×
27. April 2024
International Reise

Art déco in Miami Beach

Die größte Dichte an eleganten, hellen Baujuwelen aus den 1920er- und 1930er-Jahren findet man in Miami Beach. Der Art Deco Historic District begeistert nicht nur Architekturfans, sondern Nachtschwärmer ebenso.

Farbenfrohe Häuserfront im Art Déco Stil hinter Palmen und vor blauem Himmel
Der Ocean Drive in Miami South Beach ist einer der Hotspots für farbenfrohe Architektur im Stil des Art déco. © Getty Images

Vor rund fünfzig Jahren hatte nicht viel gefehlt, und das Art-déco-Paradies wäre von Abrissbirnen dem Erdboden gleichgemacht worden. Dabei hatte es so vielversprechend begonnen. Miami Beach wurde vor mehr als hundert Jahren als amerikanische Version der Mittelmeer-Riviera angelegt. Folglich kamen wohlhabende Industrielle hierher, um dem rauen Winterwetter im Norden zu entkommen. 1914 wurde die dann erste Brücke vom Festland zur Insel Miami Beach errichtet. Damit begann der erste Boom. Zwischen 1920 und 1925 stampfte man hier 56 Hotels, 858 Privatresidenzen und 178 Apartmenthäuser aus dem Boden.

Boom im Krisenjahrzehnt

Vieles wurde 1926 Opfer eines Hurrikans – auch davon profitierte Miami Beach. Eine zweite Baublüte erfasste die Stadt ausgerechnet im Krisenjahrzehnt: Auf den Börsencrash 1929 folgte zehn Jahre später der Zweite Weltkrieg. Damals sprossen kleine Hotels im Art-déco-Stil aus der Erde. Die 1950er- bis 1970er-Jahre machten Miami Beach mit einem hohen Promifaktor weltweit populär. So sangen zum Beispiel Frank Sinatra und Elvis Presley im Luxushotel Fontainebleau. Und im Süden der Stadt trainierte Muhammad Ali, damals noch Cassius Clay, in der Boxschule Fifth Street Gym.

So wie die Wellen des Atlantiks vor Miami Beach von Höhen und Tiefen geprägt sind, verlief auch die Geschichte der Stadt. In den 1970er- und 1980er-Jahren ging es bergab, als die Kokainkrise Florida überschwemmte. Diese brachte Kriminalität sowie eine Verdreifachung der Mordrate mit sich. Aus dem Touristenparadies wurde eine gefährliche Drogenmetropole. Daran erinnert auch die bei uns bekannte TV-Serie „Miami Vice“ mit Don Johnson als Polizist „Sonny“ Crockett. Die Stadt war damals „down“ und verarmte, während die historischen Gebäude immer mehr verfielen.

Miami Beach feiert Wiederauferstehung

Niemand denkt heute mehr daran, dass Bau- und Immobilienspekulanten das reiche Architekturerbe abreißen wollten. Eine engagierte Bürgerinitiative setzte sich erfolgreich dafür ein, die Häuser zu erhalten und zu renovieren. Laut ­dem National Register of Historic Places sind es 800 Art-déco-­Gebäude in Miami Beach, die wieder in den typischen Pastellfarben erstrahlen. Somit zählt der Art Deco Historic District zu den interessantesten Architekturvierteln der Welt.

Wer in diese Welt eintauchen will, bummelt am besten durch die Häuserblocks zwischen der 5th und der 23rd Street. Diese führen entlang des Ocean Drive, der Collins Avenue und der Washington Avenue. Es ist ein quirliges Ausgehviertel voller Lebensfreude und Power, mit vielen Hotels, Restaurants und Bars. Nicht nur am Ocean Drive, der legendären Flaniermeile mit den bunt bestrahlten Art-déco-Fassaden, wird die Nacht zum Tag gemacht. In Miami Beach ist immer Party, heißt es. Luxuriöse Oldtimer-Cabrios sind vor der Kulisse aus Palmen, Strand und Meer ebenso zu Hause wie körpergestählte Schönlinge am Muscle Beach. Ob bei Tag oder Nacht: Hier hört man auf den Straßen vor allem Spanisch. Schließlich sind zwei Drittel der Bewohner Hispanics.

Neuerfindung als Kultur-Hotspot

Intensivere Einblicke in die Architekturgeschichte von Miami Beach gewinnt man im Art Deco Welcome Center im Lummus Park zwischen Ocean Drive und dem weitläufigen Sandstrand. Hier befindet sich das Art Deco Museum, und von hier starten geführte Touren durch South Beach. Immer mehr Gäste aus aller Welt kommen nicht nur wegen Sonne und Meer, sondern wegen der Kunst. Museen und Messen wie die Art Basel Miami Beach machen die Stadt zu einem Kultur-Hotspot. Und bei der Neuausrichtung spielt auch die historische Architektur eine Rolle. So wird Miami seinem Ruf als „Magic City“ gerecht.

Hotels mit dem Flair von einst

Nicht nur ein Muss fürs Sightseeing: In Miami Beach kann man in Art-Déco-Architektur auch stilvoll nächtigen. Die hippe Flaniermeile befindet sich direkt vor der Tür, dahinter eine palmengesäumte Wiese und schließlich der Atlantikstrand. In Miami Beach kann man nirgends besser wohnen als im Leslie Hotel am Ocean Drive. Erbaut wurde das heutige Boutique-Hotel im Jahr 1937 um 75.000 Dollar. Seither zählt es zu den ikonischen Bauwerken im Art-déco-Viertel. Das Leslie Hotel beeindruckt mit symmetrischer Fassade, starken vertikalen und horizontalen Elementen in Gelb, Eckaugenbrauen und einer Zikkurat-Dachlinie. Oben darf man sich übrigens über einen Infinitypool und eine Terrasse freuen. Nach einer umfassenden Renovierung eröffnete das Leslie 2014 neu. Die Neugestaltung der 35 Zimmer verbindet den historischen Charme des Gebäudes mit modernem Style.

Bei Nacht erleuchtete symmetrische, gelbe Fassade des Leslie Hotel in Miami Beach
Das Hotel Leslie am Ocean Drive in Miami ist eines von vielen ikonischen Bauwerken im Art-déco-Viertel. © Helmut Widmann

Die Eigentümer Verónica Medina und Juan Pablo D’Onofrio besitzen auch ein weiteres Art-déco-Juwel in Miami Beach. The Shepley Hotel in der Collins Avenue liegt nur zwei Häuserblocks vom Leslie entfernt. Es wurde im selben Jahr erbaut und beherbergt 29 Zimmer. Obwohl auch das Shepley mitten im Herzen von South Beach liegt, wohnt man in dieser idyllischen Oase ruhiger. Der argentinische Designer Pablo Chiappori renovierte das Hotel mit großem Feingefühl. Dabei achtete er besonders auf die Wahrung des Art-Déco-Erbes. So residiert man mit allem Komfort und spürt trotzdem den Flair der Vergangenheit.

Weiße Fassade des Hotel Shepley im Art-Déco-Stil
Das Shepley ist ein weiteres Art-déco-Juwel in Miami Beach. Hier nächtigt man mit modernem Komfort und dem Flair von einst. © Helmut Widmann