Story

Christian Sagartz: „Fehler der letzten Jahre korrigieren“

Am 19. Jänner 2025 wählt das Burgenland einen neuen Landtag. schauvorbei.at hat die Spitzenkandidaten getroffen und zu ihren Schwerpunkten, Plänen sowie Zielen befragt. Was Christian Sagartz (ÖVP) als Landeshauptmann umsetzen würde, lesen Sie hier.
Porträt von Christian Sagartz auf einem Tisch lehnend
Christian Sagartz wurde 2021 zum Landesparteiobmann der ÖVP Burgenland gewählt. © Ronald Fenk

schauvorbei.at: Was sind Ihre drei größten Zukunftsziele für das Burgenland?
Christian Sagartz: Ich sehe drei Bereiche des Lebens, bei denen massive Veränderungen notwendig sind.  Das ist im Bereich der Wirtschaft, in dem es mehr Freiheit braucht. Dazu möchten wir einen Wirtschaftsfonds installieren. Die Gelder dafür sollen aus der strategischen Verkleinerung der Landesholding kommen. Dort, wo der Staat nicht in Vorlage gehen muss, soll er sich zurückziehen.

Der zweite Punkt ist die Pflege. Das jetzt vorgestellte Zwangsmodell mit Pflegestützpunkten führt aus unserer Sicht in eine Sackgasse. Es braucht weiterhin die Wahlfreiheit für alle, die Pflege benötigen.

Und der dritte Punkt ist ein sehr zukunftsintensiver: Es geht um die Frage, wie wir es schaffen, dass wir im Burgenland gesund älter werden. Im Moment sterben die Burgenländer im Vergleich zu den Menschen in anderen Bundesländern am jüngsten. Genau das möchte ich mit Vorsorgeprogrammen ändern, es soll einen Vorsorgetausender geben. Wer sich innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens an alle Vorsorgeuntersuchungen hält, bekommt die Möglichkeit, eine Prämie zu erhalten. Mit dieser Vorsorge würden wir uns viel menschliches Leid ersparen, würden Ressourcen freimachen und hätten damit auch Leben gerettet. Das ist der Gesundheitsplan im Bereich der Vorsorge.

schauvorbei.at: Sie sagen, die Pflegestützpunkte sind eine Sackgasse. Könnten Sie das ausführen?
Christian Sagartz: Für die Pflege gibt es kein Patentrezept. Was aber auf jeden Fall nicht funktioniert, ist, dass man zwanghaft das Land in Regionen einteilt. Beim Pflegestützpunkt darf sich dann eine Organisation landesweit bewerben. Das heißt, wenn beispielsweise die Caritas den Pflegestützpunkt für eine Region, das sind drei bis vier Gemeinden, übernimmt, dann darf nur die Caritas die mobile Hauskrankenpflege bereitstellen. Wie soll das funktionieren, wenn in einer Region beispielsweise plötzlich weniger oder mehr Klienten Pflege brauchen? Wie soll das funktionieren, wenn bisher bestehende Strukturen zerschlagen werden?

In den Gemeinden haben manche Menschen die Volkshilfe genutzt, andere das Hilfswerk, wieder andere die Diakonie. Diese Wahlfreiheit möchte ich erhalten. Die Menschen haben das Recht, wenn jemand zu ihnen nach Hause kommt, sie pflegt, sie füttert, also höchstpersönlichen Kontakt hat, dass sie selbst entscheiden, wer das macht, wer den eigenen Körper berührt. Ein Zwang führt dazu, dass es zu einer Zwei-Klassen-Pflege kommt. Die, die es sich leisten können, werden sich ihre Pflegeeinrichtung aussuchen und selber bezahlen. Die, die das Geld dafür nicht haben, müssen nehmen, was sie bekommen.

schauvorbei.at: Zurück zum Wirtschaftsfonds, den Sie eingangs erwähnt haben. Was wären Bereiche der Landesholding, die Sie ausgliedern würden?
Christian Sagartz: Ich zäume das Pferd absichtlich von hinten auf. Was würde ich unter keinen Umständen verkaufen? Die strategisch kritische Infrastruktur. Das Stromnetz muss natürlich in öffentlicher Hand bleiben. Internettechnologien oder beispielsweise auch neue Energieformen, die man mit viel Innovation und Kraftanstrengung etabliert hat, würden ebenfalls in öffentlicher Hand bleiben.

Aber wenn man nur 200 der insgesamt 400 gekauften Busse, wovon viele nachweislich leer fahren, verkaufen würde, hätte man mit einem Schlag über 60 Millionen Euro. Die könnte man in einen Fonds investieren und vor allem Kleinst- und Kleinbetriebe unterstützen. Warum jene? Wir haben das Problem, dass es zwar sehr viele EU-Förderungen gibt, diese aber mit sehr viel Bürokratie verbunden sind. Das heißt: Theoretisch gibt es sehr viel Geld, die Spielregeln sind aber für ein großes Unternehmen gleich wie für ein kleines. Viele kleine Betriebe haben nicht die Kraft und Energie, so viel bürokratischen Aufwand zu betreiben, um an eine Förderung zu kommen. Genau das könnte das Land mit diesem Fonds ändern.

schauvorbei.at: Was würden Sie als Landeshauptmann als Erstes umsetzen?
Christian Sagartz: Ich würde die Baulandsteuer abschaffen und damit Eigentum in Österreich, aber auch im Burgenland, wieder schützen. Wir haben derzeit eine eigentümerfeindliche Baulandsteuer. Diese besteuert die Tatsache, dass ich einen Bauplatz besitze und der nicht bebaut ist. Und davon profitiert niemand, der einen Bauplatz sucht. Hier müsste man die Raumordnung für die Gemeinden viel freier gestalten.

Dafür gibt es schon einen Ansatz, der wird aber momentan nicht gelebt. Ich bin davon überzeugt, dass beispielsweise eine Entsiegelungsprämie eine Möglichkeit wäre. Ich würde Gemeinden und Privatpersonen unterstützen, die Flächen entsiegeln. Es gibt derzeit niemanden, der unterstützt, wenn man bestehende Bauten abtragen will. Bei der Entsorgung zahlt man Unmengen. Ich würde da mit einer Prämie ansetzen und auch hier nachhaltige, boden- und ressourcenschonende Bauweisen unterstützen. Das wäre sozusagen das Gegenstück zur Baulandsteuer.

schauvorbei.at: Was ist die größte Stärke der ÖVP Burgenland?
Christian Sagartz: Dass wir wirtschaftlich, nachhaltig und im Hinblick auf die nächsten Generationen Politik machen. Das machen wir nicht nur auf Landesebene mit unseren Anträgen aus der Oppositionsrolle heraus, sondern auch in den Gemeinden. Wir haben derzeit 1.300 Gemeinderäte und 70 Bürgermeister, die tagtäglich beweisen, dass ihnen dieses nachhaltige, wirtschaftliche und vor allem auf die nächste Generation gerichtete Handeln wichtig ist. Und genau das möchte ich auch auf Landesebene beweisen.

schauvorbei.at: Was bedeutet es Ihnen persönlich, Politiker zu sein?
Christian Sagartz: Man muss mit allen reden – auch mit jenen, die nicht derselben Meinung sind. Viele Politiker bewegen sich immer nur im eigenen Dunstkreis, braten im eigenen Saft. Das war nicht immer so im Burgenland und das hat Hans Peter Doskozil massiv gefördert. Die SPÖ ist eine Partei, die immer mehr in sich kehrt, was ich auch verstehe. Wenn einer alleine das Sagen hat und über alle anderen drüberfährt, dann verändert das die Gesprächskultur. Ich spreche mit allen Parteien. Ich habe auch ein gutes Verhältnis zu anderen Parteikollegen, tausche mich regelmäßig aus. Der Landeshauptmann tauscht sich mit niemandem aus, er gibt Befehle. Ich glaube, dass das Wichtigste in der Politik ist, dass man auch mit jenen spricht, die nicht derselben Meinung sind. Aber das lernt man auch in der Kommunalpolitik.

schauvorbei.at: Was hat Sie zuletzt im politischen Diskurs besonders gestört?
Christian Sagartz: Dass es diesen Diskurs nicht mehr gibt. Die Stimmung im Land macht die Mehrheitspartei. Und wenn man beispielsweise Ausschussarbeit und Parteienverhandlungen so versteht, dass man seinem Gegenüber die bestehenden und fixfertigen Gesetze überliefert und dann sagt „So ist das jetzt und wir werden das mit unserer Mehrheit beschließen“, dann gibt es keine Diskussion mehr. Ich habe aber gelernt: Auch dort, wo man in der Mehrheit ist, gibt es oft gute Ideen von anderen. Die kann man dann aufnehmen oder auch nicht. Aber dass es diesen Diskurs gar nicht mehr gibt, das ist schon der Stil von Hans Peter Doskozil. Dieses Drüberfahren und einer alleine weiß alles am besten, hat er kultiviert, das hat es zuvor nicht gegeben und das hat auch dem Land nachhaltig geschadet.

Ein Beispiel: Warum braucht es zehn Gesetzesnovellen? Zehn Mal wurde das Raumplanungsgesetz mittlerweile erneuert, vor allem weil man nicht mit anderen spricht. Weil man auf die Hinweise von Beamten nicht mehr hört, weil man die Begutachtungsverfahren nicht mehr abwartet. Das ist eine Situation, die möchte ich mit ganzer Kraft ändern. Da braucht es einen Richtungswechsel. Wenn die absolute Mehrheit bricht, wird es wieder ein neues Miteinander geben. Und ich bin davon überzeugt, alles ist besser, als dass einer im Moment über alle drüberfährt. Das wäre übrigens auch besser für die SPÖ.

schauvorbei.at: Was hat Sie zuletzt im politischen Diskurs besonders gefreut?
Christian Sagartz: Dass man trotz allem festhalten muss, dass Kritik und ständiges Darauf-Hinweisen, dass etwas nicht funktioniert, manches zum Besseren wendet. Die Wiedereinführung des Handwerkerbonus ist ein großer Erfolg der Interessensvertreter und der Opposition. Die SPÖ hat diesen Handwerkerbonus abgeschafft – mit dem Hinweis, dass wir ihn nicht mehr brauchen. Jetzt ist er wieder eingeführt worden. Und das liegt vor allem daran, dass die Interessensvertretung der Wirtschaft, der Unternehmer und auch die Oppositionsparteien, allen voran die ÖVP, hier nicht lockergelassen haben. Es freut mich, dass das gelungen ist.

schauvorbei.at: Bitte vervollständigen Sie den folgenden Satz: Wähler*innen, die der ÖVP Burgenland ihre Stimme geben, können sich sicher sein, dass …
Christian Sagartz: … die ÖVP alles tun wird, um in dem Land für ein neues Miteinander zu sorgen. Wir möchten Partner sein für alle, die im Land etwas voranbringen möchten. Das gilt für die Wirtschaft, wo es mehr Freiheiten braucht. Das gilt im Pflegebereich, wo es diese Wahlfreiheit wieder braucht. Und das gilt auch für die Gemeinden. Viele Gemeinden haben im Moment finanzielle Nöte. Hier braucht es eine echte Partnerschaft auf Augenhöhe und kein Oben und Unten. Ich möchte dafür sorgen, dass durch ein neues Miteinander die Karten neu gemischt und viele Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre geändert werden.

schauvorbei.at: Wie schätzen Sie die Stimmung in den Gemeinden ein?
Christian Sagartz: Man sieht ja, dass die regierenden Parteien in ganz Europa und in Österreich ein Problem haben. Jeder amtierende Landeshauptmann musste massive Verluste einstecken. Vorarlberg ist da fast schon eine Ausnahme mit einem Minus von 5 Prozent. Ich glaube, dass viele merken, dass sich der jetzige Weg nicht ausgehen kann.

Das Land Kärnten schlägt beispielsweise Alarm: Dort herrscht eine Pro-Kopf-Verschuldung, die unter der Pro-Kopf-Verschuldung des Burgenlandes liegt. Kärnten setzt jetzt ein Sparpaket um. Der Landeshauptmann im Burgenland hingegen sagt „Alles in Ordnung. Wir können uns weiterhin leisten, Thermen zu kaufen, Burgen zu sanieren, Kulturzentren zu öffnen, auch viele Dinge einzukaufen wie Sektflaschen, Autobusse, Taxiunternehmen …“ Da fragen sich viele Menschen: „Wer wird das bezahlen?“

Diese Frage hat sich zugegebenermaßen vor vielen Jahren nicht gestellt. Ich glaube, dass die finanzielle Situation im Land für wenige eine Motivation war, für ein ausgeglichenes Budget die Partei X oder Y zu wählen. Heute haben aber viele Angst, dass das auf die Menschen zurückfällt. Die Baulandsteuer ist da nur ein Beispiel. Wir haben den höchsten ORF-Beitrag, gemeinsam mit der Steiermark. Wir haben eine erhöhte Tourismussteuer, die Jagdsteuer ist gestiegen. Alle diese Landessteuern ziehen massiv an. Zu Amtsbeginn von Hans Peter Doskozil hatten wir rund 1 Milliarde Euro Schulden, jetzt sind es 2,1 Milliarden. Und das sage nicht ich als der böse Oppositionschef, das sagt der Rechnungshof, das sagen die offiziellen Daten des Landes. Und das kann ja nicht ohne Konsequenzen bleiben.

Ohne die wirtschaftliche Lage der nächsten Jahre voraussehen zu können: Es ist auf jeden Fall ein riesiger Ballast, den wir da mitschleppen. 2,1 Milliarden Euro Schulden verursachen Zinsen, Tilgungen und viele Kredite sind sogar endfällig gestellt. Und ich kenne kein Unternehmen und keine Bank, die endfällige Kredite gewähren würde. Das Land kann das. Warum? Weil die Republik haftet. Unser größter Bonitätsfaktor ist nicht, dass wir aus eigener Kraft etwas schaffen, sondern dass wir einen Bürgen haben, einen Ausfallbürgen, die Republik Österreich. Das war in Kärnten genau dasselbe.

schauvorbei.at: Das heißt, Sie würden Sparprogramme in Betracht ziehen? Welche Projekte oder Entwicklungen wären davon betroffen?
Christian Sagartz: Hinterfragt werden muss, warum das Land eine eigene Busflotte betreibt. Da kann man sofort eingreifen. Warum das Land eine Hochzeitsplattform betreibt, Sektflaschen einlagert – das sind alles Projekte, da könnte man sehr schnell sehr viel Geld einsparen. Zwei Beispiele, die es bei mir sicherlich nicht geben würde: Warum hat man eine Zuckerfabrik, die noch dazu denkmalgeschützt ist, um 18 Millionen Euro gekauft? Warum hat man eine Therme zurückgekauft – die Therme in Stegersbach –, obwohl es einen privaten Betreiber gegeben hat, der das weiterhin machen wollte? Weil der Herr Landeshauptmann dann nicht mehr mitbestimmen hätte können, was dort passiert.

Das alleine sind fast 40 Millionen Euro, die mit einem Schlag ausgegeben wurden, ohne dass man hinterfragt hat, ob man sich das überhaupt leisten kann. Wir wissen aus dem Umfeld der SPÖ, dass solche Entscheidungen auf Zuruf, aus einer Laune heraus fallen, aus eben diesem Allmachtsgedanken. Und genau den müssen wir unterbinden. Es braucht ein faires Miteinander und eine Diskussion.

schauvorbei.at: Wie schätzen Sie derzeit die Lebensqualität im Burgenland ein?
Christian Sagartz: Sehr gut. Wir haben Gott sei Dank eine sehr hohe Lebensqualität. Diese garantieren vor allem die 171 Gemeinden. Unsere Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die Gemeinderäte, die Vereine und Ehrenamtlichen machen das Leben im Burgenland lebenswert. Die wenigsten kommen zu uns, weil wir eine Baulandsteuer haben, die höchste Jagdsteuer und die höchste ORF-Abgabe.

schauvorbei.at: Vielen Dank für das Gespräch!

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