Story

Im Talk mit NESS: „Früher hätte ich jemanden wie mich gebraucht!“

Gerade steht sie Abend für Abend auf den großen Bühnen in Deutschland, Österreich und der Schweiz – und kündigt im selben Atemzug ihre erste Akustik-Tour an: NESS, bürgerlich Vanessa Dulhofer, erzählt im Gespräch mit schauvorbei.at von ihrem momentanen Alltag, vom Mut, verletzlich zu bleiben, und darüber, warum sie heute für viele Menschen das Vorbild ist, das sie sich selbst früher so sehr gewünscht hätte.
© Jeanette Sophie

Singer-Songwriterin NESS ist aktuell auf Tour durch den gesamten deutschsprachigen Raum, ihre Songs erobern Social Media im Sturm und ihre Community wächst von Tag zu Tag. Die 20-jährige Traiskirchnerin, die 2020 bei Starmania erstmals österreichweit auf sich aufmerksam machte, erzählt im Interview, wie sie diese Entwicklung erlebt.

schauvorbei.at: NESS, du bist gerade mit deiner „Leben überleben“-Tour unterwegs. Wie geht es dir im Moment?
NESS: Die Stimmung ist wirklich sehr positiv, also wirklich schön. Ich habe während dieser Tour schon so viele Freudentränen vergossen und ich merke immer mehr: Ich will gar nicht, dass es endet.

schauvorbei.at: Kannst du uns ein wenig in deinen momentanen Alltag mitnehmen?
NESS: Er ist erstaunlich simpel und gleichzeitig total aufregend. Ich wache auf und dann geht’s erstmal in die Venue. Dort wird meistens bereits aufgebaut, wir essen gemeinsam und machen den Soundcheck. Ziemlich bald danach heißt es auch schon „Showtime“. Und nach dem Konzert bleibe ich fast immer noch draußen, weil ich liebend gerne Leute treffe, die da waren. Und abends im Bus schauen wir meistens noch einen Film. Ich hätte mir das alles irgendwie stressiger vorgestellt, aber es ist einfach nur schön.

schauvorbei.at: Wie kommst du nach einem Konzert zur Ruhe? Geht das überhaupt?
NESS: Dadurch, dass wir in einem Tourbus schlafen, fällt extrem viel Druck rundherum weg. Trotzdem ist das Runterkommen nach einem Konzert jedes Mal eine Challenge. Ich bin seit Tourbeginn, glaube ich, keinen einzigen Tag vor drei Uhr früh eingeschlafen (lacht). Es ist eine Mischung aus Adrenalin, Erschöpfung und Glück, die auf jeden Fall anstrengend, aber auch gleichzeitig erfüllend ist. Nach einem Konzert rauszugehen, Leute zu treffen und nette Worte auszutauschen, ich liebe das.

schauvorbei.at: Das heißt, du wirst nach der Tour etwas Zeit brauchen, um all das zu verarbeiten, oder?
NESS:
Auf jeden Fall. Es passiert so viel gleichzeitig, dass mein Kopf oft erst später versteht, was mein Körper schon erlebt hat. Manchmal habe ich auf der Bühne Momente, in denen ich plötzlich begreife, was gerade passiert, und dann muss ich wirklich aufpassen, nicht zu weinen (lacht). Es fühlt sich an wie ein Schlag ins Gesicht, aber im schönsten Sinn.

schauvorbei.at: Der deutsche Markt wird für dich immer wichtiger. Gleichzeitig kommst du aus Traiskirchen in Niederösterreich. Fühlst du dich deinem Zuhause noch genauso verbunden? Oder hat sich dein Begriff von „Zuhause“ verändert?
NESS:
Ich liebe Österreich. Dort bin ich aufgewachsen, und es gibt für mich nichts Schöneres, als nach einer intensiven Phase wieder heimzukommen. Aber gleichzeitig wird Deutschland für mich gerade zu einer zweiten Heimat. Es fühlt sich an, als würde mein Zuhause einfach größer werden. Am Anfang war das ganz anders, ich war 16 oder 17, als ich meine ersten Supports gespielt habe, und damals hat sich jede Reise nach Deutschland noch angefühlt wie ein Flug nach Amerika. Heute ist das anders. Ich fühle mich dort sehr wohl, aber die Verbindung zu meinem Zuhause bleibt stark.

schauvorbei.at: Deine neueste EP, „Leben überleben“, ist erst kürzlich erschienen. Kannst du uns etwas über den Entstehungsprozess erzählen?
NESS: Die EP ist in einer Zeit entstanden, in der es einer Person in meinem Umfeld wirklich schlecht gegangen ist. Ich hatte das Gefühl, ich erreiche sie nicht mehr, egal, wie sehr ich versucht habe, da zu sein. Und gleichzeitig wollte ich nicht zu sehr drängen, weil man niemanden in so einer Situation zusätzlich belasten möchte. Man kann sich nur anbieten und sagen: „Ich bin da, wenn du mich brauchst.“

Das hat mich letztlich dazu gebracht, den Song zu schreiben. Dieses Gefühl von: „Ich sehe dich und wir schaffen das. Wir stehen das gemeinsam durch.“ Für mich war dieser Song unglaublich wichtig und ich habe mir gedacht: Wenn er für mich so viel bedeutet, dann kann er vielleicht auch anderen helfen.

schauvorbei.at: Deine Songs haben generell eine melancholische, sehr emotionale Note. Passiert das beim Schreiben automatisch? Wie funktioniert dein kreativer Prozess?
NESS:
Bei mir entsteht alles aus dem Moment heraus. Ich schreibe immer das, was ich gerade fühle. Wenn ich glücklich bin, wird es ein fröhlicher Song. Wenn es mir nicht so gut geht, dann entsteht automatisch ein gefühlvollerer Song. Ich setze mich nie hin und sage: „Heute brauche ich noch einen traurigen Song für die Tracklist.“ Das funktioniert für mich nicht. Aber ich kann durchaus über etwas schreiben, das schon länger zurückliegt. Dann hole ich das Gefühl aus der Erinnerung zurück. Das Schreiben ist ein spontaner Prozess. Oft fange ich zu Hause an, schreibe eine Zeile, eine Strophe, eine Idee. Dann gehe ich ins Studio zu meinem Produzenten, mit dem ich am meisten arbeite. Dort führen wir das weiter. Und manchmal gibt es auch Sessions mit mehreren Songwritern.

schauvorbei.at: Gibt es einen Song, den du live am liebsten performst?
NESS:
Im Moment ist das ganz klar Mauern aus Granit. Der ist noch ganz neu und geht gerade auf Social Media viral. Das ist für mich völlig neu. Dass ein Solosong so schnell so groß wird, berührt mich wahnsinnig. Und auf dieser Tour ist er wirklich die Kirsche obendrauf.

schauvorbei.at: Wie stehst du zum Thema Social Media? Spielt das beim Schreiben oder bei deinen Videos eine Rolle?
NESS: Ich denke beim Schreiben nie darüber nach, ob ein Song später auf Social Media funktionieren könnte. Andere kalkulieren das ein – und es macht sogar Sinn –, aber für mich fühlt sich das unnatürlich an. Ich schreibe immer aus dem Moment heraus. Erst wenn ein Song fertig ist, überlegen wir, welche Stelle wir für Social Media verwenden.

Ich habe das Glück, dass mir Social Media Spaß macht. Für viele ist es mühsam, weil Musik heute fast nur noch dort vermarktet wird. Gleichzeitig ist es eine riesige Chance: Menschen ohne große Kontakte oder Budget können trotzdem gehört werden. Natürlich gibt es Schattenseiten wie Hass und schnelle Urteile, aber am Ende bin ich dankbar, dass meine Musik dadurch Menschen erreicht, die sie sonst nie entdeckt hätten.

schauvorbei.at: Wie gehst du mit Hass-Kommentaren auf Social Media um?
NESS: Mittlerweile bekomme ich tatsächlich relativ wenig davon. Es gab eine Phase, da war das anders. Damals hatte ich richtig Angst davor. Ich hatte das Gefühl, ich kann auf Social Media nicht völlig ich selbst sein. Heute ist das ganz anders. Ich poste, was sich für mich richtig anfühlt, und bin einfach ich selbst, und seitdem macht mir Social Media viel mehr Freude. Wenn mal ein bösartiger Kommentar kommt, kann ich darüber lachen. Es gibt natürlich Kommentare, die einen kurz treffen, das passiert. Aber wenn es reiner Unsinn ist, lösche ich es einfach und lasse es nicht weiter an mich heran.

schauvorbei.at: Mit welcher Musik und mit welchen Künstlern bist du aufgewachsen? Wer inspiriert deine Musik?
NESS: Der erste Song, den ich überhaupt auf meinem iPod hatte, war von Christina Stürmer. Sie war für mich als Kind total prägend. Dann kamen die Klassiker dazu: Sarah Connor, Tim Bendzko, Andreas Bourani. Gerade, was deutsche Musik betrifft, habe ich die rauf und runter gehört. Aber gleichzeitig habe ich auch viel Oldschool-Rock gehört. Ich war immer sehr offen, was Genres betrifft. Und später, als ich älter wurde, kam Billie Eilish und sie war für mich einfach alles. Wenn ich mein Leben lang nur eine einzige Künstlerin hören dürfte, dann wäre es Billie.

schauvorbei.at: Wäre es für dich irgendwann eine Option, selbst auf Englisch zu singen? Oder fühlst du dich im Deutschen am wohlsten?
NESS:
Ich finde, es kann musikalisch extrem viele Türen öffnen. Ich mache ja zwischendurch gerne Covers auf Englisch. Aber meine Hauptsprache wird immer Deutsch bleiben, das ist einfach mein Zuhause, auch musikalisch. Trotzdem hätte ich richtig Lust, mich auszuprobieren. Ein Feature mit einem englischsprachigen Artist wäre unfassbar cool. Und auch das Mischen der Sprachen reizt mich total. Da steckt noch viel Potenzial drin.

schauvorbei.at: Du hast schon einige Kollaborationen gemacht, unter anderem mit Unheilig und Kontra K. Was wäre denn dein ultimativer Traum-Artist für ein Feature?
NESS:
Im englischsprachigen Raum wäre es für mich ganz klar Billie Eilish, dafür würde ich wirklich sehr, sehr viel tun (lacht). Auch Sänger YUNGBLUD hat eine Energie, die unfassbar inspirierend für mich ist. Und im deutschsprachigen Raum wäre es Luna. Sie ist eine sehr gute Freundin von mir, und ich habe große Lust darauf, ein gemeinsames Projekt mit ihr zu starten.

schauvorbei.at: Wenn man die Kommentarspalten unter deinen Social-Media-Beiträgen durchliest, merkt man schnell, wie viele Menschen dich als Vorbild wahrnehmen, und das in so jungen Jahren. Wie gehst du damit um, so früh eine Identifikationsfigur zu sein?
NESS: Einerseits fühle ich mich extrem geehrt. Gleichzeitig habe ich mich damit noch nicht so intensiv auseinandergesetzt.

© Fabian Karner

Es ist ein großes Kompliment, ein Vorbild zu sein. Vor allem, wenn es darum geht, dass Menschen sich in meinen Texten wiederfinden oder durch meine Musik ein bisschen Halt bekommen. Dann bin ich das unglaublich gerne.

Ich hätte mir früher selbst so eine Figur gewünscht, gerade in Bezug auf Queerness, auf Style, auf dieses „Ich darf sein, wer ich bin“. Ich bin mir aber natürlich bewusst, dass da eine gewisse Verantwortung mitschwingt.

Singer-Songwriterin NESS

Nach deinem letzten Tourstopp wird es bei dir wahrscheinlich auch etwas besinnlicher. Weihnachten steht vor der Tür, wie wirst du heuer feiern? Und was wünschst du dir für die Feiertage?
NESS:
Ich werde Weihnachten bei meiner Familie verbringen, das wird sicher wunderschön. Und mein größter Wunsch ist, dass alle gesund bleiben und es allen gut geht. Mehr brauche ich gar nicht. Ich wünsche mir einfach, dass die Menschen ein schönes Weihnachtsfest haben.

schauvorbei.at: Auf welche Highlights freust du dich im neuen Jahr?
NESS: Jetzt darf ich es endlich verraten: Nächstes Jahr gehe ich auf Akustik-Tour! Es wird eine kleinere, sehr intime Tour in kleineren Hallen, größtenteils mit Sitzplätzen. Und es wird Streicher geben, die eine ganz neue Atmosphäre schaffen werden – viel persönlicher, viel näher. Das ist auf jeden Fall mein größtes Highlight im nächsten Jahr.

Vielen lieben Dank für das Gespräch, NESS!

Wordrap

Wenn ich mich selbst in einer Farbe beschreiben müsste, wäre es:
Grün-Blau

Songs schreibe ich am liebsten:
Im Studio

Dieses Lied hätte ich gerne selbst geschrieben:
everything i wanted von Billie Eilish

Diesen Gegenstand brauche ich unbedingt backstage:
Eine ungekühlte, nicht sprudelnde Wasserflasche

Mein größtes Vorbild ist:
Billie Eilish

 

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