schauvorbei.at: Was macht für Sie das Urlaubsland Niederösterreich aus? Worin liegt die besondere Stärke und Identität des Landes als Tourismusdestination?
Johanna Mikl-Leitner: Niederösterreich ist ein weites Land – im geografischen Sinn als größtes Bundesland Österreichs, aber auch im Hinblick auf die Fülle an Möglichkeiten, die es Gästen bietet. Von erholsamen Urlaubstagen bis hin zu aktiven Outdoor-Erlebnissen, von Bade- und Wellness-Urlaub über Rad- und Wandertouren oder Wintersportangeboten bis hin zu kulinarischen und kulturellen Erlebnissen sowie Business-Locations – all das findet man hier in unmittelbarer Nähe. Diese Vielfalt hat eine gemeinsame Klammer: Unsere Gastgeberinnen und Gastgeber – gemeinsam mit ihren Mitarbeitenden – prägen mit ihrer Herzlichkeit und typisch niederösterreichischen Gastfreundschaft das Urlaubserlebnis. Diese Kombination aus einem breit gefächerten Angebot, regionalen Besonderheiten und echter, gelebter Gastfreundschaft macht Niederösterreich zu einem Urlaubsland, in das Menschen immer wieder gerne zurückkehren.
schauvorbei.at: Ihre Vision ist, dass Niederösterreich vom Ausflugsland zum Kurzurlaubs- und schließlich zum Haupturlaubsland werden soll. Welche Maßnahmen setzt das Land, um dieses Ziel zu erreichen?
Johanna Mikl-Leitner: Der Ausflugstourismus hat für Niederösterreich eine enorme Bedeutung: Er sorgt für rund 60 Prozent der touristischen Wertschöpfung – ein Spitzenwert im Bundesländervergleich. Gleichzeitig zeigen uns die Daten der Niederösterreich-CARD, dass fast 30 Prozent der CARD-Besitzerinnen und -Besitzer im Zuge eines Ausflugs bereits über Nacht geblieben sind. In dieser Zahl steckt ein großes Potenzial, das wir heben wollen. Denn wer länger bleibt, erhöht auch die Wertschöpfung im Land.
Deshalb setzen wir Maßnahmen, die Ausflugsgäste dazu motivieren, länger in Niederösterreich zu verweilen. Ein zentraler Hebel sind Kombinationsangebote aus Aktivitäten, Unterkünften und Kulinarik. Die Qualität bei der Nächtigung wird für Gäste immer wichtiger. Und deshalb freue ich mich auch, dass immer mehr Gastgeber in die Qualität ihrer Angebote investieren. So arbeiten wir gemeinsam daran, Niederösterreich vom Ausflugsziel zum Urlaubsland weiterzuentwickeln.
schauvorbei.at: Radfahren spielt dabei eine zentrale Rolle. Was macht Niederösterreich zur „Raddestination im Herzen Europas“? Und welche Investitionen fließen aktuell in Infrastruktur und Qualität?
Johanna Mikl-Leitner: Das stimmt. Bei unseren Gästen aus dem Ausland ist jeder zweite ein Rad-Urlauber. Insgesamt sorgt der Radtourismus für rund 400.000 Nächtigungen und rund 60 Millionen Euro Umsatz pro Jahr. Um die Qualität auf den Strecken und bei Angebot, Service und Infrastruktur zu sichern, investieren wir in Ausbau und Weiterentwicklung. 2024 startete die Qualitätsoffensive „Radpartner Niederösterreich“ für niederösterreichweit 370 Betriebe mit besonderem Service für Radreisende, etwa sichere Abstellplätze, Werkzeug und Platz für kleine Reparaturen sowie radfreundliche Verpflegung. Laufend kommen Ausflugsziele, Direktvermarkter sowie Reparatur- und Verleihbetriebe dazu.
Parallel wird die Orientierung auf den Routen verbessert: Bis zum Frühjahr 2026 werden im Wein- und Waldviertel 35 Radwege mit 6.000 neuen Schildern ausgestattet.
schauvorbei.at: Ein weiterer Schwerpunkt ist die Kulinarik. Welche Rolle spielt die niederösterreichische Wirtshauskultur als touristisches Aushängeschild? Und wie gelingt es, Tradition und zeitgemäße Gastronomie miteinander zu verbinden?
Johanna Mikl-Leitner: Die Wirtshauskultur ist eines unserer stärksten touristischen Aushängeschilder, weil sie Niederösterreich für Gäste unmittelbar erlebbar macht. In unseren Wirtshäusern schmeckt man die Regionen – von den Produkten unserer Bäuerinnen und Bauern bis zu den Weinen – und erlebt echte Gastfreundschaft. Das ist genau jene Authentizität, die sich Gäste im Urlaub heute wünschen. Genau das lebt die Wirtshauskultur Niederösterreich mit ihren rund 200 Mitgliedsbetrieben – vom Dorfwirtshaus bis zum Haubenlokal – seit mehr als 30 Jahren nun vor. Mit dem neu gewählten Obmann Hartmuth Rameder und seinem Team wird die Wirtshauskultur Niederösterreich diesen eingeschlagenen Weg weiter fortsetzen.
schauvorbei.at: Niederösterreich gilt auch als Weinland von internationalem Rang. Wie stark trägt der Weinbau zur touristischen Positionierung und zur wirtschaftlichen Wertschöpfung im Land bei?
Johanna Mikl-Leitner: Mit rund 28.000 Hektar Rebfläche und etwa 60 Prozent der gesamten österreichischen Weinproduktion ist Niederösterreich nicht nur das größte Weinbaugebiet des Landes, sondern auch der bedeutendste Produzent von Qualitätswein. Der Wein prägt neben der Landwirtschaft auch das Lebensgefühl Niederösterreichs. Er ist fixer Bestandteil vieler touristischer Erlebnisse. Der Weinherbst Niederösterreich ist dafür das beste Beispiel: Er ist die größte weintouristische Initiative Europas und eines unserer stärksten Markenzeichen. Sein Erfolg liegt darin, dass er sich stetig weiterentwickelt hat, ohne seine Wurzeln zu verlieren. Er verbindet Veranstaltungen, Kulinarik, Begegnungen mit Winzerinnen und Winzern sowie Erlebnisse in den Weinbergen zu einem Gesamtpaket, das Gäste aus dem In- und Ausland begeistert.
schauvorbei.at: Kunst und Kultur sind fixer Bestandteil des touristischen Angebots. Wie wichtig sind Festivals, Kulturveranstaltungen und regionale Initiativen für das Image des Landes als Ganzjahresdestination?
Johanna Mikl-Leitner: Kunst und Kultur sind bei uns längst kein hübsches Zusatzprogramm im Urlaub mehr. In Niederösterreich sind sie ein echter Standortfaktor. Unsere Festivals, unsere Theater, Museen, Ausstellungen und all die engagierten regionalen Initiativen schaffen eine glaubwürdige Identität und eine spürbare Lebensqualität. Man spürt das sofort, wenn man durch die Wachau geht, nach Grafenegg kommt, bei einem Sommerabend am Semmering, in Reichenau oder beim Theatersommer Haag. Diese Orte erzählen etwas über unser Land, unsere Gastfreundschaft und darüber, dass Genuss und Kultur bei uns zusammengehören. Genau dieses Zusammenspiel macht das Land als Ganzjahresdestination so attraktiv.
Und: Kultur wirkt auch wirtschaftlich. Jeder Euro, der in Festivals und Kulturinitiativen fließt, löst ein Vielfaches an Wertschöpfung aus – in den Regionen, in den Betrieben, im Tourismus. Die Nächtigungszahlen bei großen Kulturereignissen sprechen eine klare Sprache. Aber genauso wichtig sind die vielen kleineren Initiativen, die das ganze Jahr über Frequenz bringen und unsere Orte beleben. Kultur schafft Arbeit, belebt Innenstädte, stärkt den ländlichen Raum und hält junge Menschen in der Region.
schauvorbei.at: Neben Freizeit- und Urlaubsgästen spielt der Wirtschaftstourismus – also Kongresse, Tagungen und Seminare – eine immer größere Rolle. Welche Bedeutung hat dieser Bereich für Niederösterreichs Tourismusbilanz?
Johanna Mikl-Leitner: Der Wirtschaftstourismus ist eine der tragendenden und vor allem sehr stabilen Säulen im niederösterreichischen Tourismus: Im Winter ist beinahe jede zweite Nächtigung auf Kongresse, Seminare oder Tagungen zurückzuführen, im Sommer knapp jede dritte. Das zeigt deutlich, wie stark dieser Bereich zur Auslastung unserer Betriebe beiträgt, und das über das ganze Jahr hinweg. Die Nähe zu Wien, die gute Erreichbarkeit und das breite Angebot an professioneller Infrastruktur für Wirtschaftsreisende, Seminarveranstalter und Kongresse machen Niederösterreich zu einem beliebten Ziel im Business-Bereich. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Convention Bureau Niederösterreich. Es fungiert als unabhängige Informations- und Koordinationsstelle für Businessgäste und unterstützt Unternehmen, Institutionen und Verbände aus dem In- und Ausland bei der Planung und Umsetzung ihrer Veranstaltungen.
schauvorbei.at: Nachhaltigkeit wird im Tourismus zunehmend zur Grundvoraussetzung. Welche Rolle spielen Green Meetings und ökologische Standards in der Tourismusstrategie des Landes?
Johanna Mikl-Leitner: Immer mehr Veranstalterinnen und Veranstalter legen Wert auf ökologische Standards und interessieren sich für Green Events und Green Meetings. Gleichzeitig beobachten wir, dass immer mehr Betriebe gezielt Veranstaltungslocations suchen, die zertifizierte Green Meetings ermöglichen – nicht nur aus Überzeugung, sondern weil sie damit ihre eigenen Nachhaltigkeitsrichtlinien erfüllen müssen. Nachhaltigkeit wird damit zu einem zentralen Entscheidungskriterium in der Wahl des Veranstaltungsortes. Unser gemeinsames Ziel ist, den Tourismus in Niederösterreich nachhaltig zukunftsfähig zu gestalten. Wir wollen Erlebnisse ermöglichen, die Gäste bereichern, ohne natürliche Ressourcen unnötig zu belasten und Mehrwert für Menschen, Natur und Regionen bieten.
schauvorbei.at: Digitalisierung verändert die Tourismusbranche stark. Wie unterstützen Sie Betriebe dabei, die Chancen von künstlicher Intelligenz, etwa im Rahmen der Initiative „KI im Tourismus“, für ihren Alltag zu nutzen?
Johanna Mikl-Leitner: Digitalisierung und KI verändern den touristischen Alltag immer mehr. Tourismusbetriebe stellen sich dieser Veränderungen. Mit unserem Gastgeber-Coaching stehen wir den Betrieben zur Seite, Unterstützung gibt es auch mit der Workshop-Reihe „KI im Tourismus“. Seit 2024 haben bereits rund 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer dieses kostenlose Angebot genutzt. In den Workshops wird mit Beispielen aus den Betrieben, mit Fokus auf Struktur, Klarheit und unmittelbare Anwendbarkeit gearbeitet.
Ziel ist, mit oder ohne technische Vorkenntnisse den Blick zu schärfen, wo KI den Betrieben tatsächlich weiterhilft. Dieses Angebot soll auch 2026 weiter geboten werden.
schauvorbei.at: Abschließend gefragt: Wenn Sie Gästen Niederösterreich in drei Worten beschreiben müssten: Welche wären das?
Johanna Mikl-Leitner: In drei Worten? Authentisch, regional, familienfreundlich. Denn Niederösterreich bietet echte Begegnungen, besondere Genussmomente und abwechslungsreiche Erlebnisse, die man in jeder Region und zu jeder Jahreszeit spürt.
schauvorbei.at: Vielen Dank für das Gespräch!




