sammelsurium aus Eindrücken, Sorgen, Vergleichen und Reizen. Und das bleibt natürlich nicht ohne Wirkung. Ich sage immer: Was ich oben reinfüttere, das denke ich auch. Deshalb achte ich mittlerweile ganz bewusst darauf, womit ich mich gedanklich beschäftige. Das heißt nicht, dass ich weltfremd bin, aber ich dosiere. Wenn ich mich mit Nachrichten befasse, dann gezielt und zeitlich begrenzt.
schauvorbei.at: Haben Sie persönlich Phasen erlebt, in denen Sie zu viel nachgedacht haben, und was hat Ihnen geholfen? Linda Knauth: Ich komme aus dem Spitzensport, war später in leitenden Positionen tätig, habe Teams geführt, Projekte verantwortet und mich irgendwann selbst kaum noch gespürt. Durch intensives Coaching habe ich gelernt, wieder bei mir selbst anzukommen. Ich habe reflektiert, geübt, meine Denkweisen hinterfragt und angefangen, einen bewussten Lebensstil zu entwickeln. Heute sagen Menschen in meinem Umfeld manchmal: „Linda, du mit deinem ewigen Positivdenken gehst mir schon auf die Nerven!“ Und genau in solchen Momenten merke ich: Ich hab’s geschafft. Wichtig ist mir dabei aber: Das passiert nicht über Nacht. Unser Gehirn braucht Wiederholung. Man sagt, eine Technik muss 30 bis 60 Mal angewendet werden, bevor sie im Alltag wirklich greift. Aber: Es lohnt sich!
Vielen lieben Dank für die Einblicke, Frau Knauth!
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