Der Baustoff Holz erlebt gerade sein Comeback. Er ist leicht, stabil, speichert CO₂ – und kann, einfacher als Beton, hervorragend wiederverwendet werden. Doch diese Wiederverwendung scheitert oft an einem banalen Problem: dem Rückbau. Wenn Gebäude heute abgerissen werden, landet das meiste Material im Container – nicht, weil es schlecht wäre, sondern weil der Abbau zu ungenau, zu mühsam oder zu teuer ist.
Unvergleichliche Präzision
Nun aber tritt ein neuer Akteur auf die Bühne: Robotik im Holzbau, mit der Gebäude lesbar gemacht werden. Roboter haben längst Einzug in die Holzproduktion gehalten. Doch ihr größtes Potenzial entfalten sie erst am Ende eines Gebäudelebens. Neue Systeme können Bauteile erkennen, klassifizieren, millimetergenau lösen und digital erfassen. Sie arbeiten mit 3D-Scannern, Sensorik, maschinellem Sehen und KI-gesteuerten Rückbauplänen. Ein präziser, dokumentierter, materialschonender Rückbauprozess, der Holzbauteile in erstaunlicher Qualität zurückgewinnbar macht, ist etwas, das die Branche bislang nicht kannte.
Der ökologische Nutzen ist enorm. Jeder Holzbalken, der weiterverwendet wird, speichert weiterhin CO₂. Und jedes wiederverwendbare Element, das nicht neu produziert werden muss, spart Energie und Emissionen. Robotische Systeme ermöglichen genau die Präzision, die dafür notwendig ist. Sie trennen Materialien sauber, vermeiden Beschädigungen und sortieren automatisch. So wird aus einer energieintensiven Abrissarbeit eine Kreislaufmaßnahme mit messbarem Klimanutzen. Der Rückbau wird zur Klimaschutzstrategie – nicht als moralischer Appell, sondern als technologisch realisierbare Praxis.
Paradigmenwechsel
Ökologisches Handeln ist schön, aber wirtschaftlicher Nutzen entscheidet, wie schnell sich eine Technologie verbreitet. Genau hier wird die Sache spannend. Denn hochwertige Holzbauteile sind längst zu einer knappen Ressource geworden. Wenn Roboter sie im Rückbau so präzise bergen können wie aus einem Logistikregal, entsteht ein neuer Markt: für den Wiederverkauf von gebrauchten Holzmodulen, für die digitale Lagerhaltung von Bauteilen und für Unternehmen, die Rückbau als Rohstoffgewinnung betreiben. Was früher Abrisskosten waren, wird heute zu einer Mischung aus Rückbaukosten und Materialerträgen.
In einer Branche, die unter Preissteigerungen, Lieferkettenproblemen und CO₂-Regulatorik leidet, ist das ein strategischer Vorteil – und vielleicht das Geschäftsmodell mit Zukunft. Der Paradigmenwechsel: Wir demolieren nicht mehr, wir demontieren. Die Vision der kommenden Jahre ist klar: Gebäude werden nicht nur geplant, sondern dokumentiert, Baumaterialien erhalten digitale Pässe, Roboter lösen Verbindungen, sammeln Daten und sortieren letztendlich die Baustoffe. Vielleicht kann jedes Holzbauteil mehrere Lebenszyklen durchlaufen – je besser der Rückbau, desto länger, und Holzbau Robotics ist damit weit mehr als eine technische Neuerung.
Über den Autor
Bauingenieur Richard Woschitz ist Gründer und Eigentümer der Woschitz Group. Die Woschitz Group ist ein Netzwerk an Ziviltechnik-Büros in Wien, Feldkirchen (RWT Plus), Eisenstadt, Oberwart (Woschitz Engineering) und Mödling (DWP Ingenieure). Dazu kommt das Kompetenzzentrum für die Immobilienbewertung InterREC. Als erste Auslandsgesellschaft wurde 2018 die RWT Plus CZ in Znaim gegründet, später folgte die RWT Deutschland GmbH und jüngst die RWT Schweiz AG.




