Kurve um Kurve geht es bei der Anfahrt in die Tiroler Genussregion Wilder Kaiser nach oben. Flachländer wie ich sind das nicht gewohnt. Aber bereits als ich aus dem Auto aussteige, weiß ich, dass es sich gelohnt hat. Vor mir liegt der Wilde Kaiser in seiner ganzen Pracht, auf den Spitzen mit Schnee bedeckt. „Zumindest sind die Straßen ganzjährig geräumt“, meint meine Begleitung, die ähnlich wie ich keine Erfahrung mit Bergstraßen hat. Ich nicke zustimmend.
Im jezz Alm Resort Ellmau angekommen, begrüßt uns das Gründer-Duo, mit dem wir gleich per du sind: die gebürtige Oberbayerin Daniela Fröhlich und Tirols Lieblingspiefke Christian Blankenhorn aus Schwaben. „Mit diesem Hotel haben wir uns einen Traum erfüllt. ‚jezz‘ ist Mundart und bedeutet, im Moment anzukommen. Das leben wir mit unserem Team, das ganzjährig angestellt ist“, erklärt uns Daniela. „Mittlerweile eine Seltenheit in der Gastronomie“, bemerke ich, und schaue noch einmal in die freundlichen Gesichter der Kellner, die um uns herumwuseln.
Kurz darauf genieße ich auch schon einen prickelnden Sekt und werfe einen Blick von der Terrasse. Wow! Noch näher an der Skipiste geht nicht. Keine zehn Schritte von mir entfernt erstreckt sich der Traum aller Wintersportler.
Bevor wir zum nur wenige Minuten entfernten Astbergsee wandern, checke ich in mein Apartment im jezz ein. Es ist geräumig und versprüht Landhausflair. Der Blick vom Balkon verrät: Das muss das beste Zimmer sein. Der Ausblick auf das Naturschutzgebiet Wilder Kaiser ist unglaublich. Ich lasse alles auf mich wirken und atme die frische Bergluft ein.
Keine zehn Minuten später stehe ich vor einem der meistfotografierten Seen Österreichs. „Man kann auch darin schwimmen“, sagt Daniela, während sie uns den mitgebrachten Rosé-Frizzante ins Glas gießt. „Die Schilder haben sie nur aufgestellt, um sich abzusichern“, ergänzt ihr Partner Daniel. Ich speichere die Info für später ab. Hier möchte ich auf jeden Fall nochmal hin.
Zurück im Resort werfen wir einen Blick hinter die Kulissen. „Wir haben nichts zu verbergen“, meint Christian lachend und führt uns in die Gastro-Küche, wo bereits die Vorbereitungen für den Abend auf Hochtouren laufen. Auch wenn das Motto „Slow Kitchen“ lautet, gehen die Köche eifrig ihrer Leidenschaft nach.
„Arbeiten soll Spaß machen“, sagt Daniela, während wir über die Chefs und Souschefs beim Schnippeln in Warp-Geschwindigkeit staunen. Kein Wunder, dass sie so schnell sind: „Egal ob Vernissagen mit DJs, Lesungen, Produktpräsentationen, Podiumsdiskussionen, Kongresse, Hochzeiten, Firmenfeiern oder Private Dining: 350 Personen bekommen wir problemlos unter. Auch eine große Tanzfläche ist möglich“, erklärt Christian bei der Führung.
Wie dahoam
Das Panoramarestaurant im jezz setzt auf Fine Dining mit regionalen Produkten, die teilweise neu interpretiert werden. Die Gänge sind so angelegt, dass zwei bis drei von ihnen gut sättigen. „Wir sind kein Luxushaus, sondern ein Qualitätshaus“, betont Daniel. „Nichts an diesem Ort soll einen steifen Zug haben, stattdessen wünschen wir uns Wohnzimmercharakter.“
Das hat das Unternehmerpaar geschafft. Das Design in gedeckten Farben mit viel Holz und extravaganten Elementen wie einem Adler aus 1.980 Swarovski-Kristallen, der über der Bar thront, lädt zum Verweilen ein. Dazu kommt der 180-Grad-Blick durch die großzügigen Fensterfronten. Ich fühle mich wie eine moderne, englische Duchesse.
Place to be
Den Augenblick auszukosten, das wird im Resort gelebt. „Es kann schon mal zu einer spontanen Party kommen“, sagt der ehemalige Top-Manager. Die Klientel ist gehoben. Viele Gäste reisen aus Zürich an oder kommen aus München zum Mittagessen. Ganz klar: Ich bin hier im Vorort von Kitzbühel und auf keiner normalen Almhütte. Tiroler Spätzle und Spaghetti Bolognese sucht man hier vergebens.
Miniportionen? Ebenfalls Fehlanzeige. Stattdessen finden sich auf der Speisekarte außergewöhnliche Schmankerl wie Alpen Sushi, Signature Alpine Bowles und Tiroler Krapfen, die oben süß und unten salzig sind. Es wird deutlich, dass man auf Haubenniveau verköstigt wird. Oder, um es mit den Worten von Daniela zu sagen: „Es geht um die Liebe und Freude, die man schmeckt.“
Voller Gaumenvorfreuden setzen wir uns an den Tisch. Wie angekündigt sitzen wir – wie alle Gäste, selbst wenn sie zu zweit unterwegs sind – an einer langen Tafel. Und was soll ich sagen? Das Konzept geht auf. Schnell komme ich beim Essen ins Plaudern mit den anderen. „Was probierst du da?“ „Oh ja, das möchte ich auch noch versuchen!“ Wir fühlen uns alle pudelwohl, während die Sonne die Alpen in wunderschöne Farben taucht und hinter dem Berg versinkt.
Auch kulinarisch werden wir mehr als verwöhnt. Beim Gourmetdinner mit Weinbegleitung kommen alle Geschmacksnerven auf Touren. Serviert werden das traditionsreiche Tiroler Kartoffelgericht Armer Bauer mit Sauerrahm und Brunnenkresse, Wildkräutersuppe mit zartem Kwellsaiblingfilet aus der Region an fruchtigem Rote-Beete-Tartar, Spinatcannelloni mit kräftigem Sellerie-Madeira-Sud und Sommertrüffeln sowie deftiges Moosbeerrisotto mit zweierlei vom Hirsch, süß-saurem Marillenchutney und würzigem Wacholderschaum. Die veganen Alternativen sehen mindestens genauso köstlich aus.
Mein absoluter Favorit ist ein Gläschen Champagner von Pierre Gimonnet zur Zartbitterschokoladen-Tarte mit luftigem Baiser und Heidelbeerröster mit einer leicht säuerlichen Note. Die Portionen: nicht übermächtig, aber auch nicht so klein, als dass man nach ihnen auf dem Teller suchen müsste oder danach gefühlt nichts im Magen hat.
Der Start in den Tag – mit Schnecken
Den nächsten Morgen beginnen wir mit der wichtigsten Mahlzeit des Tages, einem überaus ausgewogenen Frühstück. Auf den Tisch kommen frische Beeren, Naturjoghurt, Käse- und Wurstplatten, selbst gemachte kreative Marmeladenvariationen wie dunkle Schokolade-Kirsch oder Orange-Kokos und frische Eierspeisen.
Gut gestärkt machen wir uns auf zum ersten großen Programmpunkt: Escargots. Die Schneckenkaiserin Simone Embacher höchstselbst führt uns durch Tirols erste und einzige Schneckenfarm. Klar, wer in diesem Gebiet wohnt, wird auch unter Weichtieren geadelt. „Auch wenn man bei Schnecken sofort an Frankreich denkt, so wurden im Mittelalter in Wien mehr Schnecken gegessen als bei den Franzosen“, erklärt sie. Die Farmerin ist nicht nur sympathisch, man merkt auch, dass ihre kleinen Kriechtiere das beste aller möglichen Leben haben. Danach folgt eine Verkostung der Proteinquelle.
Glücklicherweise sind die Bierbrauerei Rocky Rem’s und die Schnapsdestillerie ihres Bruders gleich um die Ecke. Als Beiwerk zu den kulinarischen Delikatessen passt das Hopfengetränk perfekt. Es schmeckt dezent süffig und lässt sich leicht trinken. Bei den Schnecken bin ich zunächst skeptisch. Die erste Kostprobe ist mit gebackenen Kaiserschnecken. Wüsste ich nicht, dass es Escargots sind, würde ich von der Konsistenz her auf Schwammerl tippen. Sie sind irgendwo zwischen Wild und Rind zu verorten. Erinnern Muscheln geschmacklich an Meer, ist es bei Schnecken der Wald. Das erste Zwischenfazit fällt positiv aus.
Bei der zweiten Runde geht’s ans Eingemachte. Unsere Gruppe verkostet in Bärlauch, Chili und Pesto kurz angebratene Schnecken. Das Fleisch ist fest und sagt mir vor allem mit der Wildkräutersauce zu.
Fisch und Fleisch
Ein kurzer Abstecher zum Haus des Bergdoktors, bevor wir zu unserer nächsten Station fahren, darf natürlich nicht fehlen. Weiter geht es an den Hintersteiner See. Selbst ohne meinen Faible für Gebirgsseen ist die Aussicht unbeschreiblich. Die glatte Wasseroberfläche, in der sich die Bergrücken spiegeln, ist in echt noch schöner als auf jedem Foto.
Nach einer kurzen Begrüßung zeigt uns Fischer und Bauer Mark Pinter seine Kwellsaiblinge. Er ist mit seiner direkten, unkomplizierten Art ein Fischer in dritter Generation, wie er im Buche steht. In drei großen Quellwasserbecken neben dem See wachsen seine Fische heran. „Drei Jahre dauert es, bis sie auf den Teller kommen“, erklärt er, während er seine Tiere im Netz zeigt. Maximal 500 Kilo produziert er im Jahr, denn es gilt: Qualität vor Quantität. Ein besonders spannender Einblick, denn am Vortag durften wir bereits von Mark Pinters Saiblingen im jezz kosten. Auf dem Weg zu seinem Haus kommen wir bei seinen Alpenschweinen und Zeburindern vorbei und machen Bekanntschaft mit Sau Goldie. Man sieht: Den Tieren geht es prächtig.
In Town Ellmau
Wir verabschieden uns von den Bergen und kommen ins Tal. Müsste ich die Stadt Ellmau mit einem Wort beschreiben, dann mit „schnuckelig“. Moderne Hochhäuser und Alltagsstress sind so weit entfernt, dass Entspannung die einzige Option ist.
Die Design-Vinothek Wohnraum passt perfekt hierher. Sie ist liebevoll eingerichtet und bietet allerlei nette Kleinigkeiten wie Tassen, Lesezeichen oder selbst gemachten Schmuck für ein paar schöne Erinnerungen zum Mitnehmen. Allerdings tummeln sich auch viele Einheimische im Café. Herz des Unternehmens ist aber eindeutig die charmant lächelnde Master-Sommelière Marie-Christine Chiodo, die uns in ein Universum an feinen Weinen und süßen Gaumenschmeichlern einführt.
Beim Wine-Tasting merkt man: Die gebürtige Wienerin versteht nicht nur ihr Handwerk, die Weinakademikerin lebt ihre Leidenschaft auch. Auch wenn ich bei der Blindverkostung den Champagner nicht erraten habe, so weiß ich doch, wo die Reise hingeht. Von internationalen bis nationalen Schätzen, von ungewöhnlichen Kombinationen bis hin zu außergewöhnlichen Rebsorten ist alles dabei.
Hidden Treasure
Wir kosten uns vom „Elefanten im Porzellanladen“ aus dem Mittelburgenland – ein kräftiger Rosé – über den roten „Purple Angel“ aus Chile mit Aromen von Sauerkirsche, Kaffee und Vanille bis zum fast schwarzen, karamell-süßen Don PX Gran Reserva aus Andalusien.
Der klare Sieger für mich: Hidden Treasures Balaton Nr. 3 aus Ungarn mit alten Rebsorten. Dabei handelt es sich um eine trockene weiße Cuvée aus Riesling und Furmint. Dazu knabbern wir Käsewürfel, Feigen, Prosciutto, Büffelmozarella, Oliven, Kapern und knuspriges Baguette auf üppigen Platten, alles in feinster Qualität. Auch für alkoholfreie Alternativen ist gesorgt.
Besitzer Gerhard Pohl, der sich mir sofort als Geri vorstellt, setzt sich zu mir ans Kopfende des Tisches und probiert mit. Ich lobe die Warmherzigkeit der Menschen und ihr einladendes Gemüt. Darauf erwidert der Gastgeber, der auch Geschäftsführer von P&G Immobilien ist: „In Kitzbühel sind die Leute, die ihr Geld raushängen lassen, nach Ellmau kommt man, wenn man Ruhe und Gelassenheit finden will.“

