
Die Industrie macht einen bedeutenden Teil der Wirtschaft im Burgenland aus. Seit vielen Monaten sprechen sich viele Betriebe im östlichsten Bundesland dafür aus, dass dringend Rahmenbedingungen geschaffen werden müssen, um auf einen Wachstumskurs zurückzukommen. Das belegte eine Umfrage der Industriellenvereinigung Burgenland. Eines der brennensten Themen ist der Fachkräftemangel insbesondere im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik). Mit Initiativen in den Bereichen Bildung und Berufsorientierung sollen bereits heute die Fachkräfte von morgen für eine Karriere in der Industrie begeistert werden. Um mehr über dieses Thema zu erfahren, hat schauvorbei.at mit der Präsidentin der Industriellenvereinigung Heidi Adelwöhrer gesprochen.
schauvorbei.at: Warum ist Industrie für das Burgenland so wichtig?
Heidi Adelwöhrer: Industrie und industrienahe Dienstleister beschäftigen mehr als 14.000 Mitarbeiter. Sie bieten sehr gute Verdienstmöglichkeiten, gute Karrierechancen und sehr interessante Jobs. Zudem haben sie einen großen Anteil an der Bruttowertschöpfung – knapp 30 Prozent. Das ist ein wertvoller Beitrag für unseren Wohlstand. Die Industrie trägt 70 Prozent zu den Investitionen in Forschung und Entwicklung im Burgenland bei. Das andere Drittel kommt von Staatsseite. Zu den derzeit wichtigen Projekten gehört zum Beispiel die Energiewende.
schauvorbei.at: Welchen Mehrwert bietet die Industriellenvereinigung Burgenland?
Heidi Adelwöhrer: Die Industriellenvereinigung Burgenland ist eine freiwillige Interessenvertretung. Wir bieten den Mitgliedern die Möglichkeit zur Vernetzung. Außerdem fungieren wir als Service- und Informationsplattform.
Wir vertreten die generellen industriepolitischen Interessen der Mitgliedsbetriebe gegenüber Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit.
„Gut ausgebildete Fachkräfte sind das Rückgrat der Industrie. Wir brauchen sie.“
Heidi Adelwöhrer
schauvorbei.at: Wie viele Mitglieder sind es im Burgenland?
Heidi Adelwöhrer: Im Burgenland sprechen wir von ca. 100 Mitgliedern.
schauvorbei.at: Inwiefern spielen gut ausgebildete Fachkräfte eine Rolle?
Heidi Adelwöhrer: Gut ausgebildete Fachkräfte sind das Rückgrat der Industrie. Wir brauchen sie.
schauvorbei.at: Gehen Bildung und Kompetenz immer Hand in Hand?
Heidi Adelwöhrer: Bildung und Kompetenz sind eng miteinander verbunden. Bis vor einigen Jahren stand die Wissensvermittlung im Zentrum. Das heißt, Bildung war gleichgesetzt mit Wissen. Derzeit stehen Kompetenzen im Fokus. Seit dem Schuljahr 2023/24 ist für die Volks- und Mittelschule sowie für die AHS Unterstufe ein kompetenzorientierter Lehrplan in Kraft getreten. Dazu zählen übergreifende Themengebiete wie digitale Bildung, Entrepreneurship und Wirtschaftsbildung. All das, was wir tatsächlich brauchen, wurde eingeführt.
„Sowohl die Ausbildung als auch die Berufserfahrung sind wichtig. Ab einem gewissen Grad kann das Know-how die Ausbildung ersetzen.“
Heidi Adelwöhrer
Es geht nicht länger um faktisches, sondern praktisches Wissen. Dazu sei gesagt, dass es auch schon davor Modelle gab, die diesen Fokus setzten. 2017 gab es das Autonomiepaket, das fächerübergreifenden Unterricht und das Erlernen von Schlüsselkompetenzen ermöglichte. Natürlich ist das Engagement der Lehrpersonen und der Direktoren ein individueller Faktor an allen Bildungseinrichtungen, die darüber entscheiden, ob und wie stark diese vermittelt werden. Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten für die Lehrkräfte dazu sind wichtige Hebelpunkte, die noch etabliert werden müssen. Dafür gibt es die Schul-Qualitätsmanager der Bildungsdirektionen. Diese können sowohl bei der Einführung als auch bei der Verbesserung durch ihre Expertise helfen.
schauvorbei.at: Was hat einen höheren Stellenwert: Berufserfahrung oder schulische Ausbildung?
Heidi Adelwöhrer: Ich denke, dass beide Seiten Relevanz haben. Sowohl die Ausbildung als auch die Berufserfahrung sind wichtig. Ab einem gewissen Grad kann das Know-how die Ausbildung ersetzen, insofern das Können und das praktische Wissen durch die Erfahrung, in mehreren Betrieben gearbeitet zu haben, einen hohen Stellenwert in der Jobwelt besitzen.
schauvorbei.at: Wie sehen Sie die derzeitige Situation bezüglich des Fachkräftemangels?
Heidi Adelwöhrer: Es ist ein sehr großes Thema – derzeit etwas abgeschwächt durch die Rezessionsphase, in der wir uns gerade befinden. Allerdings ist der Fachkräftemangel etwas, das uns auch weiterhin begleiten wird. Es gibt die demografische Lücke, da die Babyboomer in großer Zahl in Pension gehen. Daher ist auch die Leerstelle an Fachkräften groß. Diese betrifft uns hauptsächlich in den MINT-Fächern. Das bedeutet, es handelt sich vor allem um Ausbildungen in Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik.
„Ich bin überzeugt davon, dass die Gleichstellung der Geschlechter in der Industrie gegeben ist.“
Heidi Adelwöhrer
schauvorbei.at: Inwiefern haben Sie über die letzten Jahre eine positive Veränderung in diesem Zweig festgestellt?
Heidi Adelwöhrer: Wir als Industriellenvereinigung tun alles, damit wir Buben und Mädchen bereits früh für MINT-Fächer begeistern. Beide Geschlechter sind gleich wichtig. Das möchte ich an dieser Stelle betonen. Dennoch ist das Potenzial, Interesse zu wecken und sie dafür zu begeistern, bei den Mädchen größer, da ein Ungleichgewicht herrscht. Das beginnt bereits bei der Elementarpädagogik – also im Kindergarten.
Aus diesem Grund wurde auch die MINTality Stiftung ins Leben gerufen. Diese wurde von der Industriellenvereinigung mitgegründet. Ihr Ziel ist, Mädchen für technische Fächer zu begeistern. So versuchen wir, selbst an einer positiven Veränderung mitzuarbeiten.
schauvorbei.at: Ist die Gleichstellungsfrage der Geschlechter in der Industrie relevant?
Heidi Adelwöhrer: Ich bin überzeugt davon, dass die Gleichstellung der Geschlechter in der Industrie gegeben ist. Es geht um Ausbildung, Kompetenz und die Frage: Was kann ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin? Dabei haben Frauen sicher die gleichen Chancen wie Männer.
„Eine unserer wichtigsten Aufgaben besteht darin, unsere Interessen zu kommunizieren und Verständnis für die vielfältigen Herausforderungen der Industrie zu erlangen.“
Heidi Adelwöhrer
schauvorbei.at: Was ist das Herausforderndste als Präsidentin?
Heidi Adelwöhrer: Die Zeit. Denn ich habe einen Fulltime-Job als Geschäftsführerin von Neudoerfler Office Systems und daneben mein Ehrenamt als Präsidentin der Industriellenvereinigung Burgenland. Mein Engagement für die Industrie im Burgenland lebe ich sozusagen in meiner Freizeit aus.
schauvorbei.at: Welche Werte sind Ihnen dabei wichtig?
Heidi Adelwöhrer: Für mich stehen Kommunikation auf Augenhöhe und Wertschätzung an oberster Stelle.
schauvorbei.at: Haben Sie weitere Meilensteine im nächsten Jahr geplant?
Heidi Adelwöhrer: Tatsächlich haben wir es schon durchgeplant und es wird ein spannendes Jahr. Das Burgenland wählt im Jänner einen neuen Landtag und mir ist wichtig, mit allen Parteien im Gespräch zu sein und zu bleiben. Eine unserer wichtigsten Aufgaben besteht darin, unsere Interessen zu kommunizieren und Verständnis für die vielfältigen Herausforderungen der Industrie zu erlangen. Natürlich haben wir daneben konkrete Vorhaben, wie zum Beispiel den Physikwettbewerb für Volksschulkinder, den „Pannotechnikus“, mit dem wir das Jahr beginnen.
schauvorbei.at: Danke für das Gespräch!