Story

Rolle der Doula: Geburtshilfe mit Herz

Endlich ist es so weit – das Wunschkind ist auf dem Weg. Damit es unter den besten Bedingungen auf die Welt kommt, sollte die Geburt für alle Personen so angenehm wie möglich sein. Allen voran natürlich für die Mutter. Viele werdenden Eltern holen sich zu diesem Zweck eine Doula an ihre Seite. schauvorbei.at hat mit Doula Karoline Widhalm über diese spezielle Form der Schwangerschaft-, Geburts- und Wochenbettbegleitung gesprochen.
Doula: schwangere Frau in Jeans und weiter Blume sowie großem Babybauch
Mit einer Doula wird die Geburt und die ersten Woche danach entspannter. © Getty Images

schauvorbei.at: Woher stammt das Konzept der Doula?
Karoline Widhalm:
Eigentlich ist das Konzept der Doula etwas ganz Ursprüngliches. Seit jeher war es üblich, dass Frauen zusammengekommen sind, um werdenden Müttern bei der Geburt beizustehen und sie zu unterstützen. Ab den 80er-Jahren haben sich dann immer mehr Studien mit dem Phänomen der Doulas befasst, und bis heute bestätigt die Wissenschaft immer wieder aufs Neue, dass die Begleitung durch eine Doula eine Vielzahl an Vorteilen für Mütter und ihre Babys aufweist. Es ist also keineswegs ein neuer Trend, sondern eigentlich die Erinnerung an eine zeitenüberdauernde Tradition. Der Begriff selbst kommt aus dem Altgriechischen und kann mit „Dienerin“ übersetzt werden.

„Eine Doula ist lebenspraktisch und individuell  für ihre Klientinnen da.“
Karoline Widhalm

schauvorbei.at: Was ist der Unterschied zwischen einer Doula und einer Hebamme?
Karoline Widhalm: Hebammen sind Expertinnen für Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett. Als essenzieller Teil des medizinischen Personals für werdende und frischgebackene Mütter sind sie fester Bestandteil jeder Geburt. Auch das Gesetz in Österreich unterstützt diese Ansicht durch eine Pflicht zur Beiziehung einer Hebamme zu jeder Geburt. Hebammen tragen dabei für Mutter und Kind gleichermaßen Verantwortung und sorgen für ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden.

Doulas hingegen führen keinerlei medizinische Untersuchungen oder Beratungen durch und übernehmen keine Hebammentätigkeiten. Sie begleiten Frauen und ihre Partner auf nicht-medizinischer Ebene während der Schwangerschaft, rund um die Geburt und im Wochenbett. Dabei stehen die emotionale Begleitung sowie die Steigerung des Wohlbefindens der Frauen und Eltern im Fokus. Eine Doula ist lebenspraktisch und individuell für ihre Klientinnen da. Sie bietet entsprechend den jeweiligen Bedürfnissen maßgeschneiderte Unterstützung. Das können im Einzelfall ganz unterschiedliche Dinge sein: von Entspannungsmomenten mit achtsamen Berührungen über kraftspendende Worte, Handhalten während der Wehen, ein offenes Ohr für die Sorgen und Anliegen der Eltern bis hin zur schnellen Vernetzung mit diversen Fachpersonen, wenn spezielle Unterstützung gefragt ist.

Besonders wichtig ist dabei die Etablierung einer vertrauensvollen Beziehung, sodass sich die Klientinnen über die Zeit der Begleitung hinweg sicher, geborgen und selbstermächtigt fühlen. Nicht zuletzt deswegen empfiehlt auch die WHO Doulas. Mutter und Kind profitieren nachweislich, wenn Doulas durch ihre kontinuierliche Begleitung mitwirken.

schauvorbei.at: Worin liegen die Vorteile, eine Doula und eine Hebamme zu haben?
Karoline Widhalm: Die Doula ist ausschließlich für eine Frau bzw. ein Elternpaar da und begleitet kontinuierlich im Schlüssel 1:1. Im Vergleich dazu muss eine Hebamme mitunter mehr als eine Frau gleichzeitig betreuen und hat parallel dazu verschiedene Aufgaben im Hintergrund zu erledigen. Jene, die wichtig sind für die Gewährleistung eines korrekten und sicheren Versorgungs- und Arbeitsablaufs im Rahmen des Krankenhausalltags.

Zahlreiche Studien konnten deutlich nachweisen, dass die Anwesenheit einer geschulten und geburtserfahrenen, jedoch nicht dem Krankenhaus zugehörigen Begleitperson eine Reihe an Vorteilen für Mama und Baby mit sich bringt. Damit wird das Doula-Phänomen schön zusammengefasst: kürzere Geburtsdauer, höhere Zufriedenheit mit der Geburtserfahrung für Mütter und Väter, bessere Stillerfolge, weniger Einsatz von Schmerzmitteln und operativen Maßnahmen, deutlich weniger Kaiserschnitte, weniger Angst während der Geburt, positive Effekte auf die Eltern-Kind-Bindung und die Paarbeziehung.

Zudem kann die Doula auch den werdenden Vater entlasten. Dieser ist sonst oftmals die einzige enge Bezugsperson, mit der eine Frau gemeinsam die Geburt erlebt. Er ist dabei selbst Laie und zugleich Betroffener, der unmittelbar ins Geschehen involviert ist und im Kreissaal steht. Dennoch ist die Doula stets als Ergänzung zur Hebamme und niemals als Ersatz zu sehen. Hebammen tragen mit ihrer Kompetenz und ihrem Einsatz entscheidend zur Qualität der heutigen Geburtshilfe bei und jede Geburt in Österreich wird von einer Hebamme betreut. Das eine schließt das andere nicht aus – ganz im Gegenteil! Idealerweise sind sowohl Hebamme als auch Doula Teil des Geburtsteams und arbeiten im Rahmen ihrer Professionen Hand in Hand – für bestmögliche Ergebnisse für die Babys, die Frauen und deren Partner.

„Bei jedem Besuch und Kontakt ist es das Anliegen der Doula, für die Frau einen Raum zu öffnen, in dem sie sich gehalten, gehört, gesehen, wertgeschätzt und anerkannt fühlt.“
Karoline Widhalm

schauvorbei.at: Psychologisch gesehen – warum kommt es zu kürzerer Geburtsdauer, besseren Stillerfolgen und höherer Zufriedenheit mit der Erfahrung der Geburt, wenn eine Doula anwesend ist?
Karoline Widhalm: Die emotionale Begleitung von professionellen Doulas sowie deren Effekte sind komplexer als bislang angenommen. Diese Unterstützung, verbunden mit ihrer kontinuierlichen Präsenz, scheint der Schlüssel für den Erfolg der Rolle der Doula zu sein. Aus meiner Sicht spielen hier mehrere Dinge zusammen. Wir Doulas entwickeln mit den Frauen und Paaren während der Zeit der Begleitung eine mitunter innige, von Vertrauen und unbedingter Wertschätzung geprägte Beziehung. Die Menschen fühlen sich wohl und haben das Gefühl, nahezu jedes noch so persönliche Anliegen offen teilen zu können. Sie spüren, dass man diesen besonderen Weg jetzt gemeinsam geht. Zudem haben sie nun jemanden an ihrer Seite, dem wirklich wichtig ist, wie es ihnen geht, und der mit ganzem Herzen, Wissen und professioneller Erfahrung für sie da ist.

Das führt dazu, dass man sich beim Geburtsprozess eher hingeben und Vertrauen fassen kann – in sich selbst, das medizinische Personal und den noch ungewissen Lauf der Dinge. Denn eines ist klar: Planbarkeit ist bei einer Geburt kaum gegeben. Wer es aber so empfindet, dass er geborgen ist und gut begleitet wird, der fühlt sich auch sicher. Dann können die Hormone gut fließen und ihre Wirkung entfalten. Außerdem ist man als Gebärende dann eher dazu in der Lage, auf Situationen spontan zu reagieren und mit dem Geburtsteam für das bestmögliche Ergebnis zusammenzuarbeiten.

schauvorbei.at: Was bedeutet „mothering the mother“ in diesem Zusammenhang?
Karoline Widhalm: Man kennt es: Wird ein Baby geboren, können manche Verwandten und Freunde es mitunter kaum abwarten, den jüngsten Familienzuwachs endlich zu besuchen. Baby halten, streicheln und bewundern. Dabei wird bei einer Geburt nicht nur ein Baby geboren, sondern auch eine Mutter. Das Wochenbett, also die ersten Wochen nach einer Geburt, ist eine oft unterschätzte Phase. Man lernt das eigene Baby erst kennen, schläft wenig und hat kaum bis keine Zeit für die üblichen Erledigungen. Die Wäscheberge türmen sich, der Geschirrspüler wartet aufs Ausräumen und womöglich braucht ein älteres Geschwisterkind gerade viel Zuwendung. Mit der Zeit findet man in den neuen gemeinsamen Alltag. Doch bis dahin erleben es viele Eltern als massive Entlastung, wenn in den ersten paar Wochen regelmäßig jemand vorbeikommt, der nichts von ihnen möchte und nur da ist, um dafür zu sorgen, dass es der frischgebackenen Mama und der Familie gut geht.

Das betrifft wiederum keine medizinische oder pflegerische Tätigkeit, sondern vielmehr eine praktische und emotionale Unterstützung. Vom kleinen Einkauf über das Falten der Wäsche, das Wärmen einer Mahlzeit bis zum Bringen eines Getränks beim Stillen gibt es eine breite Palette an Möglichkeiten. Darüber hinaus bereitet das alles eine Basis für den Austausch über die Geburt, die Herausforderungen mit dem neuen Erdenbürger sowie die schönen Momente der Wochenbettzeit. Es geht vor allem darum, Mütter und ihre Partner zu entlasten. Darüber hinaus haben einige Doulas Zusatzqualifikationen in anderen Fachbereichen, die einfließen können.

Doch „mothering the mother“ beginnt schon viel früher als im Wochenbett. Bei jedem Besuch und Kontakt ist es das Anliegen der Doula, für die Frau einen Raum zu öffnen, in dem sie sich gehalten, gehört, gesehen, wertgeschätzt und anerkannt fühlt. Sie wird emotional, zwischenmenschlich und mit praktischen Handreichungen umsorgt und darf in der Geborgenheit des Miteinanders ihren sicheren Hafen finden.

„Wann immer man sich die Begleitung einer Doula wünscht, ist es genau richtig.“
Karoline Widhalm

schauvorbei.at: Wie wird man eine Doula?
Karoline Widhalm: Es gibt österreichweit sowie international unterschiedliche Stellen, die Ausbildungen und Trainings anbieten. Diese sind nicht obligatorisch. Allerdings ist es sinnvoll, sich über Geburtskultur sowie rund um die Themen Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett professionelles Wissen anzueignen, um die eigenen Fähigkeiten zu trainieren und zu reflektieren. Dadurch kann man eine professionelle Identität entwickeln und die Doulas nach außen entsprechend repräsentieren. Denn es ist von entscheidender Bedeutung für eine gelungene Zusammenarbeit mit Hebammen, Ärzten und Co, professionelle Zuständigkeitsgrenzen stets zu wahren. So können die begleiteten Eltern-Kind-Paare bestmöglich von unserer Tätigkeit profitieren.

Ich selbst habe das österreichische Doula-Training beim Verein „DiA – Doulas in Austria“ in der Steiermark absolviert. Seine Mitglieder haben sich einem eigenen Ethik-Kodex verschrieben. Dieser forciert die Sicherheit von Mutter und Kind und berücksichtigt die professionellen Kompetenzen der Doulas mitsamt deren Grenzen. Das schafft erfahrungsgemäß eine sehr gute Basis für interdisziplinäre Zusammenarbeit.

schauvorbei.at: Muss man selbst bereits ein Kind geboren haben, um diesen Beruf auszuüben?
Karoline Widhalm: Nein, aber manche Anbieter erwähnen, dass eigene Geburtserfahrungen wünschenswert wären. Es stellt allerdings keine Voraussetzung dar, da anderen Kriterien weitaus mehr Bedeutsamkeit zu kommt.

schauvorbei.at: Wann sollte man sich eine Doula suchen?
Karoline Widhalm: Wann immer man sich die Begleitung einer Doula wünscht, ist es genau richtig. Manche Frauen melden sich schon sehr früh in der Schwangerschaft, andere hören erst mittendrin von Doulas und melden sich begeistert mit einer Anfrage, wieder andere entwickeln erst zeitnah zur Geburt das Bedürfnis nach einer Doula-Begleitung. Je früher man dran ist, umso wahrscheinlicher ist natürlich, dass die gewünschte Doula noch verfügbare Ressourcen für die nachgefragte Begleitung hat. Es gibt jedoch auch konkrete Anlässe, die womöglich eher ungeplant und spontan den Wunsch nach einer Doula auslösen. Dazu zählen z. B. eine stille Geburt, ein Beziehungsende oder ein Schwangerschaftsabbruch. Der geplante Geburtsort ist übrigens keine Voraussetzung für die Doula-Begleitung. Viele Doulas begleiten sowohl im Krankenhaus, im Geburtshaus als auch bei einer Hausgeburt.

„Wie bei so vielem in dieser Lebensphase dreht sich auch hier alles um den Bauch: Man darf dem eigenen Bauchgefühl und seiner Intuition vertrauen. Sympathie ist ein entscheidender Faktor.“
Karoline Widhalm

schauvorbei.at: Wie weiß ich, dass die Doula zu mir passt?
Karoline Widhalm: Wie bei so vielem in dieser Lebensphase dreht sich auch hier alles um den Bauch: Man darf dem eigenen Bauchgefühl und seiner Intuition vertrauen. Sympathie ist ein entscheidender Faktor. Es muss menschlich einfach passen. Das spüren viele Frauen bereits bei der Recherche im Internet, wenn sie ein Bild der Doula sehen. Spätestens aber beim ersten, meist unverbindlichen persönlichen Kennenlerngespräch. Dabei hat man dann auch die Gelegenheit, sich näher über die Doula selbst und ihre Qualifikationen zu erkundigen sowie offene Fragen zu klären, um eine überzeugte Kopf-Herz-Entscheidung zu treffen.

schauvorbei.at: Was war dein bisher schönstes Erlebnis?
Karoline Widhalm: Da fange ich gleich an zu lächeln und mir kommen ganz viele wunderschöne und berührende Erlebnisse in den Sinn. Aber ganz besonders unter die Haut gehen mir zwei Momente in meiner Doula-Tätigkeit. Zum einen ist es der Abschied von der werdenden Mama bzw. den werdenden Eltern, bis ich das nächste Mal zur Geburt gerufen werde. Diese Trennung auf absehbare und zugleich doch unbestimmte Zeit lässt den Zusammenhalt, die geteilte Vorfreude und Verbundenheit stark spürbar werden.

Zum anderen gibt es während der Geburt mitunter einen Moment zwischen mir und der Gebärenden, in dem sich unsere Blicke treffen und die Zeit kurz stillsteht. Dieser Moment spricht Bände. Denn er erzählt von Stolz und einem inneren Kräfteringen bei der Mutter. Er fühlt sich für sie an wie ein Tauziehen bei den letzten Metern der Geburt. Es kommen ihnen Zweifel, ob sie es wirklich schaffen können. Dabei ist dieser Punkt mittlerweile wie eine Rückversicherung für mich, dahingehend, dass der Berg fast bezwungen ist. Denn diese Gedanken haben Gebärende immer, ehe das Baby kurz darauf am Bauch der Mutter seinen ersten Schrei von sich gibt. Einfach bewegend.

schauvorbei.at: Vielen Dank für das Gespräch!

Über Karoline Widhalm

Karoline Widhalm ist diplomierte psychologische Lebens- und Sozialberaterin in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland. Neben ihrer Rolle als Doula ist sie auch als lizensierte Kursleiterin für Dunstan Babysprache, zertifizierte Stillberaterin und Bildungs- & Erziehungswissenschaftlerin unterwegs.

 

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