Im Jahr 1914 brach ein Krieg aus, der sich bald zum Weltkrieg ausweiten sollte. Karl Kraus schilderte diese grausame Epoche in 220 Szenen und nannte sein Werk „Die letzten Tage der Menschheit“.
Vor zehn Jahren, zum 100. Jahrestag des Ersten Weltkriegs, wählte die Künstlerin Deborah Sengl 40 Szenen aus Kraus‘ Buch aus und inszenierte sie mit präparierten Ratten. Die künstlerische Übersetzung des Kriegsdramas in die Welt der Ratten schafft Distanz, löst das Werk aber auch von seiner Zeitgebundenheit und leistet damit das, was Karl Kraus wollte: Nicht nur ein unversöhnliches Zeitdokument zu schaffen, sondern eine universale Mahnung an die Menschheit.
2024 ist die Gesellschaft polarisiert. In den Echokammern der sozialen Medien wird die eigene Klientel bedient und gegen andere gehetzt. Pandemie und Krieg haben die öffentliche Meinung noch mehr gespalten. Täglich wächst die Kluft zwischen Arm und Reich. Antisemitismus und Rassismus sind omnipräsent. Für viele sind die letzten Tage der Demokratie eingeläutet. Das Werk von Karl Kraus, dessen Geburtstag sich heuer zum 150. Mal jährt, ist damit aktueller denn je.
Aus diesem Grund sind die Ratten zurück. Aus Deborah Sengls Ausstellung wurden 16 Szenen ausgewählt und durch Texte der österreichischen Schriftstellerin Lydia Haider ins Heute gebracht.