Story

Die Macher von „Der fliegende Holländer“ im Talk

In die Wanten, Matrosen! Denn ein Schiff steuert direkt auf die Oper im Steinbruch in St. Margarethen zu: Dabei handelt es sich um kein geringeres als das des sagenumwobenen Geisterschiffs von Kapitän Bernard Fokke – auch bekannt als der „Der fliegende Holländer“. Intendant Daniel Serafin und Regisseur Philipp M. Krenn geben im Interview mit schauvorbei.at bereits vor der Premiere erste Einblicke. 
Plakat mit Schauspielern von Der fliegende Holländer
Die Inszenierung von „Der fliegende Holländer“ im Steinbruch in St. Margarethen verspricht Großartiges. © Oper im Steinbruch

Rum, Holzbeine und schwarze Flaggen: Daran denkt man, wenn es um Seemannsgarn geht. Zu Richard Wagners Erfolgsgeschichte des Stücks „Der fliegende Holländer“ gehört aber viel mehr – Leidenschaft, Dramatik und eine kleine Prise Wirrungen. Bei der Inszenierung in der Oper im Steinbruch finden sich alle Elemente vereinigt vor einem spektakulären Bühnenbild: einer Meeresküste inmitten des Burgenlands. Intendant Daniel Serafin und Regisseur Philipp M. Krenn sprachen über die Unterhaltung der Extraklasse mit Highlights en masse und den Zauber, der dem Steinbruch in St. Margarethen innewohnt.

schauvorbei.at: Wieso haben Sie sich für das Stück „Der fliegende Holländer“ entschieden?
Daniel Serafin:
Wir planen immer um die zweieinhalb Jahre voraus. Denn man braucht nicht nur ein Stück, sondern auch ein tolles Team, um den Stoff zum Leben zu erwecken. Dazu gehören Sänger, die richtigen gescheiten Köpfe und das Ensemble. Es wurde im Vorstand beschlossen, dass wir erstmals Wagner im Steinbruch spielen – und zwar „Der fliegende Holländer“.

Dann standen ein paar wenige Namen auf der Liste, die wir uns hätten vorstellen können. Philipp stand auch darauf und er hat sehr gut mit uns zusammengearbeitet, und das bereits vor meiner Zeit 2016 bei „Tosca“. Wir haben ein tolles Regie-Team zusammengestellt. Ich denke, es war eine sehr gute Wahl.

Philipp M. Krenn: Als Daniel zu mir kam und die Worte fielen „Der fliegende Holländer“ und „Steinbruch“, sagte ich sofort Ja. Es ist eine Tausend-Gulden-Idee. Ich freue mich, dass ich dabei sein darf, frage mich aber auch: „Warum wurde das noch nicht früher gemacht?“ Es stimmt einfach alles zusammen, der tolle Natur-Ort ist bereits das Konzept.

© Anderas J. Hirsch

„Wir werden das Stück als Blockbuster mit Schiff und Wellen auf die Bühne bringen.“
Philipp M. Krenn

 

 

 

 

 

schauvorbei.at: Was macht diese Inszenierung so besonders?
Philipp M. Krenn: Nun, als ich das erste Mal in den leeren Steinbruch kam – etwas, das man nicht so oft bestaunen kann –, war mir sofort klar, wie es aussehen soll. Wir wollen den Steinbruch zur norwegischen Küste machen. Da der zweite Akt sehr intim wird und fast ein Kammerspiel ist, war uns auch klar, dass wir in die Tiefe gehen werden, um weiter hineinzuzoomen und in die Tiefen der Charaktere einzutauchen.

Elisabeth Teige spielte bereits elf Produktionen von „Der fliegende Holländer“.

Daniel Serafin: Wenn ich hier kurz einhaken darf: Elisabeth Teige und Johanni van Oostrum sind die beiden führenden Wagner-Interpretinnen und -Sängerinnen unserer Zeit. Sie treten in den größten Opernhäusern der Welt von London bis Wien auf.

Philipp M. Krenn: Genau! So oft die Rolle der Senta verkörpern zu dürfen, ist unfassbar. Sie ist Senta. Und Elisabeth sagte: „Ich habe schon so viele Produktionen von ‚Der fliegende Holländer‘ gemacht, aber noch nie mit einem Schiff.“

Daniel Serafin: Wow (lacht)!

Philipp M. Krenn: Daraufhin sagte ich: „Wie bitte?“

Daniel Serafin: Normalerweise wird immer nur darüber geredet.

Philipp M. Krenn: Ja! Für gewöhnlich ist das Schiff immer nur eine Imagination. Bloß nicht das Schiff zeigen. Wir aber werden es sichtbar und ein Spektakel daraus machen. Dazu gehört die Musik von Wagner. Sie ist der Beginn der Filmmusik – selbst wenn es zu seiner Zeit noch gar keine Filme gab. Es haben unglaublich viele Komponisten bei Wagner abgeschaut oder sich Anregungen geholt. Wir werden das Stück als Blockbuster mit Schiff und Wellen auf die Bühne bringen. Allein schon die See mit Live-Kamera ist ein großes Highlight.

© Jerzy Bin

„Die Oper wird spannungsgeladen, und vor allem werden wir bieten, wofür der Steinbruch steht: höchste Qualität.“
Daniel Serafin

 

 

 

Daniel Serafin: (nickt zustimmend) Und jetzt ist es im Werden.

Philipp M. Krenn: Ja, nun steht dieses tolle Bühnenbild da, worauf wir so lange hingearbeitet haben. Es ist vom Allerfeinsten!

Daniel Serafin: Momme Hinrichs hat uns dieses wunderbare Bühnenbild entworfen. Es wird einige Überraschungsmomente geben und alles andere als langweilig. Das Auge wird nicht nur von der Szenerie verzaubert werden, sondern auch von der Kameraführung. Ran Arthur Braun ist für seine Stunt-Choreografien bekannt. Die Oper wird spannungsgeladen, und vor allem werden wir bieten, wofür der Steinbruch steht: höchste Qualität. Ich bin stolz auf mein Team und das Ensemble und darauf, diese Produktion zeigen zu können und zu dürfen.

schauvorbei.at: Als KI-generierte Actionfigur auf Social Media sah man Sie, Herr Serafin, mit einem Anker, einem Geisterschiff und einem Leuchtturm. Welche Rolle werden diese beim Bühnenbild spielen?
Philipp M. Krenn: Der fliegende Holländer ist weder lebendig noch tot. Er ist schon gestorben, kann aber nicht sterben. Er wollte das Kap der guten Hoffnung umsegeln und hat sich Wind und Wetter gestellt – und sogar dem Teufel. Zwar schaffte er es durch den Sturm, allerdings ist er so verflucht, dass er nur alle sieben Jahre Land findet. Unser Gedanke dabei war: Der Holländer kommt aus einer anderen Zeit. Er treibt sich jahrhundertelang auf seinem Schiff herum. Dieses ist auf, im und unter Wasser und somit mit Algen verrodet – genauso wie der Kapitän. Er ist nach 250 Jahren voll besetzt mit Muscheln. Das Schiff ist das Zuhause des Holländers, weil er nichts anderes mehr findet.

Aber: Er sucht auch sein Zuhause, seinen Leuchtturm. Deswegen gibt es bei uns auch einen auf der Bühne. In der Schifffahrt weiß man, dass ein Leuchtturm entweder ein Punkt ist, den man anpeilt oder den man umschiffen muss. Auch für die Rolle der Senta wird er eine wichtige Rolle spielen. Außerdem ist es der höchste Punkt, der alles überstrahlt.

Der Anker hat einen starken symbolischen Wert. Er wirft Fragen auf wie: „Kann ich überhaupt anlegen und vor Anker gehen?“ Alle sieben Jahre geht der fliegende Holländer für 24 Stunden an Land, um die Liebe seines Lebens zu finden. Denn ein Engel hat ihm prophezeit, dass er dann erlöst werden kann, wenn er eine treue, liebende Frau findet. Es ist eine Märchenwelt, in die man eintaucht.

„Die Mischung aus Theater und den gesamten Raum einzubringen, ist auch im Sinne Wagners, dem das Gesamtkunstwerk so wichtig war.“
Philipp M. Krenn

Daniel Serafin: Es ist aber auch Tinder-Dating schlechthin (lacht)!

Philipp M. Krenn: Das stimmt (lacht)! Der Anker ist aber auch eine wichtige Verbindung zwischen Wasser und Land. Das spiegelt sich natürlich auch im Bühnenbild wider.

Im Steinbruch als Location sind wir von Umwelteinflüssen gesteuert. Auch dieses Element findet sich im Stück. Was ich großartig finde, ist: Die Oper funktioniert bei Sonnenschein genauso wie bei Regen. Bei Schlechtwetter hat es eine unglaubliche Macht und Magie.

Daniel Serafin: Aber wir wünschen uns keinen Regen!

Philipp M. Krenn: Überhaupt nicht!

Daniel Serafin: Denn das Stück beginnt mit einem Sturm. Das Gewitter können wir somit abhaken (schmunzelt).

Philipp M. Krenn: Natürlich! Was ich auch ganz toll finde, sind die Dohlen, die den Steinbruch bewohnen. Wenn sie über den Steinbruch fliegen, ist es das Schönste. Wir haben schon gesagt, dass sie alle ein Möwenkostüm brauchen (lacht). Die Mischung aus Theater und den gesamten Raum einzubringen, ist auch im Sinne Wagners, dem das Gesamtkunstwerk so wichtig war. Das versuchen wir auch mit den Sängern, den Statisten und dem Chor, den wir wieder auf die Bühne holen. Und ich denke, das gelingt uns auch.

„Bei jedem Stück, das im Steinbruch aufgeführt wird, ist es so, dass sich die Energie des Ortes auf die Zuschauer überträgt. Es bebt regelrecht.“
Daniel Serafin

schauvorbei.at: Warum würden Sie sagen, ist der Chor ein unumgängliches Element im Stück?
Philipp M. Krenn: Bei einer Oper wie „Der fliegende Holländer“ muss der Chor auf der Bühne sein. Das war ein ganz großer Wunsch von uns. Es ist nicht selbstverständlich. Denn es ist unglaublich herausfordernd.

Daniel Serafin: 2019 war bei „Die Zauberflöte“ das letzte Mal der Chor auf der Bühne. Dabei war der Chor klein. Jetzt stehen über 60 Personen auf der Bühne. Das ist gewaltig. 

Philipp M. Krenn: Es ist eine eigene Energie und Dynamik, so viele Menschen gleichzeitig auf der Bühne zu erleben. Außerdem ist es ein wichtiges Element im Stück. Es beginnt, als im Sturm die Mannschaft eines Schiffes zu singen beginnt, während sie vor Anker gehen. Dann begegnen sie dem fliegenden Holländer. Der erste Teil ist ein rein männlicher Akt. Im Anschluss beginnt der zweite rein weiblich. Das bedeutet, das Wasser ist die maskuline Welt, während die feminine das Land darstellt. Porträtiert wird sie von den Frauen, die auf ihre Männer warten. Senta, die sich wegträumt und immer den Holländer vor sich hat.

Der dritte Akt besteht aus einem gemischten Chor, wenn eine Vermählung und eine Hochzeit ausgerufen wird. Interessanterweise kommen im Zuge dessen nicht nur Frauen und Männer zusammen, sondern auch Wasser und Land. Es verbinden sich auch Senta und Holländer. Das bedeutet, was im Inneren – zwischen den Charakteren – geschieht, passiert auch in der Umgebung – im Außen.

schauvorbei.at: Inwiefern wird bei der Oper im Steinbruch ein Ort erschaffen, der die Zuschauer in eine magische Welt entführt?
Daniel Serafin: 
Bei jedem Stück, das im Steinbruch aufgeführt wird, ist es so, dass sich die Energie des Ortes auf die Zuschauer überträgt. Es bebt regelrecht. Ich wurde auch schon gefragt, was mein Favorit unter den gespielten Opern ist. Aber das kann ich nicht sagen. Das wäre wohl so, als müsste ich mich für mein Lieblingskind entscheiden (lacht). Ich liebe sie alle. An diesem Ort tanke ich meine Kräfte regelrecht auf. Es ist immer schön, dort zu sein.

„Ich denke, diese Größe und die Kraft, die vom Steinbruch ausgeht, geben dem Haus einen enormen Fokus. Deswegen lässt es sich so toll bespielen.“
Philipp M. Krenn

Wissen Sie, es gibt drei Top-Open-Air-Opern-Festivals. Das sind Verona, Bregenz und der Steinbruch. Das sind die Einzigen drei, die diese Art der Atmosphäre versprühen.

Philipp M. Krenn: Das stimmt! Seit dieses Bühnenbild steht, kann ich mich nicht daran satt sehen. Es verschmilzt regelrecht mit dem Steinbruch. Jeder sagt: „Es ist nur logisch, dass es so aufgebaut wurde.“ Daran merkt man, dass es richtig ist.

Daniel Serafin: Die Bühnenbauer haben es so schön gelöst. Beispielsweise sieht ein Stein, der vorne an der Stage steht, so aus, als wäre er einer der Kalksteine aus dem Steinbruch. Sie haben es toll verarbeitet.

Philipp M. Krenn: Diese Verschmelzung ist unglaublich schön. Ich denke, diese Größe und die Kraft, die vom Steinbruch ausgeht, geben dem Haus einen enormen Fokus. Deswegen lässt es sich so toll bespielen.

Man darf aber trotzdem nicht vergessen, was die Menschen während der Aufführung auf der Bühne leisten. Es sind im Gegensatz zu einem Schauspielhaus nicht nur Meter zu gehen, sondern auch viel Höhe. Das ist eine Leistung des Ensembles: die Sänger, die ständig mit ihrem Atem arbeiten und ihn unter Kontrolle haben müssen.

„Das Schöne ist mit drei Besetzungen und 24 Vorstellungen, dass es jedes Mal anders sein wird. Jeder Abend ist eine Premiere.“
Daniel Serafin

schauvorbei.at: Was ist für euch persönlich das Schönste an der Inszenierung?
Philipp M. Krenn:
Alle drei Akte sind unglaublich, und ich mag es, an allen zu arbeiten. Der erste ist Wasser pur. Beim zweiten handelt es sich um einen Detailblick, der zeigt, wie die Emotionen funktionieren. Zum Schluss folgt im dritten Teil die Verbindung von alledem auch musikalisch. Für mich sind die drei Akte das Schönste an der Inszenierung.

Daniel Serafin: Ich schätze das Werk von Anfang bis Ende und vor allem, dass wir die Urfassung genommen haben. Die späteren Fassungen sprechen von musikalischer Erlösung. Patrick Lange ist unser musikalischer Leiter. Er ist Philipps Pendant im Musikbereich. Ohne Orchester und ohne Dirigenten ist dieses Werk undenkbar. Denn Wagner hat nicht nur Musik komponiert, sondern auch das Libretto geschrieben. Komponisten und Librettisten in einem sind sehr, sehr selten und eigentlich nicht üblich. Ich mag, dass das Werk aus einem Guss ist.

Philipp M. Krenn: Weil Daniel Patrick erwähnt hat: Er ist ein unglaublich toller Partner. Der Austausch ist grandios. Mir ist wichtig, das was auf der Bühne passiert, mit der Musik zu verbinden. Dabei geht es um Tempo und Emotion. Dafür braucht man einen Dirigenten, der leiten, ausführen und vermitteln kann. Wir sind wie Kapitän und Steuermann.

Daniel Serafin: Das Schöne ist mit drei Besetzungen und 24 Vorstellungen, dass es jedes Mal anders sein wird. Jeder Abend ist eine Premiere. Die Sänger sind alle auf einem hohen Level, aber was man merkt: Der Mensch interpretiert. Ich habe es bei den Proben gesehen. Die Emotionen werden immer in einer anderen Spannung vermittelt. Ich kenne das auch von anderen Vorstellungen wie „Aida“ letztes Jahr. Da lief ich auch während der Oper hinauf zum Tonstand und hörte mir bestimmte Stellen gezielt an. Es ist niemals dasselbe. Selbst wenn es das gleiche Team ist. Oper und Theater sind das Gegenteil von Fließbandarbeit, denn jede Aufführung ist eine neue Kreation.

„Wenn die Energie von den Besuchern eine träge ist, wird es auf der Bühne anders. Es ist ein Ziehen zwischen zwei Polen, das die Balance sucht – wie Yin und Yang.“
Daniel Serafin

Philipp M. Krenn: Es ist die Magie des Augenblicks. Das hebt ein Live-Erlebnis aus unserer schnelllebigen Zeit heraus. Nicht nur, dass 200 Menschen auf der Bühne arbeiten, es sitzen 4.500 Zuschauer, die etwas im selben Moment erleben. Jetzt! Klar, es ist geprobt, aber es schafft Raum für die Performanz. Im Gegensatz zu sozialen Medien, wo es „wisch und weg“ heißt, geht es bei der Oper darum, im Hier und Jetzt anzukommen und es anzunehmen. Das bedeutet, es findet ein Austausch zwischen Publikum und Darstellern statt. Es ist lebendig und muss auch fließend bleiben.

Daniel Serafin: Genau wie du sagst! Wenn die Energie von den Besuchern eine träge ist, wird es auf der Bühne anders. Es ist ein Ziehen zwischen zwei Polen, das die Balance sucht – wie Yin und Yang.

schauvorbei.at: Wirkt sich die Urfassung auf die Länge des Stücks aus?
Daniel Serafin:
Wir waren uns sofort einig: Was auch immer es wird, aber es muss kurz und knackig sein. Die Urfassung ist die Kompakteste. Wir sprechen hier von zweieinhalb Stunden. Oper wird nicht in ihrer Länge gemessen, sondern in ihrer Intensität und Spannung.

Philipp M. Krenn: Wichtig dabei ist, dass wir bei unserer Fassung nichts von seiner Substanz genommen oder verändert haben.

Daniel Serafin: Ich denke auch, dass wir nicht noch eine andere Oper von Wagner im Steinbruch auf die Bühne bringen werden. Denn das nächst längere Stück wäre „Lohengrin“. Da ist man aber schon bei dreieinhalb Stunden. Somit ist das „der Burgenland-Wagner“ (lacht).

schauvorbei.at: Ohne welche Szene würde die Oper nicht funktionieren?
Philipp M. Krenn:
Tatsächlich ist das die erste Begegnung des Holländers mit Senta. Es ist einer der schönsten Momente – vor allem wegen der Musik. Als sie sich sehen und endlich finden, ist es, als würden sie sich bereits seit Jahrtausenden kennen. Das macht Wagner mit seiner Musik greif- und spürbar. Die Szene endet in einem Jubel-Chor. Das ist für mich die zentrale Stelle des Stücks. Da bekomme ich jedes Mal Gänsehaut.

„Es fehlt quasi der Liebhaber, der sich im Schrank versteckt, um es mit der Logik der französischen Komödien zu sagen.“
Daniel Serafin

Daniel Serafin: Als ich diese Stelle gestern bei den Proben sah, hatte ich Tränen in den Augen, weil es mich so berührt hat. Was ich auch liebe, ist das Ende. Jede Produktion braucht ein spannungsgeladenes Ende. Es ist zündend wie ein Feuerwerk – voller Action und einfach genial.

Philipp M. Krenn: Es wäre nicht Wagner, wenn der Spannungsbogen nicht bis zum Ende hoch bleiben würde. Theoretisch könnte es auch im zweiten Akt enden, damit, dass sie sich gefunden haben. Aber im dritten Akt passiert noch das große Unglück.

Daniel Serafin: Dabei ist alles ein großes Missverständnis! Er kommt etwas zu früh hinzu …

Philipp M. Krenn: … und interpretiert es falsch.

Daniel Serafin: Sie sagt dem Jäger nur: „Lass uns Freunde bleiben.“ Aber er denkt, sie ist ihm untreu. Käme er eine Minute später, wäre nichts verloren. Es fehlt quasi der Liebhaber, der sich im Schrank versteckt, um es mit der Logik der französischen Komödien zu sagen (schmunzelt).

Philipp M. Krenn: (lacht)

„Den Steinbruch und Wagner zum Leben zu erwecken, das ist unser Ziel.“
Philipp M. Krenn“

schauvorbei.at: Muss man Opernfan sein, um „Der fliegende Holländer“ zu mögen?
Daniel Serafin:
Man muss gar nichts. Es ist ein Stück, das anziehend wirkt. Die Mixtur ist besonders. Auch ist es eine Oper, die mit keiner zu vergleichen ist, die wir bis jetzt im Steinbruch produziert haben. Selbst wenn man noch nie eine Oper gesehen hat, kann man diese Inszenierung genießen.

Alle sagten zu mir: „Damoklesschwert Wagner.“ Das stimmt nicht. Es ist kein Werk für eingefleischte Opernliebhaber oder Bayreuthbesucher, die wir auch gerne willkommen heißen.

Philipp M. Krenn: Ich kann das nur bestätigen. Man muss nicht einmal Opernkenner sein. Sobald man sich ins Publikum setzt und das Stück beginnt, wird die Musik die Besucher hinwegschwemmen. Wir machen Theater, keine verkopfte Dramaturgie. Den Steinbruch und Wagner zum Leben zu erwecken, das ist unser Ziel. Ich glaube nicht, dass man sich dem entziehen kann.

„Über den St. Margarethener Kogel zu fahren, dann über den See zu blicken und im Anschluss in der pittoresken Freistadt Rust anzukommen, hat seinen ganz eigenen Flair. Es ist mein eigener Zufluchtsort, in dem ich wieder auftanke.“
Daniel Serafin

schauvorbei.at: Wie entspannen Sie sich abseits der Bühne?
Philipp M. Krenn:
Ich habe meine Familie bei mir. Das entspannt mich sehr. Außerdem muss ich zugeben, dass ich auf der Suche nach einem Streckhof bin. Ich möchte hierherziehen. Es ist so schön hier. Aber dafür bräuchten wir wohl noch mehr Kooperationen.

Derzeit wohne ich in Oslip und ich mag die Umgebung und den kleinen Teich in der Nähe. Aber ich muss auch sagen, derzeit bleibt nicht viel Zeit für Entspannung. Gestern war ich bis drei Uhr früh im Steinbruch. Ich relaxe beim Schlafen (lacht). Aber vor allem entspannt es mich, wenn ich sehe, wie alle Teile zusammenkommen.

Daniel Serafin: Meine Spannung und Entspannung sind im Burgenland. Jeder Tag hat seine Spitzen. Seit dem Jahr 1992 bin ich jedes Jahr im Sommer im östlichsten Bundesland – ob arbeitend oder privat. Ich bin hier aufgewachsen und habe es lieben gelernt.

Über den St. Margarethener Kogel zu fahren, dann über den See zu blicken und im Anschluss in der pittoresken Freistadt Rust anzukommen, hat seinen ganz eigenen Flair. Es ist mein eigener Zufluchtsort, in dem ich wieder auftanke. Ich regeneriere mich aber auch durch die Arbeit an den Werken.

„Auch die Arbeit darf sich wie Urlaub anfühlen und Spaß machen. Selbst bei aller Professionalität, wenn es Stress und genug zu tun gibt. Man darf im Job Freude haben.“
Philipp M. Krenn

schauvorbei.at: Fehlen Ihnen typische Sommerurlaube, während der Spielzeit?
Daniel Serafin:
Sommer ist für mich immer Spannung und Arbeit. Im Herbst kommt meine Urlaubszeit. Die heißen Monate bedeuten für mich Action.

Philipp M. Krenn: Ich bin im Austausch mit allen Sängern und viele meinten bereits zu mir: „Du, Philipp, das ist hier wie im Urlaub!“

Daniel Serafin: (lacht)

Philipp M. Krenn: Auch die Arbeit darf sich wie Urlaub anfühlen und Spaß machen. Selbst bei aller Professionalität, wenn es Stress und genug zu tun gibt. Man darf im Job Freude haben. Nach der Arbeit am See auszuspannen und am nächsten Tag wieder alles zu geben, ist wichtig. Jeder braucht diesen Ausgleich.

„Es gibt keine Widerstände in der Kommunikation zwischen uns. Es geht ums Zuhören und Sich-Einlassen.“
Philipp M. Krenn

schauvorbei.at: Herr Serafin, wie erleben Sie die Zusammenarbeit mit Regisseur Krenn und vice versa?
Daniel Serafin:
Wie Sie sehen: blendend! Mit Philipp kann ich so gut arbeiten, weil er flexibel ist. Alles ist in Bewegung und wandelt sich. Darauf muss man sich einlassen können.

Philipp M. Krenn: Wir tauschen uns regelmäßig aus und sprechen über Musik und Ton und über alles, was es sonst noch zu reden gibt. Daniel bringt so viel Erfahrung mit und weiß, wie der Steinbruch und das Publikum funktionieren. Dafür bin ich dankbar.

Daniel Serafin: Zum Beispiel wird die Ouvertüre normalerweise bei geschlossenem Vorhang gespielt. Man konzentriert sich nur auf die Musik. Das kann man im Steinbruch nicht machen. Philipp hatte sofort gute Ideen und meinte: „Basteln wir etwas!“

Philipp M. Krenn: Es gibt keine Widerstände in der Kommunikation zwischen uns. Es geht ums Zuhören und Sich-Einlassen.

„Die einzelnen Teile kommen über Verknüpfungen zusammen, damit die Glieder zur Kette werden und der Kreis geschlossen wird.“
Daniel Serafin

schauvorbei.at: Vor welchen Schwierigkeiten stehen Sie in diesem Jahr?
Daniel Serafin:
Ich sehe keine Wehwehchen bei „Der fliegende Holländer“. Es ist kein Problem-, sondern ein Freud- und Erstlingskind mit Wagner. „Der flutscht“ regelrecht (lacht). Ich bin kein Pessimist, viel mehr ein Optimist und Realist. Ich sage oft: „Freunde, hört auf, alles in Schwarz-Weiß zu sehen.“ Es gibt alle möglichen Farben und Grautöne. Ich sehe keine Probleme, sondern Herausforderungen.

Philipp M. Krenn: Das Stück ist unglaublich vernetzt. Dabei gibt es so viele Fäden, die zu bestimmten Knotenpunkten zusammenkommen müssen. Es ist immer eine Herausforderung, aber am Ende, wenn Licht, Kostüme und Musik aufeinandertreffen, wird sich alles fügen.

Daniel Serafin: Man kann sich das alles wie Zahnräder vorstellen, die ineinandergreifen müssen. Die einzelnen Teile kommen über Verknüpfungen zusammen, damit die Glieder zur Kette werden und der Kreis geschlossen wird.

Philipp M. Krenn: Bei der Arbeit macht man sich von den kleinsten Zahnrädchen abhängig. Aber genau darin steckt die größte Freude. Wenn sich dann das Uhrwerk zu drehen beginnt, ist das ein unbeschreibliches Glücksgefühl.

„Die See und ich sind wie der fliegende Holländer und Senta.“
Philipp M. Krenn

schauvorbei.at: Welches Stück würden Sie gerne nochmal das erste Mal sehen?
Philipp M. Krenn: 
Ich bin bei den Sängerknaben auf der Bühne der Staatsoper aufgewachsen und habe dort sehr viel gesungen. Dort hatte ich auch meine erste Berührung mit Wagner durch das Stück „Parsifal“. Der Chor befand sich in der Höhe vom vierten Rang. Es war für mich sehr beeindruckend und irrsinnig hoch. Ich weiß noch, dass ich immer versucht habe, am Rand zu stehen, um runterschauen zu können und den Aufmarsch der Ritter zu sehen. Es ist eine Kindheitserinnerung, als ich gerade mal neun Jahre alt war.

Wagner hat mich damals schon fasziniert. Deswegen denke ich, dass ich dieses Stück noch einmal gerne das erste Mal sehen würde, ohne befangen zu sein. Wenn man einmal diese Passion für sich entdeckt hat, kommt man nicht heraus.

Daniel Serafin: Ja, das sagst du jetzt (lacht)! Aber ich schließe mich dir an.

Freuen würde ich mich darüber, unter meiner Intendanz „Die Zauberflöte“ zum ersten Mal zu erleben. Sie ist eine zentrale Oper aus meiner Kindheit. Weil sie trotz den zwei versuchten Selbstmordversuchen als Kinderoper gilt. Mit den Tieren, der Königin der Nacht und dem Sonnenkreis hat sie mich von jeher in ihren Bann gezogen. So etwas in einer anderen Facette wiederzusehen, wäre schön. Das war jetzt Revue und Zukunftswunsch in einem.

schauvorbei.at: Die See und ich sind wie …
Philipp M. Krenn:
… der fliegende Holländer und Senta.
Daniel Serafin: … die Oper und der Steinbruch in St. Margarethen.

schauvorbei.at: Wäre ich ein Pirat, würde ich …
Philipp M. Krenn:
… mich von Mast zu Mast schwingen, ins Wasser springen und wieder auftauchen.
Daniel Serafin: Ich wäre Jack Sparrow (schmunzelt).

schauvorbei.at: Könnte ich nur alle sieben Jahre an Land gehen, würde ich den ganzen Tag …
Philipp M. Krenn:
… im Steinbruch proben.
Daniel Serafin: Detto!

schauvorbei.at: Als nordischer Gott hätte ich …
Daniel Serafin:
… die Macht, das Wetter zu verändern.
Philipp M. Krenn: Das nehme ich auch!

schauvorbei.at: Zwischen Hoffnung und Verzweiflung liegt immer …
Daniel Serafin:
… die Sehnsucht.
Philipp M. Krenn: Absolut richtig.

schauvorbei.at: Vielen Dank für das Gespräch!

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