Story

Große Perfektion: Das Chef’s Table at Brooklyn Fare in New York

Das Restaurant Chef’s Table at Brooklyn Fare in New York ist so etwas wie der Fine-Dining-Laufsteg für essbare Luxusprodukte. Der Österreicher Max Natmessnig steht gemeinsam mit dem Niederländer Marco Prins der ehrgeizigen State-of-the-Art-Küche vor.
Koch steht in der Küche und bereitet Essen zu.
Max Natmessnig am Grill in der offenen Küche des Chef’s Table at Brooklyn Fare in New York City. © Chef’s Table at Brooklyn Fare

Es war dieser eine „once in a lifetime“-Moment, als Moneer „Moe“ Issa, Eigentümer des Chef’s Table at Brooklyn Fare in New York, Max Natmessnig im Sommer 2023 anrief und ihn fragte, ob er gemeinsam mit Marco Prins neuer Küchenchef sein möchte. Was wie der Jackpot-Gewinn klingt, erzeugte für den Moment doch gewisse Troubles. Nur wenige Monate zuvor war Natmessnig von der Roten Wand in Lech zu Dallmayr nach München gewechselt, um dort das Restaurant in die Spitzenklasse zu kochen. Nach so kurzer Zeit zu wechseln, macht kein gutes Bild – so die Befürchtung.

Viel Zeit zum Überlegen hatte er nicht. Und brauchte er auch nicht. Denn Natmessnig wusste: „Es ist New York, hier hast du Möglichkeiten und Chancen, die du anderswo nie bekommst.“ Dazu kommt, dass das ­anvisierte Terrain alles andere als Neuland darstellte. Max Natmessnig hatte schon einige Zeit in einer früheren Konstellation im Chef’s Table at Brooklyn Fare gearbeitet, sogar ­gemeinsam mit Marco Prins, den er schon aus seiner Zeit bei Sergio ­Herman im Oud Sluis in den Niederlanden kannte. 

Kurz zuvor gab es in New York eine ziemlich emotionale Trennung vom bisherigen Küchenchef César Ramirez. Verletzte Egos, verschwundene Weine und Werkzeuge, unklare ­Finanzen und beiderseitige Anschuldigungen. Ein Gastro-Beziehungs-Gossip nach 14 Jahren Zusammen­arbeit, der bis heute für Gesprächsstoff sorgt. Und das zu einem Zeitpunkt, als kurz zuvor der New York Times-Food-Kritiker Pete Wells das Chef’s Table at Brooklyn Fare als eines der 100 besten Restaurants der Stadt lobgepreist hat. 

345-US-Dollar-Preisschild

Dass es einen versteckten Wettstreit mit dem neuen César des Ex-Küchenchefs gibt, will niemand kommen­tieren, es liegt aber auf der Hand. Schließlich buhlen beide Lokale um die alten Stammgäste. Auch was den Fokus der Küche betrifft – ­erlesene Luxusprodukte und mehrheitlich Seafood –, ähneln sich die Konzepte. Man sollte meinen, dass New York City groß genug für mehrere Konzepte dieser Art ist. Gleichwohl ist aber auch in NYC der Markt für Luxus-Fine-Dining enger geworden. Das 345-US-Dollar-Preisschild für das Tastingmenü (plus Steuer plus Service plus Getränke) macht die Zielgruppe übersichtlich. Und mancher hat auch eine massive Allergie gegen stundenlanges Stillsitzen bei Tisch und vierzehn Gänge.

Absolut unique im Chef’s Table at Brooklyn Fare ist nach wie vor die Chef’s Table-Sitz-Situation. Das bringt Entertainment, küchenmäßige Einsichten und auch kommunikative Interaktion. 18 Gäste können an der Küchenbar auf den bequemen Barsesseln Platz nehmen, noch einmal so viele Personen haben an „normalen“ Tischen Platz.

Das Chef’s Table at Brooklyn Fare wurde in der ersten Version 2009 im hinteren Teil eines Lebensmittelgeschäfts in Brooklyn eröffnet. 2016 verlegte man das Restaurant nach Manhattan. Ganz im Stil einer versteckten Speakeasy-Bar (die New Yorker lieben versteckte Geheimtipps) muss man auch hier einen ­Supermarkt durchqueren, ehe man durch einen versteckten Eingang das Restaurant betreten kann.

Schon die ersten Bissen, hocharomatisches Blue-Fin-Tuna-Tatar und cremige Foie gras mit geräuchertem Aal, machen auf Anhieb klar, dass hier jedes Detail ein Ereignis sein will. Ein dritter Amuse-Bissen, A5-Wagyu mit Romanesco, krönt die Anfangssequenz, die man produktmäßig auch als heilige Dreifaltigkeit des Fine Dinings untertiteln könnte.

Nur das beste Produkt ist gut genug 

In der Küche herrscht einsilbige Betriebsamkeit. Es ist ein schönes Schauspiel, wenn sich sechs Personen intensiv um einen Patienten namens Teller kümmern. Eine ziemliche Show ist dem Vernehmen nach auch die Beschaffung der hier verwendeten Produkte. Ganz gleich ob Buri Yellowtail, Ezo Abalone oder Wagyu – vieles wird über einen Spezialitätenhändler in Japan bezogen, der über Ware verfügt, die selbst superheikle japanische Top-Chefs zufriedenstellt. „Wir bestellen drei Mal die Woche in Japan“, sagt Max Natmessnig. „Die Ware wird in Form einer kleinen Dokumentation mit Video, Fotos und Textinfo präsentiert. Auf dieser Basis entscheiden wir dann.“ Perfekt gefüllt und sehr aufwendig verpackt, kommt die Ware am nächsten Tag mit Luftfracht ins Restaurant.

So fanden auch die Hokkaido-Seeigelstücke ihren Weg nach Manhattan. Die orangefarbenen Preziosen bilden auf einer belgischen Waffel als Unterlage gemeinsam mit geräucherter Butter, karamellisiertem Kürbis und in der Saison nicht zu wenig Trüffel eine glücklich machende Umami-Attacke, an die man noch lange mit Wohlgefallen denkt.

Über die sonst üblichen Prozentsätze für Wareneinsatz in der Gesamtkalkulation spricht man nicht. „Zum Glück versteht Moe Issa die Erfordernisse für diese Art von Küche, es ist ein absolutes Privileg, so arbeiten zu dürfen.“ Tatsächlich ermutigen der Brooklyn Fare-Eigentümer Max Natmessnig und Marco Prins zur Suche nach weiteren derart extrovertierten Qualitätsprodukten.

Der Buri-Yellowtail-Tuna stammt eigentlich aus Nordspanien, weil er beim Fang dort in der Saison am meisten Fett hat. Geliefert wird der Hamachi aber über Japan, und zwar nur die besonders fetten und am ­besten schmeckenden Bauchstücke. Noch kostspieliger sind die in Japan frisch gefangenen Ezo-Abalone-Muscheln. Sie werden lebend angeliefert und erfordern eine enorm sorgsame Behandlung. Anfangs muss man sie mit einem Holzhammer klopfen, dann zwei Stunden in einer Seetang-Essenz weich kochen. Der Kochfond ergibt später mit der frischen Leber der Muscheln eine unvergleichliche Sauce.

Fujisan-Brot als süßer Schlusspunkt

Die Seafood-Höhepunkte im Menü nehmen scheinbar kein Ende. Etwa mit den riesigen und natürlich megafrischen Kaisergranaten, die in einer ­geschäumten Spicy-Sauce auch von fruchtigen Mango- und Gurkenstücken begleitet werden. Da ist auf einem Teller auch ein Stück vom ganz großen Steinbutt, das mit der Sauce aus den inneren Werten einer King Crab einen so nachhaltigen Geschmack bezüglich Meer auffährt, dass ein Weißwein aus dem Jura gerade recht als Kontrapunkt kommt.

Einige Produkt-Highlights stammen sogar aus den USA. Etwa die einzeln getauchten Jakobsmuscheln aus Main. Sie müssen drei Tage ruhen und Wasser verlieren, ehe sie ganz kurz auf dem Holz von Maple-Sirup-Fässern auf 40 °C erhitzt werden. Die Innereien der Muscheln werden mit Vin Jaune zu einer cremig-seidigen Escabeche, Fingerlimetten, Forellenkaviar und Feigenblattöl besorgen das Finale. Eine Sensation hinsichtlich Textur und ­Geschmack. An Zubereitungen wie dieser tüfteln Max Natmessnig und Marco Prins oft wochenlang. So war es auch beim Gang mit der Ente. 

Die Vögel werden von einem kleinen Farmer im Hudson Valley bezogen. Etwa drei Wochen Dry-aging und ein Einreiben der geschröpften Haut mit Honig machen das Fleisch unfassbar mürb-saftig. Der Saft entsteht mit den Karkassen in der silbernen Entenpresse aus Paris quasi von selbst. Mit etwas Foie gras findet das Gericht seine Vollendung. Auch der Fleischhauptgang, ein A4-Wagyu (mit Wasabisauce), das über Holzkohle gerade einmal abgeflämmt wird, ist genial einfach wie denkwürdig. „Wir haben dafür einen Bauern in Japan als Vertragspartner. Er liefert exakt nach unseren Vorstellungen das Rib Eye Cap. Wir wollten ganz bewusst A4, damit es nicht zu fett wird.“ 

An die Zeit in der Roten Wand in Lech erinnert dann der letzte Dessertgang, das Fujisan-Brot, jenes mit Karamell und Kardamom gewürzte japanische Brioche, das Natmessnig in den Alpen erstmals kreiert hat. „Es ist eine gute Erinnerung an Japan und jetzt auch an den Arlberg. Für mich ist es der ideale süße Schlusspunkt im Menü. Ein Ende, das dich irgendwie umarmt.“

Voll und ganz in New York angekommen

Die nächsten Karrierejahre scheinen für Max Natmessnig vorgezeichnet zu sein. Gemeinsam mit seiner Frau, der US-Amerikanerin Bekah Roberts, ist er voll und ganz in New York angekommen. Die beiden lernten sich übrigens bei ihrer Arbeit für Daniel Humm im New Yorker The Nomad kennen. Im Chef’s Table at Brooklyn Fare arbeitet Bekah Roberts nicht nur am Weinprogramm, sie ist auch für ein sehr atmosphärisch-emotionales Detail im Restaurant verantwortlich: die Playlist. Und auch wenn da Falcos Junge Römer einen fixen Platz haben, ist sonst kein Heimweh zu bemerken.

Artikel aus A la Carte 06/2024.

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