Story

Singapur für Träumer

Dass sich in einer hypermodernen Metropole auch Plätzchen zum Schwelgen, Staunen und Zeit-Verplempern finden – wer hätte das gedacht? Eine Tour in fünf verträumte Ecken Singapurs.
Sentosa ist die Vergnügungsinsel von Singapur. © Shutterstock

Singapur ist für viel Außer­gewöhnliches bekannt: für ­seine futuristische Architektur, für die innovative Verschmelzung von Stadt und Natur, für seine Multikulturalität, für die zwielichtigen Facetten seiner Geschichte und nicht zuletzt für eine Unmenge an (teils amüsanten, weil so absurden) Verboten. Die „Löwenstadt“ hat aber auch ganz andere Gesichter – herzerwärmende, befreiende, inspirierende, schlichtweg köstliche oder ganz poetische.

Spaziergang der Sinne

Hundert künstliche Blüten pulsieren in Pastellfarben vor dem Nachthimmel. Sphärische Klänge beschwören eine Fantasiewelt aus Licht und Ton herauf. Im Hintergrund knallt ein Feuerwerk, das den Abend auf Singapurs Vergnügungsinsel Sentosa krönt. Die letzten Tagesausflügler schlüpfen aus der Liliputbahn und wandern verträumt der blinkenden Skyline der Metropole entgegen. Sentosas halb surrealer, halb mystischer Zauber lässt sie wohl so schnell nicht wieder los. Bevor 1969 der Startschuss ihrer Verwandlung zum Tourismus-Aushängeschild Singapurs fiel, hieß das Eiland Pulau Blakang Mati, übersetzt: „Insel des Todes von hinten“. Düstere Legenden ranken sich bis heute um sie, aber fürchten muss man sich nicht mehr, ganz im Gegenteil.

Vom künstlich angelegten Lagunenstrand bis zum Skywalk, vom Urwaldtrail bis zu den Universal Studios – ein Tag auf Sentosa ist reine gute Unterhaltung. Wer dann abends entlang der „Sensoryscape“ von der Beach Station der Liliputbahn zurück Richtung City flaniert, setzt dem Wunderland das Tüpfelchen auf dem i auf. Der erste Teil des Weges wartet mit künstlerischen Installationen auf, die zum Lauschen, Betrachten, Ertasten und Erschnuppern einladen. Gestalten aus Licht tanzen ringsum, die lebendige tropische Vegetation verschmilzt mit Gebilden aus Künstlerhand: ein Ort, um Fantasie und Realität verschwimmen zu lassen.

Tipp: Der Sentosa Express verbindet die City mit der Insel und ist die bequeme Alternative zu einem 15-minütigen Marsch über die Fußgängerbrücke. Wer nur in eine Richtung sparen will, fährt besser mit dem Zug zurück: Nach Sentosa kostet die Fahrt einige Dollar, retour kann man gratis mitfahren.

Lounge im Himmel

Singapur von oben sehen – das ist ein absolutes Muss. Gelegenheiten hat man dazu viele. Hoch über dem Hafenviertel in einer Seilbahnkabine nach Sentosa Island gondeln ist eine davon. Den Sky Park in knapp 200 Metern Höhe am Dach des ikonischen Luxushotels Marina Bay Sands zu besuchen eine andere. Immerhin 156 Meter hoch kommt man auf der Skybridge des Pinnacle@Duxton. Dieser gigantische Gemeindebau ist der größte öffentliche Wohnbau der Welt, 1.848 Wohnungen in sieben miteinander verbundenen Wolkenkratzern stapeln sich hier übereinander. Die Verbindungsbrücke befindet sich im obersten Stockwerk, und von hier genießen Bewohner und Besucher gleichermaßen einen Rundumblick auf die Stadt.

Das Pinnacle liegt am westlichen Rand der Innenstadt mit freier Sicht auf die architektonisch vielfältigen Gebäude ringsum, das riesige Hafenareal oder auch das historische Chinatown. Mit seinen nicht mehr als zweistöckigen Häuschen wirkt es fast zweidimensional von hier oben. Nord- und westwärts erstrecken sich die Außenbezirke Singapurs mit ihren Wohntürmen, im Süden schimmert das türkisblaue Meer und hineingewürfelt die ersten Inselchen ­Indonesiens.

Hier oben kann man Stunden verbringen, denn das Panorama-Wimmelbild wird nie langweilig. Und ganz nach Singapur-Art gibt es natürlich auch Palmen, Schatten spendende Bäume und sogar eine Blumenwiese. In der Lounge zwischen Turm D und E genießt man die Aussicht auf bequemen Sitzgelegenheiten, und das Rascheln der Blätter wirkt überaus beruhigend. Gut möglich, dass man sich neben einem der Bewohner des Pinnacle wiederfindet und ins Gespräch kommt – denn eins merkt man schnell: Offenheit und Gastfreundlichkeit zeichnet die Menschen Singapurs aus.

Tipp: Für den Zugang zur Skybridge braucht man eine EZ-Link-Karte und muss diese am Schalter im Turm G (1. Stock) für das Drehkreuz im obersten Stockwerk mit ein paar Dollar aufladen lassen. Der Ein- und Ausgang der Skybridge befindet sich ebenfalls in Turm G.

Kulinarisches Kleinod

Auf einer Lichtung im städtischen Dschungel geht es heiß her: Gleich neben der viktorianischen Markthalle Lau Pa Sat liegt die sogenannte Satay Street. Die Markthalle hat als hübsches historisches Kleinod ihren Platz zwischen den hypermodernen Wolkenkratzern behalten. In der Straße daneben gibt es abends Streetfood unter freiem Himmel, eine Rarität in dieser Stadt. Duftender Rauch und die Rufe der Satay-Brater ziehen über die Menschenschlangen hinweg, die sich hier ganz gesittet (wir sind schließlich in Singapur!) zwischen Absperrbändern um ihre Spieße anstellen. Regeln gibt es im Stadtstaat bekanntermaßen eine Menge: Die Straßen sind per Gesetz nicht nur frei von ausgespuckten Kaugummis und Moskitos (Tatsache, hier unterliegt sogar die Fortpflanzung von Stechmücken strikten Regeln), sondern auch von Garküchen. Ab den 1960er-Jahren wurden diese von der Obrigkeit mehr und mehr in die sogenannten Hawker Center verlegt. Einheimische wie Touristen frequentieren heute gerne diese Food Courts, denn hier lässt es sich gut und günstig essen, während Singapur ansonsten zu den teuersten Städten der Welt zählt.

Ob frisch gebratene Satay-Hühnerspieße oder Garnelen im Dutzend, typisch singapurische Chili-Krabben, die malaysischen Klassiker Laksa – eine feurige Kokosmilchsuppe – und Nasi Lemak mit würzigem Reis und frittiertem Hühnchen, gefüllte indische Murtabak-Teigfladen oder eine ganze Palette chinesischer Nudelgerichte: Mehr verschiedene Landesküchen an einem Ort gibt es selten zu probieren. Die Atmosphäre vieler Hawker Centers ist eher rustikal, inklusive Neonlicht und Plastikgeschirr. Deutlich gediegener geht es in Lau Pa Sat und auf der Satay Street zu. Hier bleibt man auch nach dem Essen gerne noch ein Weilchen sitzen, schlürft Kopi – klassisch mit Kondensmilch und Zucker servierter Kaffee – und beobachtet das rege nächtliche Treiben.

Tipp: Die Satay-Spieße gibt es nur zu mindestens zehn Stück zu kaufen. Also besser anfangs mit Scheuklappen durch die Markthalle gehen, sonst ist am Ende der Magen schon voll, bevor die Satay Street erreicht ist.

Würzige Oase

„The City in a Garden“ wird Singapur auch genannt. Hier vermischt sich der botanische mit dem Großstadtdschungel wie nirgends sonst auf der Welt, wachsen Palmengärten in Wolkenkratzer-Nischen, wiegen sich ganze lebendige Fassaden im Wind und stürzen gigantische Wasserfälle aus Glasdächern. Singapurs Skyline zeigt sich aus fast ­jedem Winkel mit dichtem Grün ­umrahmt. Parks gibt es unzählige, von kleinen Oasen aus Blumen und eng­lischem Rasen bis zu den Hunderte Hektar großen Naturschutzgebieten im Norden der City.

Steht nach ein paar Tagen Stadtrummel der Sinn nach Grünem, erreicht man zum Beispiel den Botanischen Garten ganz einfach in 15 Minuten von der City aus via MRT (U-Bahn). Angrenzend an den Orchideengarten liegt der Ginger Garden, aber wer hier einen simplen Kräuter- oder Gemüsegarten zu Ehren der scharfen Wurzel erwartet, der ist weit gefehlt. Die Ordnung der Ingwer­artigen ist eine botanische Großfamilie, die neben den essbaren Vertretern wie Ingwer, Kurkuma, Kardamom oder ­Banane auch Zierpflanzen wie die Strelitzien umfasst. Was viele der Familienmitglieder gemeinsam haben, ist ihre Blütenpracht, und so blüht in diesem Garten zu jeder Jahreszeit irgendetwas.

Man wandert auf gewundenen Pfaden, setzt sich auf ein Bänkchen und lässt den Blick schweifen. Zwitschert und raschelt es da im Gebüsch? Wer ein Weilchen still sitzt, hat gute Chancen, ganz nah Kolibris beobachten zu können. Bunte Hühner, die im Unterholz nach Fressbarem stöbern, sind sowieso Teil der Szenerie, und der Seerosenteich zieht Gurials an, große Eisvögel, die mit ihren kräftigen roten Schnäbeln und blaugrün schimmernden Flügeldecken ein eindrucksvolles Bild abgeben.

Tipp: Der Botanische Garten beinhaltet auch einen Urwaldteil: Dort bekommt man einen ­unvergleichlichen Eindruck der ursprünglichen wilden Vegetation Singapurs. Sehenswert sind außerdem der Ethnobotanik-Garten und die ­zugehörige interaktive Ausstellung in einem schönen historischen Gebäude.

Spuren der Peranakan

Hypermodern und hochtechnisiert ist Singapur auf der einen Seite. Sein zweites Gesicht aber ist das einer jahrhundertealten Handelsmetropole, multikulturell und sehr vielfältig. Die zahlreichen chinesischen und indischen Einwanderer, die ihre Kulturen über Jahrhunderte mit in die Löwenstadt brachten, machen heute Großteile der Bevölkerung aus. So gehören die teils gut erhaltenen, teils aufwendig restaurierten historischen Bauten von Chinatown und Little India unbedingt auf die Bucket List einer Singapur-Reise.

Während Little India mit einem ganzen Straßenzug voller Juweliere, Blumen- und Stoffläden, mit einer (auch geruchlich) sehr authentisch indischen Markthalle, dem Tekka Centre, und lautem, buntem, quirligem Flair aufwartet, ist Chinatown bereits viel touristischer ­geworden. Der Straßenmarkt oder die überdachte Smith Street mit ihren pastellfarbenen Shophouses sind trotzdem einen Besuch wert. Die besondere Architektur gehört zur Kultur der Peranakan, den Nachkommen ansässiger malaiischer Frauen und vor allem chinesischer Händler, die seit dem 15. Jahrhundert in Singapur Geschäfte machten. Eine einzigartige Mischung aus chinesischen, malaiischen und – durch die Kolonialmächte – westlichen Aspekten prägt die Peranakan-Kultur. Besonders schön erleben kann man sie rund um die Joo Chiat und die Koon Seng Road im Osten der Stadt. Aus schummrigen Pubs nach britischem Vorbild dringen Musik und Gelächter, elegante Konditoreien und Cafés verströmen ihre unwiderstehlichen Düfte, durch die Fenster bewundert man das reich verzierte historische Interieur von Restaurants und Hotel­lobbys.

Hier kann man für ein Weilchen in ein anderes Singapur eintauchen und dem Mythos dieser Stadt auf die Spur kommen. Mittelalterliches Königreich, kolonialer Schmelztiegel, vorwärts drängende Weltmetropole – die Löwenstadt war schon vieles und erfindet sich ständig selbst neu. Wer da nicht ins Träumen kommt …

Gute Tipps für Singapur

  • Anreise: Diverse Airlines fliegen von Wien mit einem Zwischenstopp nach Singapur, Direktflüge sind aktuell nicht verfügbar.
  • Mobilität vor Ort: Vom Flughafen Changi (unbedingt Zeit einplanen, um den gigantischen Indoor-Wasserfall zu besuchen!) in die Stadt und in der Stadt von A nach B geht es am schnellsten via MRT (U-Bahn) oder mit dem Bus. Die Tourist Passes für einen bis fünf Tage zahlen sich nur aus, wenn man täglich viele Fahrten unternimmt. Wer weniger fährt, kauft besser eine EZ-Link-Karte, die an Automaten in den MRT-Stationen aufgeladen und bei jeder Fahrt in Bus oder U-Bahn zum Zahlen benutzt werden kann. Infos: www.smrt.com.sg
  • Wohnen: Singapur bietet für jeden Geschmack und jede Geldbörse die passende Unterkunft – so günstig wie andere südostasiatische Städte ist es aber nirgends. Ein angenehmes, sauberes Hostel mit Schlafsaal mit Einzel- und Doppelbetten in einem lebendigen, zentralen Viertel ist das Rad-Zone-Hostel. Mit renovierter historischer Bausubstanz und gutem Preis-Leistungs-Verhältnis punktet das Santa Grand Hotel East Coast in bester Lage für die Erkundung des Peranakan-Viertels und mit Relax-Möglichkeit im Rooftop-Pool. Wer Historie mit echtem Luxus gemixt mag, gönnt sich ein paar Nächte im The Fullerton Bay Hotel.
  • Essen: Singapur stellt ganz mühelos jeden Gaumen zufrieden. Die günstigsten und authentischsten Gerichte gibt es in den Hawker Centers, von denen weit über 100 (oft in Einkaufszentren und nahe MRT-Stationen) in der ganzen Stadt verteilt sind. Für einen sanften Einstieg eignet sich jenes auf Sentosa Island, dort werden die diversen singapurischen Spezialitäten gar mittels Schautafeln vorgestellt und die Bestellung und Bezahlung läuft reibungs- und kontaktlos über zentrale Terminals.
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