Beim Frühstück werden bereits nebenbei die Mails gecheckt, das Mittagessen wird durch wichtige Anrufe unterbrochen und beim Abendessen wird endlos durch Social Media gescrollt. Da möchte man sich einfach nur wegwünschen. Am besten an einen Ort, an dem man Sonne tanken, frische Luft in die Lungen strömen lassen und einfach abschalten kann. Das klingt schon eher nach gut genutzter Quality Time.
Egal, ob man gemütlich durch den Wald spaziert, Blätter den Bäumen in der Umgebung zuordnet oder ein entspanntes Picknick auf einer Wiese macht: Eine Auszeit im Grünen bietet mehr als nur Offline-Zeit. Das bestätigen auch zahlreiche Studien. Kinder, die viel Zeit mit Flora und Fauna verbringen, profitieren auf mehreren Ebenen – kognitiv, mental, physisch, aber auch psychisch.
Gutes Mindset
„Die Natur hilft, Stress abzubauen, sich besser zu fühlen und sich besser konzentrieren zu können“, so Edith Klausner, Direktorin vom Nationalpark Donau-Auen. Das bestätigte eine Studie von Kaplan und Kaplan. Sie erläuterte, dass Kinder, die regelmäßig in grünen Umgebungen spielen, aufmerksamer sind und eine größere Flexibilität aufweisen. Außerdem zeigte sich der sogenannte „restoartive effect“. Dieser spricht für eine regenerierende Wirkung, durch die die Konzentrationsfähigkeit und somit die mentale Ausdauer gestärkt werden.
Nicht nur schulische Fähigkeiten profitieren von der Zeit in der Natur, auch die emotionale Intelligenz wird gesteigert. Kinder, die sich regelmäßig in Flora und Fauna aufhalten, können ihre Empathie und das eigene Selbstbewusstsein steigern. Zudem können sie ihre eigenen Emotionen besser regulieren und verstehen. Das ergab eine Untersuchung von Barton und Pretty. Weiters wurde bereits bewiesen, dass soziale Skills dadurch verbessert werden. Zu diesem Schluss kam eine Untersuchung des Bundesgesundheitsblatts.
Into the Woods
Apropos sozial: „Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass man für eine bestimmte Zeit die digitale Welt hinter sich lassen und sich ohne Ablenkung durch das Smartphone entspannen kann“, führt Klausner aus. Durch Zeit in der Natur gibt man dem Nachwuchs aber nicht nur schöne Erinnerungen mit, sondern auch Werkzeug, um den Alltag bestmöglich zu meistern. Denn es gibt eine Reihe von direkten und Langzeit-Vorteilen. So verringert der Aufenthalt in der Natur das Stressniveau bei Kindern. Das fand eine Studie von Kuo heraus. Engemann stellte in einer weiteren Untersuchung fest, dass Kinder, die in einer grünen Umgebung aufwachsen, ein 55 Prozent geringeres Risiko haben, später an psychischen Erkrankungen wie Depressionen zu erkranken als jene, die es nicht tun.
Dazu muss man sagen, dass natürlich nicht nur die psychische, sondern auch die physische Gesundheit von der Zeit zwischen grünen Wiesen und weiten Feldern profitiert. „Aktivitäten im Freien fördern die körperliche Bewegung und stärken das Immunsystem sowie die Schlafqualität“, erklärt die Expertin. Es führt auch dazu, sowohl Adipositas als auch Infektionen vorzubeugen. Das belegt die Arbeit von Bonndoc.
Von klein auf
„Früh übt sich“ bedeutet in diesem Kontext, dass Kinder, die bereits in jungen Jahren an die Natur herangeführt werden, später zu umweltbewussten Erwachsenen werden und sowohl sensibler als auch nachhaltiger auf naturbezogene Themen reagieren. Das bestätigten Sellmann-Risse, Fränkel und Basten in ihrem Paper.
Auch Nationalparkdirektorin Klausner hat dies bereits in ihrer langjährigen Erfahrung auf diesem Gebiet festgestellt: „Unsere Erfahrung zeigt, dass das unmittelbare Erleben der Natur bei den Kindern und Jugendlichen Verständnis für ökologische Zusammenhänge, Artenkenntnis und Umweltbewusstsein fördert. Unsere Gäste lernen – ob jung oder alt – bei uns die Naturschätze ihrer Region kennen, und was man schätzt und liebt, ist man auch bereit zu schützen. Ein gutes Beispiel dafür, wie Naturerfahrungen junge Menschen prägen können, ist unser langjähriges Junior Ranger Programm.“ Neben erlebnisreichen Sommerwochen mit Exkursionen gehören aktive Naturschutzeinsätze – wie der Lebensraumschutz von Reptilien oder das Einsetzen von Bäumen – zu den Aufgaben der Ranger.
Bunt wie die Natur
Um diesen Entdeckergeist der Nachwuchs-Forscher zu wecken, gibt es vom Nationalpark Donau-Auen ein breites Programm für Kindergartengruppen bis hin zu Oberstufenklassen. „So zeigen wir unseren Gästen verschiedene Lebensräume wie den Auwald, die unterschiedlichen Gewässersysteme der Au, Uferzonen und Auwiesen. Wir erklären die verschiedenen Pflanzen- und Tierarten, die dort leben, und wie sie miteinander interagieren. Beim Tümpeln beispielsweise bringen wir den Kindern und Jugendlichen die Bedeutung von Wasserökosystemen näher. Wasserproben werden entnommen und analysiert und die verschiedenen Organismen beschrieben“, berichtet die Direktorin.
Allerdings werden mit dem Programm noch viel mehr Interessen und Talente gefördert als bloß Umweltbewusstsein. „Zahlreiche Studien zeigen, dass Naturerfahrungen die Entwicklung von Kindern positiv beeinflussen. Der Aufenthalt in der Natur fördert motorische Fähigkeiten und Kreativität“, erklärt Klausner. Dies bestätigte ein wissenschaftlicher Beitrag von Greif.
Zehn Praxistipps von der Expertin
Selbstverständlich muss ein Kind kein Ranger sein, um von diesen Vorteilen profitieren zu können. Natur umgibt uns überall – auch in der Stadt. Zu verschiedenen Jahres- und Tageszeiten kann man unterschiedliche Vögel, Insekten, Tiere und Pflanzen beobachten. Hier kommen zehn Tipps von Nationalparkdirektorin Edith Klausner:
- „Es grünt so grün“: Die Stadien von Knospen und Blüten bis hin zu Früchten, Laubfall und Winterruhe lassen sich an der Vegetation verfolgen und besprechen.
- Das große Krabbeln: Insekten tauchen im Jahresverlauf auf und verschwinden wieder. Neben einfachem Benennen kann auf Veränderungen geachtet werden, um Achtsamkeit zu üben.
- Na, wer singt denn da? Je nach Tageszeit sind unterschiedliche Vogelstimmen zu hören. Können Sie alle zuordnen?
- Abenteuer Alltag: Neben Ausflügen in Schutzgebiete und Naturräume der Region kann man auch täglich zu Hause die Natur entdecken. Mit einer Lupe kann man die kleinen Wunder der Natur aus nächster Nähe betrachten.
- Dear Diary: Ein Familientagebuch, in dem spannende Beobachtungen festgehalten werden, kann zu einer schönen Tradition werden.
- New Technology: Bestimmungsapps helfen dabei, Pflanzen, Vögel und Insekten zu identifizieren.
- Into the Wild: Beim Spaziergang durch den Park oder Wald kann man beispielsweise interessante Naturmaterialien wie Blätter, Steine oder Zweige sammeln und zu Hause kreative Projekte umsetzen.
- Ab ins Beet: Selbst ein kleiner Garten oder Balkon bietet die Möglichkeit, Pflanzen zu ziehen und mehr über die Natur zu lernen.
- Neue Routinen: Regelmäßige Spaziergänge helfen dabei, die Umgebung bewusst wahrzunehmen.
- Better together: Gemeinsames Basteln, Rätseln oder Lesen von naturnahen Büchern verstärken das Bewusstsein für diesen Themenkreis.