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20. Mai 2024
International Reise

Afrikas Perle: Mehr als Meer auf Djerba

Tunesien überwältigt mit seiner Vielfalt. Alleine die Mittelmeerinsel Djerba verzückt mit goldenen Sandstränden, glasklarem Meer, alter Kultur und bunten Basaren. Und jeder Ausflug aufs nahe gelegene Festland wartet mit Abenteuerkitzel und Natur pur auf. 

Kamele und Reiter in der Wüste in Douz auf Djerba
Die Sanddünen von Douz kann man auf dem Rücken eines Wüstenschiffs erkunden. © Shutterstock

Homer berichtete einst, Odysseus und seine Mannen seien auf Djerba vor allem dem Rausch der Lotusblüten verfallen. Deshalb hätten sie ihren Plan, irgendwann auch mal wieder heimzureisen, kurzerhand verworfen. Wer die „Insel der Lotusblüten“ schon einmal besucht hat, meldet da aber starken Zweifel an. Nur am halluzinogenen Thrill wird’s wohl nicht gelegen haben. Denn die größte Insel Nordafrikas ­befeuert aus mehreren Gründen die Lust aufs Bleiben. 

Rauf auf den Römerdamm

Rund 3.500 Sonnenstunden im Jahr, Strände ohne Ende, goldener Sand sowie türkises Meer und grüne Palmen generieren in der Regel eher kein Heimweh. All das begegnet einem nämlich auf dem direkt vor Tunesien gelegenen Eiland, das nur über eine einzige Straße erreicht werden kann. Über die flache See gelegt wurde diese sechs Kilometer lange Nabelschnur zum Festland im Jahr 100 nach Christus von den Römern, die ebenso in Djerba landeten.

Alle waren sie da. Auch die Berber, Karthager, Phönizier, Juden, Byzantiner, Araber, Normannen, Spanier, Franzosen, Sizilianer und Osmanen. Da die historischen Stätten der Insel diese Vielzahl an Einflüssen reflektieren und eine traumhafte Liaison mit den optischen Beständen eingehen, schafft Djerba vieles und mehr. Hier kann man über orientalische Märkte flanieren, Synagogen besuchen, abenteuersporteln, sich kulinarisch abreagieren sowie dem Baden und Chillen hingeben. 

Zu den hungrigen Krokos

Schon der erste Ausflug auf Djerba ist erfrischend ambivalent. Er führt in den Djerba Explore Park in Midoun. Der Besuch beginnt im Lalla Hadria Museum, wo man das Panorama der Kunst Tunesiens und der arabo-islamischen Welt bestaunen und danach 450 Krokodile beim Verputzen von Geflügel und anschließendem Dahindösen beäugen kann. Nach dem kleinen Blutrausch ein größerer Kaufrausch? Geht gut! Im Park, der mit seinen Straßen und Plätzen wie ein Dorf angelegt ist, kann man in Cafés, Restaurants und Boutiquen durchaus Geld loswerden. 

Das nächste Highlight der etwas über 500 Quadratkilometer großen Insel ist der im Ort Erriadh gelegene bunteste Fleck Tunesiens. 2014 haben dort Künstler und Einheimische – übrigens Muslime ebenso wie Juden und Christen – ihre Köpfe zusammengesteckt und das Projekt „Djerbahood“ ins Leben gerufen. Dessen Maxime: Lassen wir das Dorf doch schöner und zu einer einzigen Leinwand werden! 

Die 150 Kreativen aus 30 Ländern haben sich daraufhin in einem der ältesten Dörfer des Landes mit 4.500 Sprühdosen ausgetobt, auf Mauern, Türen und Kuppeln verewigt. In historischem Ambiente haben sie ein veritables Streetart-Freilichtmuseum mit 250 famosen Murals entstehen lassen. Im Graffiti-Dorf „Djerbahood“ ranken Krakententakel um Hausecken, verwachsen Bilder mit Palmen, schießen Autos aus altem Gemäuer und gehen natürlich Selfies in Serie. 

Ein Club für alle Fälle

Wen der Gedanke an Cluburlaub bis dato eher nervös gemacht hat, der darf sich entspannen. Meine Erfahrung als Rookie: Das ist nicht nur sehr praktisch. Der Robinson Djerba Bahiya an einem bezaubernden Sandstrand ist der weltweit günstigste Robinson-Club, hat aber deswegen nicht weniger zu bieten. 

Egal ob Group-Fitness, Tennis, Beachvolleyball, Golfen oder Wassersport: Nach längeren Ausflügen, kulinarischen Höhenflügen oder einer „schwaren Partie“ lässt sich in der von der nordafrikanischen Architektur der Insel inspirierten Anlage richtig gut am eigenen Fitnesslevel arbeiten und Sünden vergessen machen. Das für mich Überraschende: Wer sich gar nicht oder nur sporadisch bespielen lassen will, findet in der weitläufigen Anlage ruhige Plätzchen.

Und was wäre ein All-inclusive-Urlaub ohne kulinarische Freuden? Dazu nur so viel: sehr gut, sehr abwechslungsreich und massig Auswahl. Angesichts der Insellage kann man sich vorstellen, was alleine schon an Fisch und anderem Meeresgetier aufgetischt wird. Und das Brotangebot entspricht ungefähr jenem einer großen österreichischen Bäckerei.

Auf zu den Wohnhöhlen

Da es von Djerba auf das tunesische Festland nur ein Katzensprung ist, liegen weitere Ausflüge nahe. Deshalb geht es in den Südosten und den Berberort Matmata im Dahar-Gebirge. Es ist eine Region zwischen Salzpfannen, Gebirgen und Wüste, in der sich die Menschen schon immer gern in die Erde eingegraben haben. Sie leben dort zum Schutz vor Hitze und Kälte in Höhlen. Diese sind kreisförmig um ein breites Loch, ihren Hof, angelegt. 

Da sich der smarte US-Regisseur George Lucas dort offenbar auf einem anderen Stern wähnte, entschloss er sich in den 1970er-Jahren kurzerhand, die Star-Wars-Episoden IV–VI vor Ort zu drehen. Im „Star-Wars-Dorf“ bei Matmata wandeln wir also auf den Spuren von Darth Vader, Luke Skywalker und Prinzessin Leia Organa. Wir erfreuen uns an den unterirdischen Behausungen. Aber nicht ewig, denn es geht bald weiter, nämlich in das auf der Straße nach Douz gelegene und aus dem 8. Jahrhundert stammende Berberdorf Tamezret.

Dieses gleicht einer weißen Festung im Berg. Tamezret heißt übersetzt so viel wie „Man sieht sie von der Weite“, die Feinde nämlich. Das Dorf wurde einst von vier Familien in drei Stufen, von denen jede von einer Mauer umgeben ist, erbaut. Es lässt sich lediglich auf Schusters Rappen erklimmen. Da sich Eindringlinge dort stets nur an Mauern fortbewegen konnten, waren sie schnell ausgemacht. 

Die Lehmziegelhäuser in Tamezret haben nicht nur Zimmer mit gemauerten Wänden. Sie haben auch Wohnhöhlen, von denen versteckte Gänge in die Unterschlüpfe der Nachbarn führen. Mongi Bouras, der das Berbermuseum von Tamezret leitet, kämpft dort mit einer Vielzahl an Geschichten gegen das Vergessen. Er weiß Spannendes über das nordafrikanische Urvolk der Berber ­sowie Dorf und Region zu erzählen. 

Die Wüste ruft

Jetzt geht es die Straße nach Douz weiter, die gegen Osten hin zunehmend versandet. Douz ist Tunesiens größte Oase, von schmucken Dattelpalmen übersät und von mächtigen Sanddünen umgeben. Mit seinen 30.000 Einwohnern handelt es sich um ein durchaus lebhaftes Städtchen, das auch als „Tor zur Sahara“ bekannt ist. 

Wer sich dort an einem Donnerstag aufhält, ist klar im Vorteil, denn da ist in Douz Markttag. Die Händler bauen ihre Stände in den Straßen rund um die Ortsmitte auf. Sie bieten Gemüse, Obst und Gewürze, aber auch jede Menge Nonfood- und Secondhand-Ware feil. Wer vom Markt im Zentrum auch noch eine Treppe hinunter nimmt, sieht Pferde und Kamele den Besitzer wechseln und kann bei der einen oder anderen gemischten Ziegen- oder Schafherde zuschlagen. Einen Besuch im Sahara-Museum von Douz sollte man also eher vor einem tierischen Schnäppchen einplanen. Apropos: Da die Oasenstadt am Rand des größten Sandmeers der Sahara liegt, des Grand Erg Oriental, bietet sich Douz hervorragend für einen Abstecher in die Wüste an. 

Vom Basar zu den Flamingos

Zurück auf Djerba, geht es nach Houmt Souk, dem Hauptort des Eilands. Die Stadt lebt als letzte Station einer bedeutenden Karawanenstraße seit jeher vom Handel. In ihren schmalen und verwinkelten Gassen findet man Hamams und erfreut sich am Duft von Kräutern und Gewürzen am Basar. 

Vom Hafen von Houmt Souk aus geht es zu einem weiteren Highlight Tunesiens, nämlich mit dem Piratenschiff auf die Flamingoinsel. Dort tummeln sich Tausende der knallbunten Vögel auf dem naturbelassenen Stückchen Erde im Mittelmeer. 

Am letzten Tag auf Djerba gehe ich zuerst der Entschleunigung nach. Aber dann werfe ich mich abends doch noch ins Nightlife des Robinson Djerba Bahiya. Das Partyvolk schaut einer Liveband auf die Finger. Es staunt über das breite Portfolio an der Bar, lässt sich vom DJ einen gepflegten Scheitel ziehen und zappelt glückselig über die Tanzfläche. Man ist ja nur einmal jung. Aber sicher bald wieder in Djerba.