Lässig seinen Standpunkt darlegen und entspannt aus einer inneren Ruhe heraus präsentieren: So würde man sich das wünschen. Wäre da nicht das kleine Biest Lampenfieber, das sich in den Kopf und das ganze Nervensystem schleicht. Studien wie die von Musikmedizinerin Claudia Spahn am Freiburger Institut haben bereits ergeben, dass sich viele Symptome nur im Kopf abspielen. Dennoch fühlt es sich sehr real an, wenn einem die Schweißperlen auf der Stirn stehen und die Lunge sich anfühlt, als wäre sie in einen Schraubstock gepresst. Margit Susan Lieverz, Moderatorin, Coach und Autorin des Buches „Reden ist Silber, Freireden ist Gold“ kennt dieses Phänomen zu genüge. Allerdings hat die Expertin gelernt, es als gutes Gefühl anzunehmen. Wie das klappen soll, verrät sie im Interview.
schauvorbei.at: Warum hat man eigentlich Lampenfieber?
Margit Susan Lieverz: Lampenfieber ist die natürliche Reaktion des Körpers auf eine mögliche bevorstehende Bedrohung. Er stellt sich auf eine mögliche Flucht oder einen Angriff ein. Daher steigt der Puls und man fängt an zu schwitzen, die Kehle wird trocken und wir bekommen einen sogenannten „Tunnelblick“. Jetzt fragen Sie sich vielleicht, wieso ein Auftritt eine mögliche Bedrohung darstellen könnte. Prinzipiell besteht dabei immer die Möglichkeit des Scheiterns. Vielleicht kommt der Vortrag oder die Präsentation nicht so gut an wie geplant? Der Chef könnte unzufrieden werden, möglicherweise blamiert man sich vor den Kollegen. Es besteht auch die Chance eines Blackouts und damit verbunden könnten ein Gesichtsverlust oder berufliche Konsequenzen sein.
„Ich habe Lampenfieber immer als besondere Art der Lebendigkeit empfunden und dankend angenommen.“
Margit Susan Lieverz
schauvorbei.at: Was kann man gegen die Nervosität tun, wenn man vor einer Gruppe Menschen sprechen soll?
Margit Susan Lieverz: Zunächst einmal ist wichtig, dass Nervosität auch positiv gesehen werden kann. Wir sind nervös, weil uns der Auftritt und die eigene Wirkung auf andere wichtig ist. Wir wollen kompetent rüberkommen. Wenn wir uns nun bewusst machen, dass das Worst-Case-Szenario bei guter Vorbereitung nicht eintreten muss, dann ist das bereits der erste Schritt.
Zur Vorbereitung gehört meiner Meinung nach außerdem, die Präsentation mindestens ein Mal laut durchzusprechen und idealerweise auf dem Handy als Tonspur oder als Video aufzunehmen. Wenn man sich dann die Aufnahme anhört oder ansieht, wird man feststellen, was gut funktioniert hat und woran man noch arbeiten kann. Zudem hat man so eine bessere Vorstellung davon, wie viel Zeit man für die Präsentation wirklich benötigt, wenn man sie hält. Zu den Fragen, die man sich vorher immer stellen sollte, gehören: Was ist mein Ziel und was will ich mit meiner Präsentation erreichen? Wie möchte ich wirken? Souverän, kompetent, authentisch oder sympathisch? Last, but not least: Was möchte ich bewirken?
schauvorbei.at: Kann man sich Lampenfieber „abtrainieren“?
Margit Susan Lieverz: Lampenfieber abtrainieren? Bitte nicht. Denn ein gewisses Maß an Lampenfieber führt dazu, dass man konzentriert, fokussiert und mit einer gewissen Spannung in die Präsentation geht. Ich habe Lampenfieber immer als besondere Art der Lebendigkeit empfunden und dankend angenommen. Wenn das Lampenfieber aber so stark ist, dass man Fluchtgedanken hat, oder es tatsächlich körperliche Probleme bereitet, dann kann und sollte man daran arbeiten. Übrigens wird Lampenfieber weniger, je mehr Erfahrung und Routine wir im Laufe der Zeit in Sachen Präsentationen entwickeln konnten.
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„Wenn wir positiv, optimistisch und kraftvoll denken, dann wird sich das sichtbar, spürbar und hörbar im Auftreten zeigen.“
Margit Susan Lieverz
schauvorbei.at: Wie kann man das Selbstvertrauen in solchen Situationen stärken?
Margit Susan Lieverz: Meine Erfahrung ist, dass wir mit einer gut begleiteten Video-Analyse auf jeden Fall ein besseres Gefühl dafür bekommen, wie wir auf das außen wirken. Daraus lässt sich dann ableiten, was wir noch tun können, um noch mehr so wahrgenommen zu werden, wie wir tatsächlich wirken wollen. Außerdem kann man auch mal einen Blick zurückwerfen und sehen, was man in der Vergangenheit bereits an Herausforderungen gemeistert hat. Daraus kann man Selbstvertrauen für zukünftige Aufgaben schöpfen.
schauvorbei.at: Wie kann man selbstbewusster auftreten?
Margit Susan Lieverz: In dem Wort steckt „sich seiner selbst bewusst sein“. Das bedeutet, erstmal muss man verstehen, dass die innere Haltung auf die äußere wirkt. Wenn wir positiv, optimistisch und kraftvoll denken, dann wird sich das sichtbar, spürbar und hörbar im Auftreten zeigen. Umgekehrt funktioniert es übrigens auch. Wir können durch sogenannte „Power Posen“ dafür sorgen, dass wir uns selbstbewusster fühlen. Dass kann beispielsweise die „Superman-Pose“ sein. Oder auch die Siegerpose: Dafür die Arme nach oben strecken, Fäuste ballen und nach oben sehen. Stellen Sie sich vor, wie Sie sich über einen Erfolg freuen und klopfen Sie sich gedanklich selbst auf die Schulter für diese großartige Leistung. Lächeln hilft ebenfalls. Denn es ermöglicht sofort eine positive Energie und Ausstrahlung.
„Inzwischen ist erwiesen, dass wir Menschen uns Emotionen und Bilder oft besser merken können als reine Zahlen, Daten und Fakten.“
Margit Susan Lieverz
schauvorbei.at: Was vermittelt dem Publikum souveränes Auftreten?
Margit Susan Lieverz: Eine aufrechte Haltung, ein selbstbewusster Gang, eine starke Stimme, ein freundlicher Gesichtsausdruck und gezielte Gestik.
schauvorbei.at: Sach-, Beziehungs-, Appellebene oder Selbstkundgabe: Welche Ebene der Kommunikation ist am wichtigsten bei Vorträgen?
Margit Susan Lieverz: Viele sagen, dass die Sachebene die wichtigste bei Vorträgen ist, da sie die inhaltliche Grundlage bildet. Doch ohne eine gute Selbstkundgabe – diese strahlt Authentizität aus –, eine starke Beziehung zum Publikum und klare Handlungsimpulse – das wäre die Appellebene – wird die Präsentation nicht effektiv sein. Die besten Vorträge kombinieren alle vier Ebenen geschickt. Inzwischen ist erwiesen, dass wir Menschen uns Emotionen und Bilder oft besser merken können als reine Zahlen, Daten und Fakten. Daher ist meiner Meinung nach die Beziehungsebene ebenfalls von großem Belang. Das kann man bereits über den Einstieg in die Präsentation erreichen.
Themen, die im Zuge dessen auftreten, geben Antworten auf „Wie starte ich in meine Präsentation?“ und „Nehme ich das Publikum von Anfang an mit?“. Man kann zum Beispiel mit einer Frage beginnen, die aktivierend wirkt. Weitere Möglichkeiten sind eine Geschichte zu erzählen, ein wirkungsvolles Zitat einzubauen oder aber ein Bild, ein Produkt oder einen Gegenstand zu zeigen. Manche beginnen auch mit einem Video als Einstieg.
„Die beste Wirkung wird erzielt, wenn man authentisch bleibt, aber gleichzeitig professionell auftritt.“
Margit Susan Lieverz
schauvorbei.at: Authentizität oder professionell in der Rolle bleiben – was ist wichtiger?
Margit Susan Lieverz: Ob Authentizität oder das professionelle Bleiben in der Rolle wichtiger ist, hängt stark vom Kontext des Vortrags ab. Idealerweise sollten beide Aspekte kombiniert werden, doch ihre Gewichtung kann variieren.
Wann ist Authentizität wichtiger? Immer dann, wenn das Publikum eine persönliche Verbindung zum Redner aufbauen soll. Beispielsweise bei Motivationsreden, TED-Talks oder Keynotes. Vor allem dann, wenn Glaubwürdigkeit durch Natürlichkeit und emotionale Ansprache entsteht. Das wäre der Fall, wenn der Vortragende durch seine eigene Geschichte oder Erfahrung überzeugt, oder aber in lockeren, informellen Settings, in denen Offenheit und Nahbarkeit gefragt sind.
Professionelles Verhalten steht in formellen oder wissenschaftlichen Vorträgen, bei denen Fachkompetenz und Seriosität wichtig sind, im Vordergrund. Dazu gehören stark strukturierte Präsentationen, wie zum Beispiel in geschäftlichen, akademischen oder politischen Kontexten. Dann ist eine emotionale Distanz notwendig, um neutral und sachlich zu wirken. Das ist in der Regel auch zweckmäßig, wenn der Redner in einer Repräsentationsrolle spricht, beispielsweise als Unternehmenssprecher oder Politiker.
„Authentizität ist die Basis, um Vertrauen und Verbindung zum Publikum aufzubauen.“
Margit Susan Lieverz
Die beste Wirkung wird erzielt, wenn man authentisch bleibt, aber gleichzeitig professionell auftritt. Eine gute Mischung aus beidem sorgt dafür, dass der Vortrag sowohl glaubwürdig als auch kompetent wirkt.
Prinzipiell kann man daher sagen: Authentizität ist die Basis, um Vertrauen und die Verbindung zum Publikum aufzubauen. Eine professionelle Haltung, um Kompetenz und Glaubwürdigkeit zu unterstreichen, ist sozusagen der Überbau. Darüber steht Anpassung an den Kontext, um die richtige Balance zu finden. Kurz gesagt: „Sei echt, aber verliere nie die Professionalität aus den Augen!“
schauvorbei.at: Danke für das Gespräch!
Fünf Notfall-Tipps von der Expertin
- Entspannte Atmung zur Beruhigung: Tief einatmen (vier Sekunden), Atemzug halten (zwei Sekunden) und langsam ausatmen (sechs Sekunden). Zwei bis drei Wiederholungen beruhigen die Nerven und stabilisieren die Stimme.
- Den Anfang im Kopf durchgehen: Die ersten zwei bis drei Sätze sollten sitzen. Sie geben einen sicheren Start und verhindern Blackouts. Starten Sie bewusst und selbstbewusst!
- Haltung annehmen („Power Posing“): Schultern zurück, Brust leicht raus, stabiler Stand. Eine selbstbewusste Körperhaltung signalisiert dem Gehirn: „Ich habe das im Griff.“
- Augenkontakt und „Cheese“: Blick ins Publikum, tief durchatmen und kurz lächeln. Das sorgt für eine gute Atmosphäre – bei einem selbst und dem Publikum.
- Positive Vibes: Vorher Musik hören, die in Hochstimmung versetzt und Energie gibt. Das hilft immer. Außerdem kann man sich selbst motivieren: „Du kannst das, bist gut vorbereitet und rockst das jetzt!“