Um die Welt in 3.001 Nacht? Oder doch lieber zur abenteuerlichen Antarktis-Expedition? Wer heute eine Seereise plant, hat die Qual der Wahl. Denn seit den 1980er-Jahren hat sich in der kommerziellen Schifffahrt viel getan. In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Anzahl der Passagiere auf dem weltweiten Kreuzfahrtmarkt nahezu verdreifacht. Zu Recht, wie Wybcke Meier, die Geschäftsführerin von TUI Cruises, findet: „Kreuzfahrten zählen aus meiner Sicht zu den schönsten und bequemsten Urlaubsformen, und zwar für jeden. Nirgendwo lassen sich Vielfalt und die Sehnsucht nach Meer besser verbinden“, ist die Expertin überzeugt. „Und mittlerweile gibt es für nahezu alle Reisenden das passende Schiff.“
Den Eindruck von Wybcke Meier bestätigt ein Blick auf diverse Reiseportale im Internet, wo sich ein vielfältiges Angebot zeigt. Vom romantischen Großsegler bis zum gigantischen Partydampfer, von Expedition bis City Hopping oder Weltreise: Die Kreuzfahrt-Branche boomt. Ihren Ursprung hat die Kreuzfahrt in den Transatlantikreisen von Fracht- und Passagierdampfern Ende des 19. Jahrhunderts. Damals waren Passagierreisen über den Atlantik aufgrund des Wetters aber nur zur warmen Jahreszeit möglich. Im Winter ankerten die Schiffe ungenutzt im Hafen. Also „erfand“ der einstige Direktor der Hamburger Reederei HAPAG, Albert Ballin, eine ganzjährige Auslastung, indem er Vergnügungsexkursionen zur See anbot. Heute zählen vor allem das Mittelmeer und die norwegischen Fjorde zu den beliebtesten Schiffsreisezielen.
Alte Routen im Norden
Als Spezialisten für Reisen entlang der norwegischen Postschiffroute gelten die dort ansässigen Reedereien Hurtigruten Expeditions und die Havila Voyages. Das Besondere an einer Reise zwischen den Bergen und dem Nordkap bis nach Kirkenes ist das authentische Erlebnis. Denn die Route wird nach wie vor zum Frachttransport und im öffentlichen Personennahverkehr von der lokalen Bevölkerung genutzt. Dadurch fahren die Reedereien bei jeder Reise rund 30 Häfen an, wovon täglich an zumindest einem ein längerer Aufenthalt eingelegt wird, inklusive der Möglichkeit eines ausgiebigen Landgangs.
Himmlische Costa-Fahrten
Weiter südlich, am Mittelmeer, setzt Costa Kreuzfahrten neue Akzente und macht Ziele zwischen Himmel und Erde neuerdings direkt an Bord erlebbar. Das Erlebnisangebot der „Sea Destinations“ umfasst nämlich viele Programmpunkte, wie zum Beispiel das Sonnenaufgangsfrühstück in der Bucht eines französischen Nationalparks, Lichtshows auf dem offenen Meer oder die Entdeckung von Planeten und Sternbildern auf dem Nachthimmel. Denn der Reiz des Himmels und seiner Gestirne übt besonders über den unendlichen Weiten des Meeres eine ganz besondere Faszination aus.
Rekorde auf Hoher See
Für viele Seereisende ist das Mittelmeer so etwas wie eine Einstiegsdroge, der dann die weite Welt folgt. So ist es kein Wunder, dass fernere Ziele wie die Karibik ebenfalls im Trend liegen. Diese wird von Reedereien aus nahezu allen Teilen der Welt angefahren, so etwa von der US-amerikanischen Royal Caribbean International (RCI). Ihr gigantischer Neuzugang Icon of the Seas hat Anfang des Jahres mit dessen Jungfernfahrt durch karibische Fahrwasser Schlagzeilen gemacht. Die Icon of the Seas gilt aktuell als das größte Kreuzfahrtschiff der Welt. 20 Decks erstrecken sich da auf einer Länge von imposanten 364 Metern. Die Größe des Schiffs entspricht etwa der einer Kleinstadt und es bietet neben Dutzenden Bars und Restaurants ebenso viel Platz für Attraktionen. Für diese Monumentalität haben die Schiffseigentümer zwar einiges an Kritik geerntet, doch die Icon of the Seas gilt als eine beeindruckende Leistung der Ingenieurswissenschaft.
Ihre Fertigstellung ist für den RCI-CEO Michael Bayley die ultimative Lebenslektion: dranbleiben, durchhalten und sich auf das Ziel konzentrieren. „Der heutige Tag war für viele Menschen äußerst emotional. Es sind viele Tränen geflossen“, sagte er am Tag der ersten Einschiffung im Jänner. „Wir haben viel durchgemacht und eine unglaubliche Erfahrung geschaffen, die in den nächsten Jahrzehnten Millionen von Menschen glücklich machen wird.“ Selbst Taufpate Lionel Messi und die eingefleischtesten Kreuzfahrtfans kommen bei der selbsterklärten Meeresikone ins Staunen: 16 Pools und Whirlpools, sechs Wasserrutschen, Kinderspielplätze und andere Beschäftigungsmöglichkeiten wie Lasertag, Minigolf, Kletterwand, Casino, Theater oder Jogging-Pfade verkürzen die Reisezeit von Miami in die Karibik.
Im Karibischen Meer finden Gäste von Royal Caribbean neuerdings auch ein eigens geschaffenes Ausflugsziel: Mit der „Perfect Day – Island Collection“ bringen ausgewählte Schiffe ihre Tagesgäste zu privaten Spaßinseln. Die bahamaische Insel CocoCay wird bereits seit Mitte der 1980er-Jahre von Kreuzfahrtlinien genutzt. Bis dahin war sie noch als Little Stirrup Cay in Besitz einer Privatperson. Einziger Bewohner war der US-Amerikaner Dan Meyer, ein enger Freund des Besitzers, der mit der Pflege der Insel beauftragt war. „Ich lebte in einer Strohhütte, kochte über einem Lagerfeuer, aß Kokosnüsse, Zitronen, Seegras und alle Haie, Stachelrochen, Zackenbarsche oder Hummer, die ich aufspießen konnte. Im Grunde lebte ich wie Robinson Crusoe“, erinnert sich Meyer. „Die meiste Zeit trug ich einen Lendenschurz wie Tarzan und meine Haare waren bleich von Sonne und Salzwasser.“
Schwer vorstellbar, dass sich heute an genau diesem kleinen Fleckchen Erde im Nordatlantik täglich Hunderte Menschen zu DJ-Beats in einem Wasserpark samt größter Rutsche Nordamerikas und in einem Fesselballon die Zeit vertreiben. Ein Urlaub mit Royal Caribbean ist eindeutig nichts für schwache Nerven. Action und Unterhaltung, knallige Farben und Feiertagsstimmung dominieren hier den Reisealltag.
Romantisch Segel hissen
Fernab von Adrenalin auf See finden aber auch Ruhesuchende die passende Kreuzfahrt für sich – zum Beispiel auf einem Segelschiff. Diese sind sehr viel kleiner als durchschnittliche Kreuzfahrtschiffe und die Möglichkeiten zur Welterkundung weitaus intimer. Vielleicht ist aber auch einfach der Weg das Ziel: Bei Ozeanüberquerungen können Abenteuerlustige ihrer Liebe zum Meer ausgiebig frönen. Mit den Großseglern von Star Clippers ist dies ganzjährig möglich. Etwa zwei Wochen dauert die Querung des Atlantiks mit den Vier- und Fünfmastern der deutsch-monegassischen Reederei.
Umgeben von der scheinbaren Unendlichkeit des Meeres geraten Zeit und Alltagshektik in Vergessenheit. Dabei finden sich auch viele Gelegenheiten, um der Besatzung beim Steuern zur Hand zu gehen, über maritime Geschichten und Legenden zu plaudern oder etwas über Meeresbiologie zu lernen. Reisen mit Landgang gibt es bei Segeltörns auf dem Mittelmeer oder in der Karibik.
Expedition ins Ewige Eis
Das Spektrum an Seereisen ist enorm. Viele suchen das gesellschaftliche Erlebnis, andere die Verbundenheit zum Wasser. Wer die Natur erkunden oder in gar unbewohnte Gegenden eintauchen will, wird ebenfalls fündig: Einige Reedereien steuern entlegene Gebiete in Alaska, die Arktis und sogar die Antarktis an. Letztere können Abenteuerhungrige mit Hurtigruten Expeditions in echter Forschermanier erkunden.
Die norwegische Reederei veranstaltet regelmäßig Expeditionsreisen über die patagonischen Fjorde bis hin zum Eiskontinent. Die Reise führt vorbei an schwimmenden Eisbergen bis jenseits des südlichen Polarkreises. Die tatsächliche Route weicht gelegentlich vom Reiseplan ab, schließlich sind die Bedingungen von Wetter und Eis auf See unvorhersehbar. Reisende brauchen sich dennoch nicht zu sorgen: Durch das ewige Eis navigiert stets eine erfahrene und ortskundige Crew.
Schifffahrt und Umwelt
Der Anblick dieser unberührten Welt verdeutlicht dem Betrachter die Notwendigkeit ihres Schutzes. Die Auswirkungen der Kreuzfahrt auf die Umwelt sind ein oft diskutiertes Thema. Norwegen reagierte daher im Jahr 2019 auf die steigende Umweltbelastung durch den Schiffsverkehr in seinen Fjorden. Ab 2026 soll nur mehr für jene Schiffe freie Fahrt gelten, die ohne umweltschädliches Schweröl auskommen. Und auch vor Venedig dürfen seit 2021 wegen der Zerstörungskraft hoher Bugwellen keine Riesenschiffe mehr ankern. Mittlerweile setzen die Kreuzfahrtunternehmen einen verstärkten Fokus auf Umweltentlastungen.
Auf dem Weg dorthin will sich die deutsche TUI Cruises an Klimawissenschaft und Umweltstandards orientieren. Eine Nachhaltigkeitsstrategie soll bis 2030 klimaneutrale Reisen ermöglichen. Hoffnung gibt hier die Entwicklung von weniger umweltschädlichen Schiffstreibstoffen wie Flüssigerdgas (LNG) und biologisch abbaubarem Methanol. Die globale Vorreiterrolle nahm AIDA Cruises ein. Mit der AIDAnova lief vor sechs Jahren das erste Kreuzfahrtschiff vom Stapel, das zur Gänze mit LNG betrieben werden kann. Mittlerweile fahren zwei Schiffe der AIDA-Flotte mit Flüssigerdgas. Die Flotte von Havila Voyages fährt bereits mit Hybridantrieben aus LNG und Strom aus den weltweit größten maritimen Akkus. Das größte vollelektrische Kreuzfahrtschiff ist seit 2022 auf dem längsten Fluss Chinas, dem Jangtsekiang, unterwegs. Das ultimative Ziel führender Kreuzfahrtunternehmen ist also die Dekarbonisierung des Kreuzfahrtbetriebs.
Doch nachhaltige Kreuzfahrt endet nicht bei der Vermeidung von schädlichen Emissionen. Im Sinne einer gesteigerten Umweltverträglichkeit fokussieren sich vor allem die Reedereien TUI Cruises und AIDA Cruises auf die Vermeidung von Plastikmüll und Einwegprodukten. Die Reinigung von Abwässern geschieht direkt an Bord. Und an Bord eines Schiffes der AIDA-Flotte kommen Reisende nicht nur in den Genuss von Trinkwasser, das auf dem Schiff aus Meerwasser generiert wird, sondern auch von ebenso an Bord mit Meerwasser gebrautem Bier. Zum Wohl!