schau: 2023 ist viel passiert, sowohl international als auch national. Wie haben Sie das Jahr bisher erlebt?
Hans Peter Doskozil: Internationale Krisen, die auch auf das Burgenland Auswirkungen hatten, haben das Jahr stark geprägt. Ich befürchte, dass es weiterhin schwierig bleiben wird. Was passiert, wenn die Gaslieferverträge über die Ukraine 2024 nicht mehr verlängert werden? Auch die Situation in Israel begleitet uns tagtäglich. Neben den Nachrichten über die Auseinandersetzungen vor Ort liest man immer wieder über antisemitische Übergriffe und Straftaten in Europa, zum Beispiel in Frankreich. Da muss man sich natürlich fragen, ob man in der Vergangenheit alles richtig gemacht hat, speziell was Migration und Asylpolitik betrifft. Das sind alles Dinge, die zum Nachdenken über die mittel- und langfristige Zukunft anregen sollten. Speziell was die die Energiesituation betrifft, muss man sich jetzt schon und nicht erst nächstes Jahr überlegen, welche Maßnahmen zu setzen sind.
Was kann man konkret im Burgenland tun?
Wir sind laufend dabei, erneuerbare Energieträger auszubauen, entsprechende Angebote zu schaffen und Speichermöglichkeiten zu implementieren. Das geht aber nicht von heute auf morgen. Zusätzlich werden wir den nach Haushaltseinkommen gestaffelten Wärmepreisdeckel 2024 weiterführen, auch wenn das anfangs vielleicht nicht so geplant war.
Sie haben vorhin die steigende Zahl an antisemitischen Übergriffen angesprochen. Schon in den vergangenen Jahren haben wir gesehen, wie Krisen zu einer Spaltung der Gesellschaft führen können. Wie könnte hier entgegengewirkt werden?
Bei der Corona-Krise haben wir gesehen, wie konträre Positionen in der Gesellschaft ganz massiv von der Politik befeuert werden – und zwar aus politisch motivierten, weniger aus inhaltlichen Gründen. Deshalb wäre es für die Politik wichtig, in Zukunft anders aufzutreten. Wir steuern jetzt allerdings wieder auf einen Wahlkampf zu, bei dem wahrscheinlich auch wieder Hass geschürt werden wird. Und das ist angesichts dessen, was man damit anrichten kann, natürlich eine Fehlentwicklung.
Auch persönliche Angriffe gehören in der Politik inzwischen dazu. Wie geht man damit um?
Das betrifft ja mittlerweile nicht nur Politiker, sondern jede Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Die Frage ist immer, was die jeweilige Person mit ihrer Rolle in der Öffentlichkeit verbindet. Da gibt es Politiker, für die das Repräsentieren das Wichtigste in ihrem Job ist. Sie fahren von einer Veranstaltung zur nächsten, kommen zu diversen Eröffnungen etc. Dass sie dann frustriert sind, wenn sie beim Repräsentieren negative Rückmeldungen statt Jubel erhalten, ist klar. Wenn man hingegen versucht, im Job als Politiker lösungsorientiert Dinge zu verändern, dann ist das aus meiner Sicht eine schöne Aufgabe. Ich würde mir schwer tun, wenn alles schon ideal wäre und es keine Probleme gäbe – da bliebe ja nur noch das Repräsentieren.
Wir leben generell in Zeiten, in denen man immer transparenter wird und jede Kleinigkeit zur Diskussion steht. Das ist im Einzelnen unangenehm, insgesamt gesehen aber etwas Gutes – etwa bei Feedback zu Maßnahmen, die man setzt.
Sie haben Maßnahmen wie den Wärmepreisdeckel gesetzt, den sie schon erwähnt haben. Förderungen wie diese helfen jenen, die es am nötigsten brauchen, verringern aber nicht die Kluft zwischen Arm und Reich. Was müsste Ihrer Meinung nach passieren, um das Übel an der Wurzel zu packen?
Ich bringe immer wieder ein Beispiel, das dieses Auseinanderdriften der Vermögens- und Einkommenssituation zeigt. Dazu muss man sich nur die Systematik der Lohnerhöhungen anschauen: Werden alle Löhne linear um einen gewissen Prozentsatz erhöht, anstatt auf absolute Beträge zu achten, wird die Kluft zwischen Arm und Reich immer größer.
Wenn wir die Lohnerhöhungen im öffentlichen Dienst wie der Bund durchgeführt hätten, hätten zum Beispiel Reinigungskräfte 170 oder 180 Euro mehr im Monat bekommen, während die höchsten Beamten 600, 700 oder sogar 800 Euro mehr bekommen hätten. Spitzengewerkschafter im Nationalrat haben mit den vergangenen zwei Gehaltssprüngen wahrscheinlich 2.500 Euro brutto mehr erhalten, Mindesteinkommensbezieher vielleicht zehn Prozent davon. Das ist nicht gerecht und ein Schlag ins Gesicht jener, die tagtäglich arbeiten gehen, aber trotzdem ums Überleben kämpfen müssen.
Anlässlich des Nationalfeiertags haben Sie betont, wie wichtig der gesellschaftliche Zusammenhalt ist und wie Einsatzkräfte und Ehrenamtliche dazu beitragen.
Genau. Bei Besuchen und Gesprächen, etwa in der Ukraine, wird uns immer wieder vor Augen geführt, wie toll und wichtig unser Freiwilligensystem von der Feuerwehr über die Rettung bis zum Verein ist. Erst kürzlich haben wir uns damit beschäftigt, wie wir die Jugend nach der Corona-Zeit niederschwellig ansprechen und bis hin zur psychologischen Betreuung mental unterstützen können. Auch hier sind die Vereine, die Gemeinschaft, Jugendfeuerwehren etc. das wichtigste Element. Da sieht man eigentlich, was diese Institutionen leisten. Wir sind sehr glücklich darüber, dass wir im Burgenland so viele Ehrenamtliche haben. Deshalb ist wichtig, diese Institutionen auch finanziell zu unterstützen. Und das tun wir auch.
2024 steht die Nationalratswahl bevor, kurz darauf folgt die Landtagswahl im Burgenland. Wie schätzen Sie den Einfluss der Ergebnisse der Nationalratswahl – unabhängig davon, ob gut oder schlecht – auf die Landtagswahl ein? Und welche Rolle spielt dabei die Geschlossenheit in der Partei?
Die Wähler differenzieren sehr genau zwischen einzelnen Wahlen beziehungsweise zwischen Bundes- und Landesebene. Ich hoffe natürlich, dass die Wahlen auch für den Bund, also für die Sozialdemokratie, gut ausgehen. Aber selbstverständlich konzentrieren wir uns auf die Landtagswahl im Jänner 2025 mit dem großen Ziel, das Ergebnis von 2020 zu wiederholen. Aber das ist ganz unabhängig davon, wie die vorhergehende Wahl ausgeht.
Auch die EU-Wahl steht bevor. Das Thema wird von vielen unterschätzt, obwohl sehr viele Entwicklungen auf Bundes- und Landesebene von Entscheidungen in Brüssel abhängen. Muss da auch im Burgenland mehr Aufklärungsarbeit betrieben werden?
Ich glaube, was im Burgenland sicher angekommen ist, sind die EU-Kommissions- und Förderpolitik sowie die Entwicklung, die wir damit nehmen konnten. Die Mechanismen auf europäischer Ebene, insbesondere bei Gesetzes-, Verordnungs- und Richtlinienprozessen, sind nicht so ausgeprägt, wie wir es im Parlament gewohnt sind. Sie sind von verschiedenen Lobbyistengruppen getragen. Daher ist für uns ein Gremium wie der Ausschuss der Regionen wichtig, in dem wir prominent vertreten sind und der unsere regionalen Interessen platzieren kann. Abgeordneten zum Europäischen Parlament aus dem Burgenland sollten wir diesmal keinen haben, aber wir sind gut im Ausschuss der Regionen vertreten.
Die Werte der SPÖ im Burgenland sind ungebrochen hoch, auch Sie haben sehr hohe Zustimmungswerte bei der Bevölkerung. Was macht Hans Peter Doskozil anders?
Es ist immer schwer, sich selbst zu beurteilen. Das sollen bestenfalls andere tun. Als Politiker sollte man an seinen Taten gemessen werden. Für mich ist entscheidend, das Angekündigtes auch umgesetzt und Zuständigkeiten erfüllt werden. Leistbares Wohnen zum Beispiel schreibt die Sozialdemokratie schon seit zehn Jahren auf die Plakate – und in diesen zehn Jahren hatten wir auch schon Regierungsverantwortung. Aber mir ist jetzt nicht bekannt, welche gesetzlichen oder faktischen Maßnahmen gesetzt worden sind, um leistbares Wohnen zu realisieren. Und dafür gibt es viele weitere Beispiele. Dinge wurden großartig angekündigt, aber nicht umgesetzt, auch wenn es möglich gewesen wäre.
Noch ein Beispiel: Große Diskussionsthemen in der Sozialdemokratie sind sicherlich der Mindestlohn und die 32-Stunden-Woche. Ich bin ganz klar Vertreter des Mindestlohns. Mittlerweile liegt dieser im Burgenland bei 2.000 Euro netto. Es gibt andere in der Sozialdemokratie, die die 32-Stunden-Woche forcieren und auf Landesebene in Regierungsverantwortung sind – und was ist bisher passiert? Da leidet dann die Glaubwürdigkeit.
Wir haben den Mindestlohn von 2.000 Euro dort umgesetzt, wo wir zuständig sind. Damit bleibt man glaubwürdig. Andere fordern es und setzen es dann aber nicht um. Könnten sie aber, denn sie sind als Arbeitgeber auch Teil der Sozialpartnerschaft.
Apropos umsetzen: Gibt es etwas, das Sie in dieser Amtsperiode unbedingt noch verwirklichen wollen?
Ganz wichtig ist mir, die Pflegestützpunkte operativ umzusetzen. Da wird es in diesem Jahr die ersten sechs Spatenstiche geben. Ein wesentlicher Faktor ist außerdem das Krankenhaus Gols. Leider quält uns da die Interessensgruppe „Pro Thayatal“, aber da versuchen wir, rechtlich durchzudringen und das Projekt auf Schiene zu bringen. Ziel ist auch, das Niveau in den Spitälern zu steigern und zusätzliche Abteilungen zu implementieren. Dabei spielen das Pflegepersonal und Ärzte eine wichtige Rolle. In der Krankenhaus-Pflege sind wir jetzt fast voll besetzt, das ist nicht in allen Ländern so. Ich hoffe, dass wir im ersten Quartal 2024 auch bei den Medizinern voll besetzt sind. Dieses Niveau dann zu halten und auszubauen, wird eine große Herausforderung sein.
Des Weiteren gilt es, Gemeinden im Hinblick auf die Finanzen zu unterstützen. Wenn Gemeinden beispielsweise nicht mehr in der Lage sind, Schulbau zu betreiben, werden wir helfen. Da gibt es auch schon die ersten beiden Beispiele, damit weiterhin in die Infrastruktur des Burgenlandes investiert werden kann.
Was wünschen Sie sich für die Burgenländer und was wünschen Sie sich für sich selbst?
Ich glaube das Wichtigste wäre, dass die internationalen Krisen ein Ende finden. Das wäre für ganz Europa ein Segen, auch für das Burgenland. Und jedem Einzelnen wünsche ich vor allem Gesundheit.
Vielen Dank für das Gespräch.
Fotos: © Tanja Hofer