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Tartuffe © Lalo Jodlbauer
Skye MacDonald (Damis), Stefanie Dvorak (Dorine), Michael Masula (Cléante), Dirk Nocker (Orgon), Elisabeth Augustin (Madame Pernelle), Rainer Friedrichsen (Gerichtsvollzieher), Laura Dittmann (Mariane), Emese Fay (Elmire)
07.07.2023

„Tartuffe“ in Reichenau

Die Festspiele Reichenau zeigen heuer auch Molières Komödie „Tartuffe“ über einen religiösen Heuchler.

Mit Molières „Tartuffe“ steht im Neuen Spielraum eine der berühmtesten und meistgespielten Komödien überhaupt auf dem Programm. Die Titelrolle spielt Stefan Jürgens, der im vergangenen Jahr mit dem NESTROY-Publikumspreis ausgezeichnet wurde. Zeitlos modern ist dieser Stoff um den schamlos-charismatischen Betrüger Tartuffe, mit dem Molière die Gesellschaft seiner Zeit porträtierte und damit einen veritablen Skandal auslöste. Regisseur Guntbert Warns inszeniert die bis heute gültige politische Parabel, deren aktuelle Bezüge auf der Hand liegen.

Guntbert Warns über „Tartuffe“

„Heute schießen aus jeder Ecke neue Sekten hervor, Menschen werden im Netz ihrer Verführungskünste gefangen. Oft aus Einsamkeit, vielleicht aus Eitelkeit, immer mit der Hoffnung auf Besserung der eigenen Befindlichkeit. Meist sind die Führerinnen dieser Glaubensgemeinschaften hochintelligente, in dein tiefstes Inneres eindringende Verführerinnen. Charismatisch, nahbar, obwohl so weit über dir – und vor allem fundamentalistisch. Der Fundamentalismus ist die Geißel der Menschheit. Molière hat schon damals einen Skandal hervorgerufen, da der angeprangerte Fundamentalismus staatstragend und oberstes Gebot war. Ist das heute anders? Tartuffe ist die Familiengeschichte von Orgon und Elmire. Tartuffe ist Glaube und Irrglaube, Liebe und Verrat, Hörigkeit und Widerstand.“

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Zum Stück

Tartuffe ist ein religiöser Heuchler, der sich das Vertrauen Orgons erschlichen hat. Er wird zum Zankapfel und zur Belastung für die ganze Familie, nachdem ihn Orgon erst dauerhaft im Hause beherbergt und dann sogar mit seiner Tochter vermählen möchte.

Besonders an diesem Stück ist, dass der Protagonist erst während des dritten Aktes auftritt. Außer bei Orgon (der von Molière gespielt worden ist) und Tartuffe hat man es mit recht typisierten Charakteren zu tun: naive und ungestüme Kinder (Damis, Mariane und Valère), von der Vernunft geleitete Figuren (Elmire und Cléante), die mit gesundem Menschenverstand gesegnete Dienerin Dorine und die altmodische Mutter des Hausherrn, Madame Pernelle, die zu Molières Zeiten von einem Mann gespielt wurde.

Obwohl das Stück viele typisierte Elemente enthält, bleibt die Infragestellung einer Religion, die sich zur Diktatur entwickeln kann, revolutionär. Zusammen mit Don Juan gehört es zu den Stücken von Molières, die am meisten Widerstand hervorgerufen haben. In Neufrankreich sorgten die herrschenden katholischen Kleriker sogar für ein Aufführungsverbot in der gesamten Kolonie.

Das Stück wurde 1664 in einer ersten Version unter dem Titel Der Tartuffe oder der Heuchler im Beisein des Sonnenkönigs im Schloss Versailles uraufgeführt. Sie löste auf Grund ihrer drastischen und für die damalige Zeit revolutionären Kritik an religiösem Heuchlertum einen Theaterskandal aus, der zum Verbot des Stücks führte. Auch eine zweite Fassung von 1667 wurde verboten. Erst eine im Handlungsverlauf deutlich geänderte dritte Fassung, die 1669 im Palais Royal in Paris uraufgeführt wurde, erhielt die Unterstützung Ludwigs des XIV. und entging somit der Zensur.

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