Das Theaterfest Niederösterreich feiert sein 30-jähriges Jubiläum. Das ist nicht nur einen Anlass zum Feiern, sondern auch dafür, Rückblick in diese bemerkenswerte Entwicklung in der regionalen Kulturlandschaft zu halten. Mit zwanzig Spielorten und einem facettenreichen Programm aus Oper, Operette, Musical und Theater ist das Theaterfest eine einzigartige Institution, die über die Grenzen Niederösterreichs hinaus strahlt. Ein Höhepunkt im diesjährigen Programm der Sommerspiele Berndorf ist das Stück „Pension Schöller“, das von Intendantin Kristina Sprenger ausgewählt wurde, um ihr zehnjähriges Jubiläum in Berndorf zu feiern.
schauvorbei.at: Das Theaterfest Niederösterreich feiert 30-jähriges Jubiläum. Was bedeutet das?
Theater-Obfrau Kristina Sprenger: Die Geschichte des Theaterfests Niederösterreich ist insofern interessant, als hier Pionierarbeit geleistet wurde. Vor 30 Jahren gab es schon Spielorte, die mehrere Jahre erfolgreich waren. Dann haben die Intendanten beschlossen, sich zusammenzutun und ihre Kräfte zu bündeln. Es gab nur fünf Gründungsmitglieder. Jetzt sind wir zwanzig. Man kann also durchaus von einer Erfolgsgeschichte sprechen. Genauso wie die Mitglieder sind auch die Zuseher mit uns gewachsen. Sie halten uns jedes Jahr die Treue. Das zeigt, dass die Qualität sich durchgesetzt hat.
Das Publikum hat sich seit den Anfängen insofern geändert, als es anspruchsvoller geworden ist. Es ist wie bei anderen Medien, die Auswahl hat sich vergrößert. Somit haben die Menschen die Qual der Wahl. Man muss sich noch mehr hervortun und auffallen, um das Publikum zu begeistern. Das gelingt uns jedes Jahr. Ich hoffe, das bleibt auch in den nächsten dreißig Jahren so. Es ist einfach schön, dass das ganze Bundesland involviert ist. Ein solches Event gibt es in ganz Österreich nicht, wo flächendeckend Kunst und Kultur in allen vier Sparten angeboten wird. Dazu gehören Oper, Operette, Musical und Theater. Das macht das Theaterfest Niederösterreich so besonders.
schauvorbei.at: Welche Bedeutung hat dieses Jubiläumsjahr für Sie?
Kristina Sprenger: Ich muss sagen, ich bin fast dreifach davon betroffen. Denn zu dreien der Gründungsmitglieder habe ich eine besondere Beziehung. Elfriede Ott war meine Lehrerin am Konservatorium der Stadt Wien. Sie war damals Intendantin der Maria Enzersdorfer Festspiele. Mit Jürgen Wilke habe ich zwei Tourneen mit „Der grüne Wagen“ gemacht. Er war damals Intendant in Laxenburg. Und dann war da natürlich noch Felix Dvorak als Intendant in Bernstein, er war Gründungsmitglied. Somit hat dieses Jubiläumsjahr für mich eine ganz besondere Bedeutung. Es ist eine große Ehre, jetzt schon das dritte Jahr diesem Theaterfest als Obfrau vorstehen zu dürfen. Dabei sind es große Fußstapfen, in die ich trete. Aber ich freue mich, dass ich diese große Dachmarke, die zwanzig Spielorte umfasst, vertreten darf.
schauvorbei.at: Was ist das Schönste an Ihrem Ehrenamt?
Kristina Sprenger: Das ist das verbindende Element. Zwanzig Spielorte, wobei jeder sein eigenes Genre hat, mit zwanzig verschiedenen Persönlichkeiten an der Spitze, die alle ihren eigenen Stil haben. Trotzdem schaffen wir es, unsere Kräfte zu bündeln. Ich bin ganz gerne Mutter der Kompanie. Das war schon an der Schauspielschule so und ist es auch jetzt als Intendantin. Denn ich mag es, zu organisieren und führe gerne zusammen. Dabei immer im regen Austausch zu sein, ist das Schöne daran und gleichzeitig eine Herausforderung. Allem voran, dass man durch die unterschiedlichen Bedürfnisse, die es gibt, eine große Abwechslung in der Aufgabenstellung erlebt.
schauvorbei.at: In diesem wunderschönen Mosaik an Theater-Spielstätten, worin liegt das Besondere an Berndorf?
Kristina Sprenger: Berndorf ist etwas ganz Besonderes, weil wir ein historisches Theater haben, das schon weit über hundert Jahre alt ist. Dort gibt es die wunderschöne Theater-Architektur von Helmer und Fellner, die die Akustik und das Ambiente einzigartig macht. Es ist auch eine Erfolgsgeschichte, weil Felix Dvorak 23 Jahre und Michael Niavarani drei Jahre ein tolles Publikum aufgebaut haben. Ich darf jetzt das zehnte Jahr Intendantin sein, und man spürt eine Freude bei den Menschen, wenn sie zu uns kommen. Es ist bereits das 26. Mal, dass ich eine Produktion in Berndorf leite. Oft haben wir zwei oder drei Stücke im Jahr aufgeführt. Für mich ist es eine unglaublich schöne Aufgabe, die Stücke und die Besetzung auszuwählen und das Team zusammenzustellen. Ich würde sagen, der Erfolg gibt uns recht. Wir haben jedes Jahr eine großartige Auslastung mit über 90 Prozent. Da merkt man einfach, dass es bei den Menschen ankommt.
schauvorbei.at: Warum haben Sie gerade das Stück „Pension Schöller“ ausgewählt?
Kristina Sprenger: Es ist mein zehnjähriges Jubiläum als Intendantin in Berndorf. Da musste natürlich die Mutter aller Komödien auf die Bühne. Denn ich habe Berndorf als Komödienstandort übernommen. Das heißt, im Sommer gibt es eine große Boulevardkomödie, während im Herbst ein Konversationsstück mit durchaus nachdenklichen Elementen auf die Bühne kommt.
Das Original des Stücks „Pension Schöller“ ist aus dem Jahr 1890 und de facto nicht mehr spielbar. Meistens wird mit der Fassung von Hugo Wiener aus den 80er-Jahren gearbeitet und diese adaptiert. Genauer gesagt aus dem Jahr 1978, legendär inszeniert von Heinz Marecek mit Maxi und Alfred Böhm, kann ich Ihnen sagen! Allerdings ist das bereits eine eigene Fassung. Wir haben es gewagt, vom Original wegzuarbeiten. Robert Kolar und Alexander Kuchinka haben eine großartige Fassung erstellt. Es ist natürlich im Kern dasselbe Stück geblieben. Ich habe 13 Jahre mit Heinz Marecek gedreht. Er ist „The Godfather“ von „Pension Schöller“. Damit hat er Theatergeschichte geschrieben. Anfang der 90er hat er diesen Erfolg nochmal wiederholt mit Ossy Kolmann und Helmuth Lohner als Onkel und Neffe. Dabei hat er bei den Kammerspielen erneut Regie geführt. Es war wieder ein absoluter Straßenfeger.
Somit war es quasi in meiner DNA, dieses Stück auszusuchen. Nachdem mein „Film-Vater“ damit schon so erfolgreich war, wusste ich, das muss ins Programm. Es ist aber nicht von vornherein eine „g’mahte Wies’n“, denn es muss dennoch gut gespielt sein, weil es so viele gute Beispiele für die Umsetzung gibt. Man muss sich mit den Besten messen. Das ist uns mit dieser Fassung, der wunderbaren Regie und der großartigen Besetzung gelungen, denke ich. Ich bin guter Dinge und der Vorverkauf gibt uns auch recht. Denn die Karten sind bereits sehr gut verkauft. Es gibt nur mehr am Rang hinten oben Plätze. Da probt es sich dann doch leichter, wenn man weiß, dass das Haus voll sein wird.
schauvorbei.at: Auf welche Highlights und Adaptionen dürfen sich die Besucher freuen?
Kristina Sprenger: Im Original gibt es die Figur einer Schriftstellerin. Ich spiele eine Journalistin, die an einem Gesellschaftsroman arbeitet, nervtötend ist und durchaus „kassandrische“ Momente hat. Denn meine Figur schreibt alles auf, was passiert, und schreibt auch Dinge nieder, die danach geschehen. Ich spiele also einen Charakter, der leicht hellseherische Fähigkeiten hat. Aus dem Großwildjäger haben wir einen Insektenforscher gemacht. Diesen wird Reinhard Nowak verkörpern. Die kleinen Tierchen sind dann in der in die Jahre gekommene Pension Schöller zu finden. Aus dem Militärkommandanten wird ein suspendierter Major mit absolutem Verfolgungswahn, gespielt von Serge Falck. Seine Figur glaubt die ganze Zeit über, dass sie bespitzelt wird. Aus dem Direktor des Hauses haben wir eine Direktorin gemacht. Für diese Rolle haben wir Bigi Fischer gewonnen.
Ein Unterschied zum Original ist, dass alle auf der Suche nach Geld sind. Zum Beispiel meine Figur nach Kapital für ihren Roman, der Nächste für eine Insektenexpedition, die Direktorin, um das Haus zu renovieren. Das Ganze spielt aber nicht in der heutigen Zeit, sondern in den 80er-Jahren. Es wird große Frisuren geben mit vielen „toupierten“ Momenten und Schulterpolstern. Wir werden die 80er-Jahre wieder aufleben lassen. Das bedeutet, es wird nicht nur die Geschichte eine Freude sein, sondern auch die Ausstattung. Von daher kann man sagen: Wir lassen es richtig krachen!
schauvorbei.at: Wenn man noch nie in Berndorf war, was sollte man dann gesehen haben?
Kristina Sprenger: Berndorf ist eine unglaubliche Stadt. Früher war es eine kleine Stadt, in der dann von Arthur Krupp – dem Erfinder des Berndorfer Bestecks – eine Fabrik gebaut wurde. Er baute dort Zivilisation mit Schulen und Kirche auf. Deswegen gibt es aus dieser Zeit, Ende des 19. Jahrhunderts, unglaublich schöne Häuser, Kirchen und das wunderbare Theater mit Park. Auf den Spuren von Arthur Krupp kann man in Berndorf sehr vieles erleben.
Zum Beispiel wollte er damals auch, dass die Kinder, die in Berndorf lebten, die Möglichkeit haben, ihren Horizont zu erweitern. Nachdem die Menschen damals aber nie ihr Dorf oder die Gegend verließen, in der sie lebten, hatte er folgende Idee: Er hat die Volksschule wie auch die jetzige Mittelschule so gestaltet, dass jede Klasse eine eigene Stilrichtung verkörpert. Dazu gehört zum Beispiel das Byzantinische, das Ägyptische und das Barocke. Dort werden auch heute noch Kinder unterrichtet. Und man kann diese „Stilklassen“ – so nennen sie sich – heute noch besichtigen. Dieser Mann war ein Visionär. Vor allem, wenn man darüber nachdenkt, dass jemand auf die Idee kommt, Kindern Geschichte und Weltoffenheit näherzubringen, indem man die Klassenräume gestaltet. Das wäre heute eigentlich auch noch ein guter Ansatz. Es ist etwas ganz Besonderes, das weltweit einzigartig ist. Unbedingt anschauen!
schauvorbei.at: Vielen Dank für das Gespräch!
Foto: © Andreas Tischler