Landtechnikmuseum St. Michael: Zwischen Leidenschaft & Vergessen
Reinhard Matisovits leitet das Landtechnikmuseum im südburgenländischen St. Michael – ein Ort voller Geschichten, alter Traktoren und technischer Raritäten. Im Interview spricht er über die Faszination Landtechnik, heutige Herausforderungen für Bauern und seine Hoffnung auf mehr Respekt und Achtung für Lebensmittelproduktion und Landwirtschaft.
Wer durch die Hallen des Landtechnikmuseums in St. Michael im Burgenland geht, taucht in eine Zeit ein, in der Pflüge noch von Tieren gezogen wurden und ein Traktor mit 10 PS als Sensation galt. Seit Kurzem steht Reinhard Matisovits dem Museum vor, das sein Onkel Josef Matisovits 1995 eröffnet hat. Im Gespräch mit schauvorbei.at blickt er zurück auf die Ursprünge des Hauses, spricht offen über die Nachwuchsprobleme in der Vereinsarbeit und erklärt, warum Wissen über das bäuerliche Leben wichtige Bewusstseinsbildung ist.
schauvorbei.at: Ihr Onkel hat den Museumsverein 1994 gegründet. Was hat sich seither im Haus getan?
Reinhard Matisovits: Genau, mein Onkel Josef war Landmaschinenhändler und ein Privatsammler. Als es zur großen Umrüstung in der heimischen Landwirtschaft kam, bei der die alten Arbeitsgeräte nach und nach weggeschmissen wurden, hat er sich gedacht: Diese Geräte und Techniken müssen für die Nachwelt erhalten werden! Und so hat er nach Gesprächen mit der Landesregierung 1994 den Verein gegründet, an dem Standort in St. Michael, an dem früher die Firma Nikitscher Metallwaren ansässig war. Das hat sich dadurch ergeben, dass mein Onkel viele Jahre mit Anna Nikitscher liiert war – beide waren verwitwet. Am 8. April 1995 hat das Museum schließlich eröffnet. Damals war das Haus ganz anders gestaltet, die Sammlungen sind gewachsen und alles wurde in Abteilungen gegliedert.
schauvorbei.at: Welche Abteilungen gibt es heute? Reinhard Matisovits: Auf insgesamt 2.700 Quadratmetern überdachter Fläche haben wir rund 2.000 Exponate ausgestellt, in Abteilungen wie Grünland, Ackerbau, Obst- und Weinbau, Handwerk sowie Küche. Wir haben auch einen eigenen Modellraum mit einem Modell vom Bahnhof Güssing, den es seit 1945 nicht mehr gibt. Der Bahnhof passt perfekt in unsere Sammlung, denn dort wurden vor allem landwirtschaftliche Produkte verladen, etwa Holz für den ungarischen Bergbau. Im oberen Stockwerk befindet sich eine Schau über die burgenländischen Volksgruppen und in der Maximilian-Halle gibt es regelmäßig Sonderausstellungen.
Wir hatten im Laufe der Jahre viele Helfer, die das Museum zu dem gemacht haben, was es heute ist. Neben den Gründungsmitgliedern, Anna Nikitscher und meinem Onkel, haben unter anderen Franz Hofer, Josef Wieder sowie Kurt Berka viel bewegt – und natürlich Karl Ertler, der nach meinem Onkel 2004 Vereinspräsident geworden ist. Unter seiner Leitung wurde das Museum mit dem Museumsgütesiegel ausgezeichnet. Ganz wichtige Personen für mich sind außerdem Christine Nikitscher, die seit über 20 Jahren im Vorstand tätig ist, und Nadine Nemeth. Die beiden Damen sind so etwas wie die Schutzengel des Hauses.
Außerdem unterstützen uns viele altgediente Mechaniker, die sich mit der damaligen Technik und den Motoren noch auskennen. Die Jungen können damit leider nichts mehr anfangen. Und das ist schon ein Problem für uns, dass es an Nachwuchs fehlt.
Mir tut das Herz weh, wenn ich sehe, welche Mengen an Essen im Müll landen. Und die derzeitige Entwicklung – alles muss billig und schnell produziert sein – ist weder gut für unser Leben noch für die Umwelt.
Reinhard Matisovits, Leiter des Landtechnikmuseums St. Michael
schauvorbei.at: Sie haben heuer die Führung des Hauses übernommen. Wie kam es dazu? Reinhard Matisovits: Ich habe mein Berufsleben in Wien verbracht und bin dann in der Pension 2016 mit meiner Frau zurück nach Güssing gezogen. Karl Ertler hat mich daraufhin gebeten, wieder vermehrt im Museum tätig zu werden, etwa bei Führungen. 2022 wurde ich in den Vorstand gewählt, und als Karl Ertler im Februar 2025 leider gestorben ist, habe ich die Vereinsführung komplett übernommen. Ich bin auch nicht mehr der Jüngste, mal sehen, wie sich alles entwickelt. Es ist ja kein Nachfolger in Sicht, das macht mir Sorgen.
schauvorbei.at: Was macht die Faszination Landtechnik aus? Reinhard Matisovits: Die meisten Leute haben gar keine Vorstellung davon, welchen Einfluss die Landwirtschaft und die Landtechnik auf das Leben der Menschen hatte. Die Neolithische Revolution vor rund 12.000 Jahren hat zu einem grundlegenden Wandel geführt, ohne den wir heute noch Jäger und Sammler wären. Plötzlich konnten wir unsere Nahrung selbst produzieren, und auch soziale und kulturelle Veränderungen von der Sesshaftigkeit bis zur Arbeitsteilung waren die Folge.
Die Bewirtschaftung der Böden war früher mit erheblichem Aufwand verbunden, man denke nur an die manuelle Aussaat oder die Getreideernte mit Sichel und Sense. Es ist spannend, Einblicke in diese Zeit zu bekommen, und hautnah zu erfahren, wie der Alltag damals ausgehen hat.
Heute werden in der Landwirtschaft moderne Maschinen eingesetzt und der Respekt und das Verständnis für die Lebensmittelproduktion sinken zunehmend. Mir tut das Herz weh, wenn ich sehe, welche Mengen an Essen im Müll landen. Und die derzeitige Entwicklung – alles muss billig und schnell produziert sein – ist weder gut für unser Leben noch für die Umwelt.
Wir versuchen mit dem Museum, den Menschen wieder näherzubringen, welch wichtige Rolle die Landwirtschaft damals wie heute für unser Leben spielt. Insbesondere kleine Kinder im Kindergarten- und Volksschulalter sind meistens total begeistert und merken sich auch einiges.
schauvorbei.at: Können Sie uns einen kleinen Überblick über die Sammlung mit all ihren Highlights geben? Reinhard Matisovits: Für Kinder ist vor allem unsere vollständige Porsche- und Steyr-Traktorensammlung faszinierend – unser ältestes Stück ist mehr als 100 Jahre alt. Dann haben wir eine eigene Halle mit Benzin-, Petroleum-, Diesel- und Elektromotoren. Besonders toll finde ich den Renauer-Motor aus dem Jahr 1907, ein riesiger Benzin-Petroleum-Standmotor mit Verdampfungskühlung und sechs PS. Damals gab es noch keine Zündkerzen, und es ist spannend zu sehen, wie die Technik im Laufe der Zeit weiterentwickelt wurde. Der Renauer-Motor funktioniert sogar noch und wir lassen ihn bei Vorführungen laufen.
Ein weiteres Highlight ist ein Schneckentrieur, ein landwirtschaftliches Gerät, das im 19. Jahrhundert erfunden wurde und ganz ohne Strom Samen unterschiedlicher Form voneinander trennen kann, zum Beispiel das Korn von Unkrautsamen und verschiedene Getreidesorten. Dazu wird das gesamte Material oben in den Trieur gegeben. Im Inneren befindet sich eine Spirale. Durch die Fliehkraft werden die Samen voneinander getrennt und kommen unten an drei Öffnungen heraus.
Zu meinen weiteren Lieblingsobjekten zählen die Mayfarth Dreschmaschine, Blasebalge im XXL-Format und Weinbergspritzen. Aber es gibt unzählige interessante Stücke, und von unseren insgesamt rund 2.000 Exponaten stehen mehr als 70 unter Denkmalschutz.
schauvorbei.at:Bäuerliches Leben einst und jetzt: Wie empfinden Sie die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte? Was war damals gut, was sind die heutigen Vorteile? Reinhard Matisovits: Unsere heimischen Bauern haben früher mit Pferden, Kühen und Ochsen gearbeitet. In den 1950er-Jahren kam es schließlich zur Motorisierung und damit zu einem großen Wandel. Natürlich war der Einsatz von Traktoren eine erhebliche Arbeitserleichterung. Große Flächen konnten fortan viel effizienter bearbeitet werden, weniger Arbeitskräfte wurden dafür benötigt. Die Kehrseite der Medaille: Während große Betriebe, die sich moderne Fuhrparks leisten konnten, wuchsen, gerieten vor allem Familienbetriebe mit kleineren Flächen zunehmend unter Druck. Das Ergebnis sieht man überall, auch in meiner Gemeinde: Die Zahl der Landwirte ist erheblich zurückgegangen und es gibt kaum Nachwuchs. Auch die Qualität des Bodens und die Natur an sich haben unter der Entwicklung gelitten. Wurde früher der Mist von Schweinen und Kühen zum Düngen benutzt, kommt heutzutage verstärkt Kunstdünger zum Einsatz. Und mehrere Tonnen schwere Traktoren führen zu einer Bodenverdichtung, besonders bei unseren lehmigen Böden.
schauvorbei.at: Welche weiteren Entwicklungen erwarten Sie sich in der Landwirtschaft?
Reinhard Matisovits: Die Landwirtschaft wird immer weiter technisiert und die Bauern erhalten immer weniger Geld für ihre Produkte. Damit sind Betriebe gezwungen, entweder zu wachsen, um die Erträge weiter zu steigern, oder sie sind nicht mehr überlebensfähig. Es ist schwer abzuschätzen, wo das hinführt, aber für die Bauern ist es heute schon sehr schwer.
Der Handel spielt dabei eine große Rolle. Die meisten Menschen kaufen im Supermarkt ein und alles soll möglichst billig sein. Die Rechnung zahlt im Endeffekt der Bauer. Denn der Verkaufserlös, der beim Landwirt ankommt, ist im Vergleich zu den Preisen im Handel, wo eine Gewinnspanne aufgeschlagen wird, sehr gering.
Ich habe zum Glück noch einen Fleischer und einen Bäcker in der Umgebung, bei denen ich einkaufen kann. Und ich werfe nichts achtlos weg. Meine Mutter hat immer gesagt: „Essen schmeißt man nicht weg, das ist eine Sünde.“ Es wäre wichtig, das auch der jüngeren Generation verstärkt ins Bewusstsein zu rufen. Man kann den Kindern aber keinen Vorwurf machen, die Eltern müssen es vorleben.
schauvorbei.at: Für 2026 ist eine neue Fotoausstellung geplant. Was wird das Thema sein und woher stammt das Material dafür?
Reinhard Matisovits: In der Maximilian-Halle des Landtechnikmuseums machen wir regelmäßig Sonderausstellungen, zuletzt anlässlich des Jubiläums 100 Jahre Radio. 2026 ist das Jahr der Landwirtin und deshalb sind wir gerade dabei, eine Fotoausstellung über das frühere bäuerliche Leben und Handwerk vorzubereiten. Diese beiden Bereiche gehen Hand in Hand, denn Landwirte hätten ohne Schmiede, Sattler und Wagner nicht existieren können. Beim Material unterstützt uns unter anderen Hermine Glaser, eine analoge Fotografin aus Burgauberg-Neudauberg. Auch in Güssing gibt es einen Fotografen, der noch einiges an Material von seinem Großvater hat.
schauvorbei.at: Wieviele Museen hat auch das Landtechnikmuseum mit Herausforderungen zu kämpfen. Was erwarten Sie für die Zukunft des Hauses?
Reinhard Matisovits: Die Corona-Pandemie hat ihre Spuren hinterlassen. Unsere Besucherzahlen sind noch immer nicht auf dem Vor-Corona-Niveau zurück. Auch der Ukraine-Krieg und die schwierige wirtschaftliche Lage haben sich negativ ausgewirkt. Früher hatten wir viele Busgruppen, Gäste aus Niederösterreich und Oberösterreich, das hat wegen der gestiegenen Preise nachgelassen. Ich will aber nicht klagen, es geht langsam, aber es geht aufwärts.
Man macht sich natürlich Gedanken darüber, wie es weitergehen soll. Ich bin über 70 Jahre alt und hoffe, die Arbeit noch einige Jahre gesundheitlich bewältigen zu können. Wenn mir meine beiden Schutzengel – Frau Nikitscher und Frau Nemeth – die Treue halten, bin ich zufrieden.
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