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Michigan: Charme und Flair in XX-Large

Allen News zum Trotz: Die USA zählen nach wie vor zu den beliebtesten Fernreisezielen von Herrn und Frau Österreicher. Es muss aber nicht immer New York, Kalifornien oder Las Vegas sein. Ein Plädoyer für den „Great Lakes State“ Michigan.
Auf Mackinac Island scheint die Zeit angehalten worden zu sein. Statt Autos und Motorrädern gibt es hier Pferdekutschen und Fahrräder. © Getty Images

Eine Küste, an der man sich fühlt, als wäre man am Meer, jedoch ohne eine salzige Brise in der Nase. Eine Insel, auf der man glaubt, ein paar Jahrhunderte in der Vergangenheit zu leben. Und ein Ort in Nordamerika, der aussieht wie ein bayerisches Dorf. Das und noch viel, viel mehr gibt es in einem einzigen Bundesstaat der USA zu entdecken. Wer an eine Reise nach Amerika denkt, dem fallen meist New York als die wohl internationalste Stadt der Welt oder der sonnengeküsste Golden State Kalifornien ein, vielleicht noch die Spielermetropole Las Vegas. Michigan haben dagegen ganz wenige am Radar. Selbst für die meisten USA-Hardcorefans ist das noch ein weißer Fleck auf der Landkarte. Dabei gibt es hier so viel zu entdecken, wie mir mein einwöchiger Roadtrip gezeigt hat.

Drei mal so groß wie Österreich

Michigan liegt an den Großen Seen, an der Grenze zu Kanada, und ist der einzige zweigeteilte Bundesstaat Amerikas: Die Meerenge von Mackinac trennt nämlich die Obere Halbinsel (Upper Peninsula) zwischen dem Oberen See und dem Michigansee von der Unteren Halbinsel (Lower Peninsula), die das Ziel meiner Reise ist. Der gesamte Bundesstaat ist drei Mal so groß wie Österreich und Heimat von rund zehn Millionen Menschen. Michigan hat keine einzige Millionenmetropole. Detroit hat nur rund 650.000 Einwohner und ist nicht einmal die Hauptstadt des Bundesstaats. Über diese Ehre freut sich Lansing, ein vergleichsweise kleines Nest knapp 150 Kilometer westlich von Detroit.

XX-Large ist das Maß aller Dinge

Was mir gleich am ersten Tag auffällt: Nicht nur die (Steak)-Portionen auf dem Teller im Restaurant und die Verpackungsgrößen im Supermarkt sind in Michigan XXL, sondern auch die Gastfreundschaft der Menschen. Bei Jim und Theresa, die sowohl ein Resort am Lake Huron als auch ihr eigenes Kino in Oscoda betreiben (mit Preisen wie vor 20 Jahren), fühlt man sich ab dem ersten Gespräch, als wäre man unter langjährigen Freunden. Am Lagerfeuer unter dem schönsten Sternenhimmel – zur richtigen Zeit kann man auch Polarlichter beobachten – verwöhnen mich die beiden mit dem beliebten US-Snack S’Mores, das sind im Feuer geschmolzene Marshmallows mit Schokolade, eingebettet zwischen zwei Crackern. So genieße ich für die USA typisch und lausche dabei den vielen Geschichten, die Jim erlebt hat. Mit seiner Fernsehserie „Under the Radar Michigan“ reist er seit über 1.400 Folgen durch den amerikanischen Bundesstaat, um seinem Publikum die schönsten Seiten näherzubringen. Auf meiner Reise konnte ich mir nur von einem ganz kleinen Teil dieser tollen Locations selbst ein Bild machen, aber die hatten es in sich. Mackinac Island ist einer davon.

Ohne Autos und mit viel Geschichte

Wenn man in Michigan jemanden fragt, wo sich ein Ort in etwa befindet, wird immer sofort die rechte Handinnenseite als Karte benutzt. Wenn man sich den Staat auf einer echten Karte ansieht, kann man mit nicht allzu viel Fantasie erkennen, dass die Untere Halbinsel eben einer Hand sehr ähnlich sieht. Die Insel, von der ich erzähle, befindet sich ein wenig über der Spitze des Mittelfingers und in einer guten Dreiviertelstunde kann man die Insel, drei Mal so groß wie Wien, mit dem Rad umrunden. Das Rad ist hier auch wichtig, denn an diesem autofreien Rückzugsort könnte man meinen, in eine Epoche der Vergangenheit ­gereist zu sein. Pferdekutschen und Hochräder – neue Fahrräder stehen natürlich auch zur Verfügung – sind hier die einzigen Fortbewegungsmittel. Butterbean, das größte Pferd der Insel, bringt mich um die Insel herum und ich verkoste ein wenig den berühmten Fudge. Dabei handelt es sich um Karamellbonbons, die gleich von sieben Unternehmen auf der Insel hergestellt werden. Das ist ganz schön viel, ähnlich wie die fünf Tierärzte im Vergleich zum einzigen Arzt auf der Insel, der auch Menschen behandelt.

Bayern und Christmas Wonderland

Auf der Weiterreise in den Süden des Great Lakes States schlafe ich eine Nacht in Bayern. Zumindest bekommt man dieses Gefühl, wenn man nicht allzu eng mit der bayerischen Tradition vertraut ist. Mühe wird sich hier im Städtchen Frankenmuth auf jeden Fall so gut es geht gegeben. Jodelhits durch die Lautsprecher in einem Outletcenter, das ein Dorf in den Alpen nachahmt. Kellnerinnen in Dirndl und Kellner in Lederhosen in einem berühmten Chicken Diner Restaurant, das aussieht wie ein deutsches Gasthaus. Und die Tatsache, dass beinahe alle wichtigen bayerischen Biere ausgeschenkt werden. Die zwei Millionen Menschen, die jedes Jahr zu diesem Ort pilgern, kommen jedoch für eine ganz andere Attraktion. Bronner’s Christmas Wonderland, mit einer Verkaufsfläche in der Größe von zwei Fußballfeldern und mehr als 50.000 Weihnachtsartikeln das weltweit größte Geschäft dieser Art, überwältigt mich. Für Menschen mit einem Faible für Weihnachtsschmuck und -beleuchtung ist ein Besuch bei Bronner’s ein Muss, der Rest kann sich zumindest eine Kopie der Stille-Nacht-Kapelle ansehen, die mit Erlaubnis aus Österreich vor dem Geschäft erbaut wurde.

Wo die Natur gross aufspielt

Aber auch für alle Naturliebhaber und Outdoorfreaks wie mich bietet Michigan eine breite Palette an Attraktionen. Beeindruckt haben mich beispielsweise die Flusstäler des Au Sable River, in denen mitten im Wald völlig unerwartet Sanddünen auftauchen, die ein Resultat aus Millionen von Jahren Entwicklung der Erde sind. Und dann natürlich der Lake Huron, der fünftgrößte See der Welt und größer als ganz Kroatien, in dem ich zu Sonnenaufgang in Richtung endlosem Horizont hinausschwimme. Geht man mit wachsamen Augen an einem Strand des meerähnlichen Sees entlang, hat man oft das Glück, einen sogenannten Petoskey-Stone zu finden. Der offizielle Staatsstein von Michigan sieht, vor allem wenn man ihn nass macht, sehr beeindruckend aus, da es sich dabei um ein Korallenfossil handelt. Leider musste ich erfahren, dass ich für die beste Zeit, um Michigan zu bereisen, um ungefähr zwei Monate zu früh dran bin. Denn um den Oktober herum gibt es den Indian Summer, den Herbst mit den „Fall Colors“. Er ist auch hier ein Big Deal, zieht viele Besucher an und ist für mich Anlass, zumindest ein weiteres Mal zu kommen.

Detroit erfindet sich ganz neu

Mindestens ein weiteres Mal werde ich auch nach Detroit kommen. Die Stadt, ursprünglich von französischen Kolonisten gegründet, wurde zu einem wichtigen Industriezentrum in den USA. Zuallererst ist die Metropole als Autostadt berühmt geworden. Hier wurden die drei Autokonzernriesen Ford, General Motors (mit Marken wie Cadillac oder Hummer) und Stellantis (bekannt wahrscheinlich noch als Chrysler) geboren, denen Detroit wirtschaftliche Tiefs als auch primär die Hochs zu verdanken hat. Was weniger bekannt ist: Von hier stammen auch Shinola, für Detroiter das Pendant zu Rolex, wie mir erzählt wurde, Faygo Cola, die nicht nur mit herkömmlicher Cola, sondern sich mindestens genauso wegen „Red Pop“ an Beliebtheit erfreut, und Carhartt, eine Marke, die mit ihrer Work-Wear-Kleidung auch in ganz Europa unter allen Jungen und Junggebliebenen ein Begriff ist.

Phasenweise ging es dieser Stadt in der Vergangenheit jedoch nicht sehr gut. Detroit war 2013 wirtschaftlich bankrott und musste Insolvenz anmelden – und sicher war es angesichts hoher Kriminalitätsraten zeitweise auch nicht. Aus diesem meilenweiten Tief schaffte es Detroit jedoch die letzten Jahre brillant heraus, und dank Investments in das Stadtbild sieht es hier besser aus denn je. Schlendert man jetzt durch die Innenstadt und wirft einen Blick in ein paar der vielen restaurierten Wolkenkratzer hinein, merkt man, wie viel Geld und Arbeit in den Wiederaufbau der Stadt geflossen sind. Heutzutage hat die „Motor City“ etwas, was wir in Europa gewohnt sind, aber im Land der unbegrenzten Möglichkeiten eher eine Seltenheit ist: eine lebhafte Innenstadt.

Metropole der Musikgeschichte

Neben Autos fällt einem bei Detroit sofort Musik ein. Das hat mit dem in dieser Stadt gegründeten Label Motown zu tun, dank dessen die Karriere vieler berühmter Künstler wie Diana Ross, Lionel Richie, Marvin Gaye und Stevie Wonder hier begonnen hat. Im Haus, wo sich das erste Studio befand, findet man heute ein Museum, an dem wahre Musikliebhaber nicht vorbeigehen können. Sind einem diese Namen überhaupt kein Begriff, aber man assoziiert Detroit dennoch mit Musik, dann ist es mit Sicherheit Eminem, an den man denkt. Von vielen wird der Sänger und Songwriter, der Grammy-, Oscar- und Emmy-Preisträger als einer der GOATs (Greatest of all Times) im Rap bezeichnet. In den 1990er-Jahren startete Eminem mit dem hiesigen Label FBT Productions durch und thematisiert seine Heimatstadt in vielen seiner Songtexte.

Legt man die Musik mal beiseite, ist gleichermaßen für mich die Detroit Style Pizza interessant. Schließlich bin ich ein Genießer der amerikanischen Küche. Ähnlichkeiten mit einer italienischen Pizza sucht man zwar vergeblich, vom Aussehen handelt es sich eher um eine Art pikanten Kuchen, der aber geschmacklich bombastisch ist! Den besten Smashburger meines Lebens habe ich übrigens in einem sehr stylishen Lokal in Detroit gegessen, wo Wein aus dem Burgenland angeboten wurde. Als sportlicher Ausklang geht es auf eine Kajaktour über den Detroit River, die mich die gesammelten Kalorien wieder verbrennen lässt und meine Reise perfekt abrundet. Beim Sonnenuntergang bestaune ich ein letztes Mal Detroits glitzernde Skyline und hoffe auf eine baldige Rückkehr nach Michigan.

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