schau: Herr Krystof, Herr Schretter, wie beurteilen Sie die aktuelle Lage am österreichischen Immobilienmarkt?

Kurt Krystof: Wir haben starke Jahre hinter uns – 2021 und 2022 waren außergewöhnlich. Dann kam die Zinswende. Nach einer Dekade historisch niedriger oder sogar negativer Zinsen hat sich die Situation grundlegend geändert. Der Krieg in der Ukraine hat zusätzlich dafür gesorgt, dass die Rohstoffpreise explodieren. Diese Kombination hat den Markt verunsichert. Aber: Das Bedürfnis nach Wohnen ist ungebrochen. Seit dem zweiten Halbjahr 2024 spüren wir eine Rückkehr der Nachfrage.

Jörg Schretter: Die Verunsicherung betraf sowohl Bau- als auch Finanzierungskosten. Heute sind die Preise zwar höher, aber endlich wieder kalkulierbar. Dass die langfristigen Zinsen gesunken sind, verbessert die Leistbarkeit deutlich. Auch die Einkommen haben inflationsbedingt zugelegt – das erleichtert die Finanzierung, auch wenn es nicht mehr so günstig ist wie vor fünf Jahren.
Was verstehen Sie unter Planungssicherheit bei Immobilien?
Kurt Krystof: Während der Pandemie fehlten auf Baustellen oft Materialien, was Verzögerungen und Doppelbelastungen für Eigentümer brachte. Heute ist die Versorgung stabil. Damit können Kunden und Bauträger besser kalkulieren.
Jörg Schretter: Besonders wichtig ist: Bauherren und Banken können wieder mit Fixpreisen arbeiten. Langfristige Zinsen sind auf moderatem Niveau. Alles in allem: Wer heute baut oder kauft, kann wieder solide vorausplanen.
Immer wieder wird von „nicht mehr leistbarem Wohnen“ gesprochen. Wie schätzen Sie diese öffentliche Debatte ein?
Jörg Schretter: Leider wird oft zu negativ berichtet. Natürlich ist Eigentum kein Selbstläufer mehr. Aber es ist immer noch möglich! Wenn wir jungen Menschen ständig sagen, sie könnten sich kein Wohneigentum leisten, schrecken wir viele ab, die es sich durchaus leisten könnten. Stattdessen sollten wir über Wege sprechen, wie Eigentum erreichbar bleibt – auch wenn es länger dauert und sorgfältige Planung erfordert.
Kurt Krystof: Früher war es selbstverständlich, dass Eltern und Großeltern beim Immobilienkauf geholfen haben. Heute wird oft vergessen, dass eine kleine Unterstützung – etwa 10.000 oder 15.000 Euro – den entscheidenden Unterschied machen kann. Zudem sollten Ansprüche an Wohnfläche und Ausstattung realistischer werden. Müssen es wirklich gleich der Pool und das Smart Home sein? Gerade in der Anfangsphase ist es wichtig, einen klaren Überblick zu haben. Der von uns entwickelte Wohnratgeber hilft beispielsweise dabei, Schritt für Schritt zu verstehen, worauf es bei der Finanzierung ankommt – von Förderungen bis zur realistischen Budgetplanung.
Welche Rolle spielen Eigenleistungen bei Immobilienprojekten?
Jörg Schretter: Eine große! Wer selbst Böden verlegt oder ausmalt, spart bares Geld – Eigenleistungen zählen quasi als Eigenkapital. Natürlich ersetzt das nicht alles, aber es kann einen entscheidenden Beitrag leisten.
Kurt Krystof: Wichtig ist, seine Grenzen zu kennen. Handwerksarbeiten wie Ausmalen oder Bodenlegen sind machbar, aber komplexe Installationen sollten Profis überlassen werden. Wer clever plant, kann auch spätere Upgrades wie Smart-Home-Technik vorbereiten, ohne sofort alles verbauen zu müssen.
Neubau oder Bestandssanierung – wohin geht der Trend?
Jörg Schretter: Der klassische Neubau hat sich in den letzten Jahren deutlich verteuert – und wird voraussichtlich nicht günstiger. Dennoch bleibt der Neubau für viele attraktiv – gerade weil man hier individuell planen und energieeffizient bauen kann. Wer heute neu bauen will, muss sich bewusst sein, dass das nur mit entsprechendem Eigenkapital oder familiärer Unterstützung möglich ist. Gleichzeitig liegt im Bestand viel ungenutztes Potenzial. Gerade am Land stehen viele Häuser leer – oft scheitert eine Weitergabe aber an traditionellen Denkmustern: „In mein Haus kommt kein Fremder!“ hört man nach wie vor häufig.
Kurt Krystof: Auch aus energetischer Sicht ist die Sanierung oft die bessere Wahl: Häuser mit guter Lage, aber sanierungsbedürftiger Substanz, können durch kluge Planung und Nutzung von Förderungen zu zeitgemäßen, leistbaren Eigenheimen werden. Wichtig ist dabei, nicht alles auf einmal zu machen – etwa erst neu zu dämmen und später Fenster und Heizung nachzuziehen.
Die KIM-Verordnung legt fest, wie viel Eigenkapital Kreditnehmer beim Immobilienkauf einbringen müssen und wie hoch die monatliche Rückzahlungsrate im Verhältnis zum Einkommen sein darf. Diese soll im Juni 2025 auslaufen. Wird es durch das Ende der KIM-Verordnung einen „Run“ auf Finanzierungen geben?
Jörg Schretter: Viele warten tatsächlich darauf. Aber: Auch wenn die Verordnung ausläuft, wird eine Nachfolgeregelung kommen – eine Empfehlung, die inhaltlich fast identisch sein wird. Banken werden weiterhin sehr sorgfältig prüfen. Es wird also keinen plötzlichen Freeflow geben.
Kurt Krystof: Wir bei der Erste haben die Ausnahmeregelungen immer intensiv genutzt, um Projekte zu ermöglichen – allerdings im Rahmen der Vorgaben. Andere Institute waren da restriktiver. Das Ende der Verordnung ändert daran wenig: Seriosität und langfristige Leistbarkeit bleiben das oberste Ziel.
Waren Banken durch die KIM-Verordnung gegenüber Nachbarländern wie Deutschland benachteiligt?
Jörg Schretter: In Deutschland gibt es ähnliche Vorgaben, nur etwas breiter aufgestellt. Grenzüberschreitende Kreditvergaben bleiben schwierig, etwa wegen der Unterschiede im Grundbuchsystem. Und trotz aller Kritik: Die österreichische Bankenlandschaft ist stabil, regional verankert – und genießt großes Vertrauen.
Kurt Krystof: Unser Ziel ist nicht, Kredite um jeden Preis zu vergeben, sondern Kunden dabei zu unterstützen, finanzierbare und tragfähige Entscheidungen zu treffen. Das unterscheidet uns von Modellen, die zu Blasen geführt haben.
Wie stark beeinflusst das Thema Generationenwechsel die Nachfrage?
Jörg Schretter: Junge Menschen müssen heute bewusster planen: Eigenheim und Work-Life-Balance mit 20 Stunden Arbeit pro Woche sind schwer vereinbar. Aber wer bereit ist, sich einzubringen, wer auf Unterstützung aus der Familie setzen kann, für den bleibt Eigentum erreichbar.
Kurt Krystof: Wichtig ist die Frage: Will ich flexibel bleiben oder will ich Wurzeln schlagen? Wer sich auf Eigentum einlässt, entscheidet sich bewusst für eine langfristige Lebensplanung.
Wie sehen Sie die weitere Entwicklung der Finanzierungskosten?
Kurt Krystof: Die klassischen Nebenkosten beim Immobilienkauf – Grunderwerbsteuer, Vertragserrichtung, Maklerprovision – bleiben bestehen. Durch aktuelle Gebührenbefreiungen gibt es Erleichterungen bei der Eintragung ins Grundbuch, aber grundsätzlich muss man rund zehn Prozent Nebenkosten einplanen.
Jörg Schretter: Bei den Krediten selbst entwickelt sich die klassische Zinskurve langsam wieder: Kurzfristige Zinsen sind günstiger als langfristige. Trotzdem empfehlen wir meist Fixzinsmodelle – sie bieten langfristige Planungssicherheit und schützen vor künftigen Zinsschwankungen. Für alle, die sich fragen, was sie sich aktuell leisten können, sind unsere Finanzierungsrechner ein gutes Werkzeug. Damit lassen sich verschiedene Finanzierungsszenarien schnell durchspielen.
Wie gehen Sie mit dem Thema Bearbeitungsgebühren und den aktuellen EuGH-Urteilen um, die die Zulässigkeit solcher Gebühren bei Konsum- und Immobilienkrediten infrage stellen?
Kurt Krystof: Wir haben unsere Verträge schon früh angepasst. Bearbeitungsgebühren sind grundsätzlich zulässig, das hat auch der EuGH bestätigt. Entscheidend ist, dass sie transparent und sachgerecht sind.
Jörg Schretter: Wichtig ist, dass wir individuelle Beratung bieten. Kunden müssen wissen, welche Leistungen sie erhalten und welche Kosten entstehen. Auch wenn einzelne Prozessfinanzierer jetzt Kunden mobilisieren: Unser Modell war und ist fair und nachvollziehbar.
Ihr abschließendes Fazit: Eigentum – ja oder nein?
Jörg Schretter: Wer sich für Eigentum entscheidet, sollte nicht zögern. Warten kostet Geld – durch Inflation und durch fortlaufende Mietzahlungen. Der beste Zeitpunkt ist immer jetzt.
Kurt Krystof: Eigentum ist eine Lebensentscheidung – und die lohnt sich. Mit guter Planung, realistischen Erwartungen und dem richtigen Partner an der Seite bleibt der Traum vom Eigenheim erreichbar.
Vielen Dank für das Gespräch!