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27. April 2024
Europa Reise

München: Freddie im Paradies

Die Queen-Ikone lebte in den 1980ern jahrelang in München und durchstreifte nächtelang Glockenbach- und Gärtnerplatzviertel. Hier waren Kunst und Kultur ebenso zu Hause wie die Schwulenszene. An der Offenheit und Buntheit der Isarvorstadt hat sich seither nichts geändert.

Freddie Mercury live bei einem Konzert in München
Freddie Mercury in einem T-Shirt des „Ochsengartens“, der ersten Gaybar von ­München. Die kleine schummrige Bar in der Müllerstraße existiert heute noch. © Sammlung Rockmuseum München

Warum zog es den Sänger, der sich gerade auf dem Weg zum Starruhm befand, ausgerechnet in die bayerische Hauptstadt? Es gibt sicher viele Gründe. Martin Arz, Autor zahlreicher München-Krimis und verschiedener Stadtviertelführer, weiß aber einen besonderen. Er antwortet postwendend auf meine Frage: „Freddie Mercury hat sich bei uns in München so wohlgefühlt, weil er hier normal behandelt wurde und nicht als Star – weil in München fühlt sich ja jeder als Star!“ Ganz besonders zu Hause fühlte sich Freddie Mercury in Glockenbach- und Gärtnerplatzviertel. Hier lebte der Queen-Sänger in den Jahren 1979 bis 1985 und fand sein Paradies, seine Party- und Kreativwelt. 

Stelldichein der Musikstars

Denn München war in jener Zeit neben New York, San Francisco und Amsterdam DIE Schwulenhochburg der Welt. Sex, Drugs and Rock ’n’ Roll waren angesagt. Die Münchner Zeit war musikalisch überaus fruchtbar: Fünf Alben wurden in den Musicland Studios von Giorgio Moroder in Bogenhausen aufgenommen. Darunter Hits wie Crazy Little Thing Called Love und Another One Bites the Dust. In diesen Studios gaben sich Stars und Bands aus der ganzen Welt die Klinke in die Hand. Unter ihnen waren Deep Purple, Electric Light Orchestra, Elton John, Iron Maiden, Led Zeppelin, die Rolling Stones und Sweet.

Freddie Mercury genoss die künstlerische Inspiration in München ebenso wie das freie, libertäre Leben. Und das hat in diesem Teil von München unweit des Viktualienmarkts Geschichte, wie Martin Arz erzählt: „Früher war das ein berüchtigtes Ausgehviertel. In Deut­schlands größtem Varietétheater, dem Kil’s Colosseum im Glockenbachviertel, trat zum Beispiel auch Karl Valentin auf.“ Hier war aber auch die käufliche Liebe zu Hause. Eine Mark kostete das schnelle Vergnügen gleich im nächsten Häuserflur. 

Von No-Go zum Luxusviertel

„Bis in die 1980er-Jahre war es hier eine übel beleumundete Gegend, eine No-Go-Area“, weiß Martin Arz. So war die Zeit, als Freddie Mercury hierherkam, die Gegenwart schaut anders aus. Wer durch die Hans-Sachs-Straße mit ihren unter Ensembleschutz stehenden prächtigen Häusern flaniert, kann sich die wilde Vergangenheit des Viertels gar nicht mehr vorstellen.

Reges Treiben in den Schanigärten des Gärtnerplatzes am Abend
Der Gärtnerplatz mit dem Theater ist der Kultur-Mittelpunkt des Viertels. © Thomas Linkel/laif/picturedesk.com

Es ist eine Wohlfühlgegend: Brauhäuser mit lauschigen Gastgärten, Galerien, Schmuckläden und Boutiquen machen das Viertel zu einer der begehrtesten Wohnadressen von München. Dafür muss man tief in die Tasche greifen. 25.000 Euro und mehr kostet da schnell der Quadratmeter. Die teuerste Wohnung der Stadt befindet sich auch im Gärtnerplatzviertel. Im Jahr 2014 wurde an der Stelle eines alten städtischen Heizkraftwerks der Luxus-Wohnturm The Seven errichtet. Der stolze Preis für das rund 600 m2 große Penthouse in den beiden obersten Etagen der Nobelimmobilie soll 15 Millionen Euro betragen haben.

Blick hinter die Kulissen

Wer genauer hinsieht und hinter so manche Kulisse blickt, für den lebt die libertäre Geschichte in diesem Münchner Grätzl weiter. Zum Beispiel in der Deutschen Eiche in der Reichenbachstraße. Außen empfängt einen die gelbe Fassade einer klassischen Traditionsgaststätte, wo im Restaurant gutbürgerlich aufgekocht wird und in den Stockwerken darüber 36 komfortable 3-Sterne-Superior-Zimmer vermietet werden. Diskret verborgen ist aber ein ganz anderes Reich in der Deutschen Eiche, nämlich das sogenannte Badehaus. Dahinter verbirgt sich auf vier Etagen die angeblich größte Herrensauna Europas. 130.000 Besucher pro Jahr und eine Kapazität für 320 Gäste sprechen Bände. Der Rekordzahlen nicht genug, ist die Herrensauna nach Aussage der Betreiber der größte Kondomverbraucher in ganz Deutschland.

Institution „Deutsche Eiche“

Freddie Mercury war während seiner ganzen Zeit in München Stammgast der Deutschen Eiche. Er liebte hier nicht nur die „fucking balls“ am Teller, wie er die traditionellen Knödel nannte. Der Queen-Sänger ist ein Proponent von vielen aus der Kulturszene, die in den letzten 50 Jahren hier ein und aus gingen und die Deutsche Eiche zu einer Institution eines freien, ausschweifenden Lebens machten. 

Front des Hotels Deutsche Eiche in München
Die „Deutsche Eiche“ ist Restaurant und Hotel, beherbergt aber auch Deutschlands größte Männersauna. © Helmut Widmann

Während zum Beispiel Donna Summer ein Jahr lang im vierten Stock wohnte, machte Rainer Werner Fassbinder das Hotel ab dem Jahr 1974 gleich zum dauerhaften „zweiten Wohnzimmer“, woran eine kleine Ausstellung im Treppenhaus erinnert. Aber auch Stars wie David ­Bowie, Robert de Niro, Nastassja Kinski, Jean Paul Gaultier und Pink gaben sich in der Deutschen Eiche ein Stelldichein. Diese blickt auf eine fast 160-jährige ­Geschichte zurück, wurde sie doch bereits im Jahr 1864 gegründet, als eines der ­ersten Häuser des neuen Gärtnerplatzviertels

Zu schrecklicher Berühmtheit brachte es übrigens ein ganz anderer Stammgast der Deutschen Eiche: Adolf Hitler. Das höre ich, als mir beim Abendessen ausgerechnet Hitlers damaliger Stammtisch zugeteilt wird. Ein kleiner Seitenhieb auf meine Herkunft als Ösi?

Freddie-Mercury-Tour

Kommen wir aber lieber zurück zu Freddie Mercury. Eine der besten Kennerinnen seiner Münchner Jahre ist Christine Schneider. Sie lädt Interessierte zu einer speziellen zweieinhalbstündigen Freddie-Mercury-Tour ein, die vor allem durch das Glockenbach- und Gärtnerplatzviertel führt. Ihre Termine an Wochenenden und Feiertagen sind heiß begehrt. Kein Wunder, denn Christine Schneider sprüht nur so vor Begeisterung, führt zu jenen Plätzen, wo die Musiklegende lebte, liebte und feierte. 

Wir spazieren durch die Blumenstraße. „Hier war früher die Bar Frisco“, erzählt die Expertin. „Freddie Mercury war oft in diesem Club und lernte hier Barbara Valentin kennen, mit der er dann eine richtig toxische Beziehung führte.“ Wir flanieren weiter in die Müllerstraße zum Pimpernel, einem der Clubs im Glockenbachviertel mit schillernder Vergangenheit. In den 1930er-Jahren unter dem Namen „Red Cat“ als Rotlichtlokal eröffnet, etablierte es sich in Mercurys Münchner Jahren als Homosexuellenbar. Gleichgeschlechtliche Sexualität war bis zum Jahr 1994 noch strafbar. Also lebte man sie vorsichtig aus, versteckt in den einschlägigen Clubs. Zur Szene zählten neben Freddie Mercury unter anderen auch Prominente wie Richard Chamberlain, Ivan Rebroff, Leonard Bernstein und Walter Sedlmayr.

Während sich das Pimpernel zum angesagten Szeneclub für alle Geschmäcker gewandelt hat, ist das nächste Etablissement, wo Freddie Mercury intensiv verkehrte, seiner Tradition treu geblieben, nämlich der Ochsengarten. An der Tür schon die klare Ansage: „Men only“. Ausnahmen werden nur beim wöchentlichen SM-Stammtisch gemacht. Es ist Mittag, der Club hat erst vor Kurzem geschlossen. Gerade räumt ein Mann die Reste der letzten Partynacht weg. „Wollt ihr mal rein?“, fragt er freundlich. Das lassen wir uns nicht entgehen. Die Wand gegenüber der Bar ziert einschlägige Plakatkunst. Neben Männern in Lack und Leder strahlt mich Freddie Mercury mit seinem markanten Schnauzer an, aufgenommen bei einem seiner viel umjubelten Konzerte. Ja, es war damals sicher eine wilde Zeit. Und ja, die Freiheit kann man heute noch in München ausleben.

Lieblingsplätze des Intendanten

Ein München-Experte ist auch der Österreicher Josef Ernst Köpplinger (58), der seit mehr als zehn Jahren Staatsintendant des Gärtnerplatztheaters ist. Er erzählt von seinen Lieblingsplätzen in Glockenbach- und Gärtnerplatzviertel:

Josef Ernst Köpplinger, Staatsintendant des Münchner Gärtnerplatztheaters
Josef Ernst Köpplinger, Staatsintendant des Münchner Gärtnerplatztheaters © Markus Tordik

„Am Gärtnerplatz vor unserem Staatstheater sind die Seitenstraßen sternförmig angelegt. In ihnen findet sich von Gastronomie über Boutiquen bis hin zu Galerien alles, was das Herz begehrt. In der Nähe ist auch das Hotel und Restaurant Deutsche Eiche, einer meiner Lieblingsorte im Viertel. Für uns Theaterleute ist das eine wunderbare Möglichkeit für ein spätes Abendessen. 

Die Vielfalt vor allem durch das queere Leben im Glockenbachviertel ist ganz besonders hervorzuheben, es ist eines der offensten und freiesten Viertel von München. Mich zieht es aber auch gern zum nahe gelegenen Viktualienmarkt, ein richtiger Markt mit Marktstandlern, wo das Hauptaugenmerk auf gute Produkte gelegt wird. Gehen wir vom Gärtnerplatz in eine der anderen Straßen des Sterns, finden wir das Hotel Olympic in der Hans-Sachs-Straße, ein wirklich imposantes und interessantes Hotel mit einer wunderbar persönlichen Betreuung.

Mein Geheimtipp ist der Salon Pitzelberger direkt im Gärtnerplatztheater: eine Nachtbar mit Liveauftritten und einem ganz gemischten Publikum in einer Baratmosphäre, bei der die Musik nicht zu laut ist, sodass man sich auch nach den Theater- und Opernbesuchen gut unterhalten kann. Wer bei seinem Spaziergang durch das Viertel Hunger bekommt, sollte unbedingt in der Corneliusstraße im sehr beliebten Neuhauser, einem italienischen Restaurant, reservieren. Ich schätze das Lokal sehr, da dort vom späten Frühstück bis spät in die Nacht für jeden und auch für uns Künstler immer ein Essen ­bereitsteht. Ein Besuch im buntesten Viertel der Stadt ist also immer lohnenswert, weil ein Spaziergang durch Gärtnerplatz- und Glockenbachviertel eine Bereicherung für Herz und Hirn ist.“

Hoteltipp: Hideaway in der City

Beim Hofbräuhaus gleich um die Ecke und am Marienplatz ist man zu Fuß in drei Minuten. Das Cortiina in der ­Lederergasse punktet aber nicht nur durch seine exzellente Lage. Im Boutique-Hotel fühlen sich Design­fans sofort wohl, sie sind aber nicht die Einzigen. In den 75 Zimmern finden sich ausschließlich hochwertige Materialien wie Mooreiche, Jura- und Naturstein, Leinen und Bronze.

Ein Zimmer des Münchner Designhotels Cortiina
Das Hotel Cortiina liegt mitten im Herzen Münchens und punktet mit stilvollem Design. © Hotel Cortiina

Die Hoteliers des Cortiina haben auch in der Münchner Innenstadt gleich mehrere besondere kulinarische Impulse gesetzt. Unbedingt zu empfehlen ist ein Besuch des Restaurants Brenner Operngrill neben der Oper, beheimatet in der beeindruckenden Säulenhalle des ehemaligen Marstalls. Ganz der französischen Küche verschrieben hat sich das Bistro Buffet Kull in der Marienstraße. Oder Lust auf italienische Genüsse? Dann wäre etwa ein Lunch in der schicken Riva Bar im Tal oder in der Bar Centrale gleich vis-à-vis vom Cortiina anzuraten. ­Garantiert nicht versäumen sollte man die Grapes Weinbar im Erdgeschoß des Hotels. Das Sortiment aus der ganzen Welt weiß jeden Weinliebhaber zu begeistern. Hier wird übrigens auch das Frühstück eingenommen, eines der besten der Stadt.