Wiener Opernsommer mit Klassiker „Don Giovanni“

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Der Sommer in Wien wird dieses Jahr um eine spektakuläre Attraktion reicher: den Wiener Opernsommer. An einem der geschichtsträchtigsten und schönsten Orte der Stadt, dem Oberen Schloss Belvedere, wird die einzigartige Open-Air-Opernreihe „Don Giovanni“ stattfinden. Dieses innovative Projekt verspricht, die klassische Musikszene der Stadt zu bereichern und Opernfreunden sowie -neulingen ein unvergessliches Erlebnis zu bieten. Deswegen hat schauvorbei.at Intendant Joji Hattori und Hauptdarsteller Thomas Tatzl zum Interview gebeten und bereits erste Eindrücke gewonnen.

schauvorbei.at: Können Sie uns einen Einblick in die Mission des Wiener Opernsommers geben?
Intendant Joji Hattori:
Wie der Name schon sagt, wollen wir der Stadt Wien Opern im Sommer bringen. In den zwei Sommermonaten sind alle Opernhäuser geschlossen. Zusätzlich ist es wirklich schon lange her, dass es Open-Air-Opernvorstellungen in Wien gab. Als Kulisse dient das Obere Schloss Belvedere. Dieses wird dann auch Teil der Bühne. Das ist natürlich ein spektakulärer Ort, um eine Oper aufzuführen. Generell wollen wir Opern für viele Menschen zugänglich machen. Dazu gehören natürlich die Oper-affinen Fans, aber auch Menschen, die nicht so oft ins Opernhaus gehen. Es ist im Freien und daher von der Atmosphäre lockerer als das klassische Setting.

Außerdem haben wir die langen Rezitative auf Italienisch mit deutschen Dialogen ersetzt. Das heißt, es gibt immer fünf Minuten schöne Musik von Mozart oder eine bekannte Arie, und dann folgt ein lustiger Dialog. In diesen haben wir auch Kabarettelemente eingebaut. Don Giovanni muss zwar am Ende sterben, aber bis es dazu kommt, ist es sehr lustig. Beispielsweise, wenn er verschiedene Frauen – eine nach der anderen – verführt. Also ist es eigentlich eine Komödie. Nach den Dialogen kommt wieder die originale, schöne Musik von Mozart. Das bringt Abwechslung und wird die Menschen unterhalten – auch Familien.

schauvorbei.at: Inwiefern spielt Wien als Standort eine Rolle für den Wiener Opernsommer?
Intendant Joji Hattori: Wien wird oft „die Hauptstadt der klassischen Musik“ genannt. Tatsächlich haben die großen historischen Komponisten – Beethoven, Schubert, Mozart, Haydn – im 18. und 19. Jahrhundert in Wien gelebt. Deshalb gibt es auch sehr viele Besucher, die im Sommer in die Stadt kommen und sich diese historischen Aspekte ansehen wollen.

Hauptdarsteller Thomas Tatzl: Bisher hat es so etwas noch nicht gegeben. Deswegen finde ich es super, jetzt beim ersten Mal bei dieser tollen Idee dabei zu sein.

schauvorbei.at: Wie wählt man denn die Künstler und die Stücke aus?
Intendant Joji Hattori: Ich wollte diesen Sommer mit „Don Giovanni“ anfangen. Grund dafür war, dass erstens diese Oper sehr gut zur Kulisse passt. Denn es gibt eine Hochzeit in einem Schloss und dieser Don Giovanni besitzt viele Schlösser. Das steht im Libretto. Abgesehen davon ist es eine Thematik, die zeitlos ist. Frauenhelden, die leider ihren Frauen nicht sehr treu bleiben. Am Ende wird er dafür bestraft. Und natürlich ist Mozart einer der bekanntesten Wiener Komponisten. Wir haben Künstler gesucht, die in Wien leben oder zumindest einen starken Bezug zur Stadt haben. Gerade bei der Titelrolle, die die wichtigste Rolle ist, wollten wir jemanden, der genug Erfahrung hat. Wir sind ganz glücklich, dass Thomas Zeit hatte, die Rolle zu übernehmen. Er ist international bekannt als Mozart-Bariton. Es ist super, dass du dabei bist!

Hauptdarsteller Thomas Tatzl: Ja, ich freue mich sehr. Als man mich gefragt hat, habe ich nicht gezögert und gleich zugesagt, weil ich es als großartiges Projekt empfunden habe. Es war mir anfangs noch nicht klar, wie es genau ablaufen wird oder was es genau sein wird, aber man hat es mir in groben Zügen erklärt und da konnte ich gar nicht anders.

schauvorbei.at: Ich hatte mal ein Interview mit einer Schauspielerin, die gesagt hat: „Nichts ist nur gespielt.“ Kannst du dich mit der Rolle des Don Giovanni irgendwie identifizieren, Thomas?
Hauptdarsteller Thomas Tatzl: Ja, das kann man so sagen. Es ist eigentlich eine ganz lustige Geschichte mit dieser Rolle, denn ich hätte sie schon oft verkörpern sollen. Schon zu Beginn meines Studiums hatte ich so ein Angebot, aber aus Zeitgründen ist dann nichts daraus geworden. Obwohl alle immer gesagt haben, die Rolle passt stimmlich und auch als Typ gut zu mir. Es gab an Opernhäusern auch Produktionen, die angesetzt wurden und bei denen ich bereits zugesagt hatte, die aber durch andere Stücke ersetzt wurden. Einmal war es schon fix geplant, dass ich den Don Giovanni spiele. Aber dann wurde das Stück gegen „Falstaff“ getauscht und ich habe den Ford verkörpert. Natürlich hat es Spaß gemacht, einen Ausflug zu Verdi zu machen, aber Mozarts „Don Giovanni“ wäre mir lieber gewesen.

Jetzt ist es endlich soweit, dass es dazu kommt. Noch dazu in Wien und in diesem schönen Umfeld. Alles an diesem neuen Projekt ist spannend. Ich finde es wirklich großartig und das Team ist auch sehr nett. Die Rolle hat mich schon von Anfang an gefangen genommen. Nicht nur, weil ich sie in- und auswendig gekannt habe, sondern auch, weil ich sie schon so oft in der Oper gesehen und gehört habe. Ich denke, dass die Rolle zu mir gehört.

Intendant Joji Hattori: Es ist wirklich perfekt, weil Thomas eine verführerische Stimme hat. Don Giovanni ist ein Aufreißer und Macho. Aber nach außen hin ist er ein guter Verführer und immer sehr sanft. Genau nach diesem Sanften mit dem dazugehörigen Schlafzimmerblick wurde auch die Musik komponiert. Wenn Don Giovanni singt, dann lässt er alle Frauen dahinschmelzen. So lyrisch singt auch Thomas seine Rolle. Das habe ich schon in den ersten Proben gehört und das finde ich wunderschön und passend.

schauvorbei.at: Wie ist denn das Untereinander mit den Schauspielkollegen?
Hauptdarsteller Thomas Tatzl: Ich habe noch nicht alle getroffen. Die Proben haben gerade erst begonnen. Aber die, die ich bis jetzt kennengelernt habe und teilweise schon gekannt habe, machen eine wunderbare Stimmung. Es sind einfach nette und professionelle Kollegen und es ist ein schönes Miteinander. Ich freue mich schon auf die nächsten Probenwochen und darauf, gemeinsam etwas zu erschaffen. Das geht natürlich nur, wenn man sich wohlfühlt und man in einem Team ist, dass zusammenhält. Und ich habe das Gefühl, dass das mit diesem Team so etwas werden kann.

schauvorbei.at: Wie ist die Idee zum Wiener Opernsommer entstanden?
Intendant Joji Hattori: Die Idee selbst ist aus einem Gespräch entstanden mit den Regisseur Dominik Am Zehnhoff-Söns. Er ist ein wunderbarer Regisseur, aber auch ein guter Freund. Wir hatten in einer anderen Stadt viele Opernaufführungen – auch Open Air – organisiert. Aus finanziellen Gründen hat sich dieses Festival aber entschlossen, nicht mehr Opern aufzuführen, sondern andere Produktionen. Das ist alles auch überhaupt kein Problem. Aber wir sind frei geworden und haben gedacht, was wollen wir als Nächstes tun? Wir hätten uns natürlich auch bewerben können für ein existierendes Festival, aber wir haben gedacht, vielleicht wäre es noch interessanter, etwas Neues zu gründen. Dann sind wir auf diese unglaubliche Marktlücke gestoßen, dass die Stadt Wien von allen Städten der Welt keine Open-Air-Opernvorstellungen bietet. Auch weil die Welt immer wärmer wird, lieben die Menschen im Sommer Veranstaltungen im Freien. Dazu haben wir uns verschiedene Orte angeschaut.

Ich bin ein Alt-Theresianist. Dieses Wort beschreibt die Tatsache, dass ich im Theresianum – so heißt ein Gymnasium in Wien – maturiert habe. Diese Schule im vierten Bezirk hat einen sehr großen Park, und dort eine Oper zu veranstalten, wäre auch eine Möglichkeit gewesen. Weil die Schule im Sommer geschlossen ist und sie uns den Park vermieten hätten können. Aber dann sind wir darauf gekommen, am besten wäre es vor dem vielleicht – ästhetisch gesehen – schönsten Schloss Österreichs, wenn nicht Europas: dem Oberen Belvedere. Das verdanken wir Prinz Eugen, der es mit diesem grünen Dach erbauen ließ. Das ist ein besonderes Image. Denn jeder, der die Stadt Wien kennt, weiß auch vom Belvedere. Es ist in meinen Augen genauso berühmt wie der Stephansdom.

Außerdem hat es einen unglaublich tollen Park. Wenn man nach hinten geht, gibt es den sogenannten Canaletto-Blick auf ganz Wien. Da haben wir gedacht: „Das wäre der ideale Ort.“ Das Schloss gehört dem Staat und wird von der Burghauptmannschaft verwaltet. Wir haben sie überreden können, dass es ein großes Plus für die Stadt wäre. Sie ist sogar Kooperationspartner als Mitveranstalter. Statt einer hohen Miete bekommen sie Freikarten, die sie wiederum an soziale Einrichtungen weiterschenken können. Das ist auch ein Aspekt, der uns an dieser Idee sehr gut gefällt. Zudem hat Wiens Bürgermeister Michael Ludwig uns seinen Ehrenschutz gegeben. Das heißt, auch er ist begeistert, dass wir im Sommer in seiner Stadt Opern aufführen.

schauvorbei.at: Was für eine Atmosphäre wollt ihr kreieren?
Intendant Joji Hattori: Thomas, was möchtest du für eine Atmosphäre für dein Publikum? Sollen sich die Männer, die drinsitzen, ärgern und neidisch werden?

Hauptdarsteller Thomas Tatzl: Eher nicht! Die sollten eigentlich mitlachen und sich so fühlen, als würden sie gerne in meiner Rolle stecken – zumindest bis zum Schluss. Oder es einfach lustig finden. Ich würde mich freuen, wenn sich die Zuschauer amüsieren und wenn es ihnen wirklich gefällt. Dass sie schätzen, was ihnen dargeboten wird. Die Stimmung, die man dabei erzeugt, sollte eine total positive sein.

Wie du schon erwähnt hast, Joji, die Dialoge sind wirklich sehr lustig geschrieben. Außerdem werden die Zuseher jedes Wort verstehen. Da sollte es den einen oder anderen Lacher geben. Davon bin ich überzeugt. Das muss man dementsprechend rüberbringen. Was die Kollegen sicher sehr gut machen werden. Bei vielen Opern sagen die Menschen: „Klingt ja sehr schön, aber ich verstehe nichts.“ Bei uns kann das nicht passieren. Außerdem gibt es für Touristen und englischsprachige Personen Untertitel, die man am Handy lesen kann. Es ist wirklich an alles gedacht worden.

Intendant Joji Hattori: Ich sage immer, dass wir im „Zauberflöten“-Stil „Don Giovanni“ präsentieren. Was bedeutet das? „Die Zauberflöte“ ist die meistgespielte Oper im deutschsprachigen Raum und die meistgespielte Oper von Mozart. Natürlich ist die Musik in der „Zauberflöte“ wunderschön, aber sie ist nicht schöner als die in anderen Opern, wie zum Beispiel „Don Giovanni“. Der einzige Grund, warum „Die Zauberflöte“ als Einsteiger-Oper für Jugendliche empfohlen wird, ist nicht die Musik, sondern dass zwischen den schönen Musikstücken Dialoge stattfinden anstatt der gesungenen Rezitative. Die mögen schön klingen, aber man versteht den Text nicht so gut. Eigentlich kann man diesen Stil, den wir kreiert haben, bei jeder Oper anwenden.

schauvorbei.at: Gibt es eine Botschaft, die ihr dem Publikum mitgeben möchtet?
Intendant Joji Hattori: Es gibt immer die Frage nach dem Sinn der Kunst. Erstens glaube ich schon, dass die Kunst Menschen in erster Linie unterhalten muss. Weil dadurch, dass man wirklich mitlachen oder nachvollziehen und sich selbst emotional involvieren kann, ist man sozusagen wirklich „drinnen“. Die Botschaft, die wir vermitteln wollen, ist, das Publikum einzuladen, sich mit dem, was gespielt wird, zu identifizieren. Durch die eingebauten Dialoge wird das erleichtert.

Aber in zweiter Linie wird man nicht nur unterhalten, sondern die Kunst soll die Menschen auch zum Nachdenken anregen. Es bleibt dann jedem Menschen selbst überlassen, was er aus der Musik oder der Geschichte für sich herausholt. Allein die Tatsache, mal zwei Stunden nicht aufs Handy zu sehen, kann schwierig sein. Das merke ich auch als Künstler. Wenn man ins Theater geht oder in unserem Fall zu einer Open-Air-Vorstellung, dann sitzt man doch zwei Stunden und braucht an nichts anderes zu denken. Man schaltet das Handy aus – oder zumindest in den Flugmodus. Denn wir haben Untertitel, die man über WLAN am Handy empfangen kann. Aber dass man wirklich abschalten und sich nur auf eine Sache konzentrieren kann, das werden die Menschen genießen.

Hauptdarsteller Thomas Tatzl: Ich glaube, man muss die Menschen einfach abholen. Sie sollen keine Scheu haben, eine Opernvorstellung zu besuchen. Unsere Veranstaltungen sind auch ein optimaler Einstieg für Menschen, die nicht oft oder noch gar nicht in der Oper waren. Sie können und dürfen sich bei uns trauen, einen Bezug zu bekommen. Ich glaube, dass es gut ist, die verschiedenen Möglichkeiten, die man hat, zu nützen. Die eingebauten Dialoge sind ein gutes Tool dafür, dass man das Publikum abholt und in eine andere Welt entführt.

Intendant Joji Hattori: Wir werden die Zuschauer entführen und verführen!

Hauptdarsteller Thomas Tatzl: Beides, genau!

schauvorbei.at: Was ist euer persönliches Highlight an der Produktion?
Hauptdarsteller Thomas Tatzl: Dass es eine Open-Air-Veranstaltung ist, ist schon etwas Spezielles. Das machen wir nicht oft. Die Stimmung im Freien mit dem Publikum an lauen Sommerabenden wird besonders. Vor allem, dass es nicht nur irgendwo auf Beton in einem Park ist, sondern im Belvedere vor dieser atemberaubenden Kulisse. Das stelle ich mir jetzt schon wunderschön vor.

Intendant Joji Hattori: Unbedingt, die Atmosphäre wird wirklich großartig. Deshalb war es mir auch ein Anliegen, eine Oper zu wählen, die zu dieser Schlossatmosphäre passt. „Don Giovanni“ ist absolut perfekt.

schauvorbei.at: Wie sieht es denn mit der Stimmleistung aus, wenn es Open Air ist? Gibt es Unterstützung oder schafft man das?
Hauptdarsteller Thomas Tatzl: Im Normalfall treten wir immer unverstärkt auf. Aber weil es im Freien stattfindet, kommt eine Mikrofonverstärkung hinzu. Das Orchester wird in einem eigenen Raum spielen. Das bedeutet, wir verständigen uns über einen Monitor, auf dem man dem Dirigenten folgen kann. Das ist eine neue Erfahrung für uns alle.

schauvorbei.at: Was sollte man denn in Wien machen, wenn man noch nie in Wien gewesen ist?
Intendant Joji Hattori: Außer unsere Opernproduktion zu besuchen? Ich habe auf jeden Fall ein paar Top-Adressen. Die erste hat auch mit Mozart zu tun. Es gibt die Mozart-Wohnung ein paar Minuten vom Stephansdom entfernt. Dort hat Mozart gelebt. Die Oper „Le nozze di Figaro“  hat er in diesen Räumen geschrieben. Es ist unglaublich, wie gut diese Wohnung erhalten ist. Ich glaube, sogar der Boden ist noch original aus dieser Zeit. Überhaupt die Wohnung einer Person zu sehen, die seit mehr oder weniger 250 Jahren unverändert geblieben ist und dass diese Person dort auch gelebt hat, ist magisch. Diese Energie spürt man. Es ist ein Museum, das ich jedem empfehlen würde.

Im Schloss Belvedere gibt es ein Museum und in diesem hängt die größte Ölgemäldesammlung von Gustav Klimt. Er ist einer der bekanntesten österreichischen Maler. So berühmt wie Da Vincis „Mona-Lisa“, hängt dort „Der Kuss“ von Klimt. Diese Ausstellung könnte man vor der Opernaufführung besuchen. Als Drittes würde ich noch einen Heurigenbesuch empfehlen. Dort kann man Weißwein aus Wien trinken. Es ist die einzige europäische Hauptstadt der Welt mit nennenswerter Weinproduktion. Das heißt, man trinkt Wein, der tatsächlich dort angebaut wurde.

Hauptdarsteller Thomas Tatzl: Ich würde die Kaffeehäuser empfehlen. Viele finden sich im ersten Bezirk. Dieser ist wunderschön. Dort kann man über den Stephansplatz und die Kärntner Straße flanieren und sich einen Eindruck von der Stadt machen. Man kann dort locker einen ganzen Nachmittag verbringen. Danach kann man Richtung Belvedere schlendern oder mit der Straßenbahn dorthin fahren.

Intendant Joji Hattori: Alle Wege führen ins Belvedere …

Hauptdarsteller Thomas Tatzl: … zum Opernsommer!

schauvorbei.at: Vielen Dank für das Gespräch!

Foto: © MagMag GmbH.

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