Beim ersten Date weiß man nie, wie es wird. Das gilt auch für ein Land, das man noch nie bereist hat – wie Wales in meinem Fall. Und ich verrate gleich zu Beginn: Es war ganz anders, als viele prophezeit hatten. Was wurde mir nicht von Regen und Nebel erzählt, die in diesem Teil wie im gesamten Vereinigten Königreich ständiger Begleiter sein sollen. „Vergiss den Regenschirm nicht!“, riet man mir mit Augenzwinkern. Weit gefehlt! Regen gab es während meiner einwöchigen Reise nahezu gar keinen – dafür viel Sonnenschein. So gestaltete sich mein Roadtrip entlang eines Gutteils der insgesamt 1.200 Kilometer langen walisischen Küste zumindest optisch wie eine mediterrane Reise, so beeindruckend waren endlose Strände, bizarre Klippen und darüber ein nahezu kitschig blauer Himmel. Nur eines unterscheidet das britische Urlaubsland von südeuropäischen gravierend: die Temperatur. Erreicht die Luft 20 Grad, dann ist das hier schon viel. Ein großer Vorteil, dank dessen die britischen Inseln angesichts des Klimawandels in Zukunft sicher zu den touristischen Gewinnern zählen werden.
Bei zwölf Grad im Meer baden
An eines muss man sich jedoch hier gewöhnen, und das ist das kühle Meer. Ganz schön frisch ist für unsere Verhältnisse sehr zurückhaltend formuliert. Vielen Walisern macht das aber nichts aus, gewohnt ist gewohnt. Als ich bei der Dunraven Bay eine Dame mit Badeanzug, Handtuch und nassem Haar vom Strand kommen sah, erwiderte sie auf meinen fragenden Blick: „It was lovely!“ Und auf meine Frage nach der Wassertemperatur antwortete sie lächelnd: „Oh, maybe twelve degrees.“ So viel zum Wesen der Waliser. Es gibt kein zu kaltes Wasser, nur eine falsche Einstellung.
Leuchttürme als Landmarks
Als bekennender Warmduscher genoss ich eher den berauschenden Anblick des Meeres, der Wellen, der Gischt, am besten garniert mit einem romantischen Leuchtturm. Wales hat jede Menge davon zu bieten, zu manchen lohnt sich auch ein weiter Umweg. Wie zum Beispiel zum South Stack Lighthouse am äußersten Ende der Insel Anglesey im äußersten Nordwesten, die über die Menai Bridge mit dem Kernland verbunden ist. Jede der 25 Meilen zum 1809 errichteten Leuchtturm zahlt sich aus. Während er anno dazumal Seefahrer vor Felsen warnte, ist er heute ein Landmark allererster Güte. Wer ihn besuchen will, muss schon ein wenig Kondition mitbringen. Es sind nämlich zuerst 400 Stufen hinunter zur Brücke auf das kleine Leuchtturminselchen, und dann natürlich ebenso viele wieder hinauf.
Bella Italia In Wales
Im Schweiße meines Angesichts bei diesem beschwerlichen Outdoor-Work-out konnte ich nicht anders, als zur Abwechslung an etwas Schönes zu denken. Und da fiel mir etwas Außergewöhnliches ein, das ich am Vortag erlebt hatte: Bella Italia in Wales. Die Rede ist vom künstlichen Dorf Portmeirion, rund eine Stunde südlich der Insel Anglesey in der Bucht von Tremadog. Diese einzigartige Touristenattraktion wurde vom Architekten Sir Bertram Clough Williams-Ellis im italienischen Stil in den Jahren 1925 bis 1975 geschaffen. Sein Vorbild war Portofino, und tatsächlich fühlt man sich in Portmeirion mit seinen bunten Häusern und grünen Parks wie am mondänen Mittelmeer. Ein weiterer Beweis: Wales hat auch einen stark mediterranen Einschlag.
Gletschersee und Hafenperle
Aber nicht nur, und das zeigte sich gleich im Hinterland von Portmeirion im Snowdonia-Nationalpark. Der größte der drei walisischen Nationalparks gilt mit seinen einsamen Landschaften als Paradies für Wanderer und Bergsteiger. Der Mount Snowdon ist mit 1.085 Metern der höchste Berg des Landes, doch mich reizte eine andere Attraktion: ein Wechsel vom Meer zum Gletschersee. Im Tal-y-llyn Lake am Fuße des Cadair Idris Mountain fühlen sich die Forellen wohl, und menschliche Besucher genießen die Ruhe und den Frieden in einer einzigartigen Landschaft.
Bevor ich nach Portmeirion und Snowdonia kam, war die Reise entlang der walisischen Westküste von einem Highlight nach dem anderen geprägt. Den Anfang machte ich jedoch im Süden mit der Hauptstadt Cardiff und ihrem Pendant Swansea, wo das Naturparadies der Gower-Halbinsel quasi vor der Tür liegt. Nie und nimmer darf man in dieser Gegend das pittoreske Hafenstädtchen Tenby versäumen. Der Besuchermagnet schmiegt sich mit seinen bunten Häusern so schön an die Klippe, dass man auch hier unweigerlich an den Süden denken muss. Die mittelalterliche Stadtmauer und schöne Sandstrände wie der Castle Beach unterhalb der Burgruine machen Tenby zu einem der beliebtesten Urlaubsorte von Wales. Davon gibt es jede Menge, wie ich bei meinem Küstenroadtrip erleben durfte.
Ein Castle nach dem anderen
Man sollte sich angesichts der vielen Attraktionen für die Fahrt vom Süden in den Norden schon zwei Tage Zeit nehmen, denn zu sehen gibt es jede Menge. Wales zeigt sich hier als Land der Burgen, eine schöner und imposanter als die andere. Da wäre zum Beispiel Aberystwyth Castle, eine jener Burgen, die der englische König Eduard I. zur Sicherung der Eroberung von Wales ab 1277 errichten ließ.
Zwei Fjorde gemächlich umfahrend, erreicht man nach rund 65 Meilen die Ruinen von Harlech Castle, das gemeinsam mit drei anderen walisischen Burgen zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt. Eine davon ist Caernarfon, eine mächtige Bastei mit Blick auf die Isle of Anglesey und einer gut erhaltenen Stadtmauer. Caernarfon Castle, vor dem sich in einem Meeresarm Fischer- und Segelboote im Wasser wiegen, geht auf ein römisches Kastell aus dem ersten Jahrhundert nach Christus zurück. In der 650 Jahre alten Burg wurde übrigens König Charles III. am 1. Juli 1969 zum Prince of Wales ernannt.
Der Reiz der Hafenstädte
Neben den Burgen als Zeugen einer großen Vergangenheit sind es auch die vielen reizenden Hafenstädtchen, die den Flair von Wales und seinen Küsten ausmachten. Gleich nach Caernarfon besuchte ich zum Beispiel das kleine Städtchen Porthmadog, das von den Einheimischen in der gebotenen Kürze auch nur Port genannt wird und reich an Seefahrergeschichte ist. Der Hafen spielte früher auch eine wichtige Rolle als Umschlagplatz für Schiefer, der aus Steinbrüchen in der Umgebung gewonnen wurde. Von hier starten Wanderungen entlang des Wales Coast Path.
Etwas weiter im Süden war es wiederum der Küstenort Barmouth an der Cardigan Bay, der mich in seinen Bann gezogen hat. Von Weitem sieht man schon die Eisenbahnbrücke über die Mawddach-Mündung. Das einspurige, 820 Meter lange Holzviadukt zählt zu den bemerkenswertesten Bauwerken in Wales. In Barmouth speiste ich das Nationalgericht Welsh Cawl, einen deftigen Eintopf aus Fleisch, Lauch und Gemüse, bevor ich über die Promenade flanierte und schließlich entlang des fast fünf Kilometer langen Sandstrands wanderte. Genau so stellt man sich einen Urlaub am Meer doch vor!
Norden im Stil des Südens
Dieser fand seinen Ausklang im Norden – und da sind es vor allem zwei Städte, die ein absolutes Muss sind. Zuerst mal Conwy: Die 14.000-Seelen-Stadt krönt eine der größten Burgen des Landes. Die Ringmauer ist noch voll intakt und acht Wehrtürme betonen die Mächtigkeit der Befestigungsanlage. Und als absolutes Gegenstück stattete ich dem kleinsten Haus Großbritanniens einen Besuch ab, bevor ich nach Llandudno weiterfuhr – einer der Ortsnamen, die mit zwei L beginnen, eine Spezialität des Walisischen. Das größte Seebad von Wales punktet mit einer Waterfront aus traditionellen viktorianischen Prachthäusern und der längsten ins Meer hinausragenden Seebrücke von Wales aus dem Jahr 1878 mit Läden und Vergnügungslokalen. Hier stand ich, blickte auf die sanften Wellen, genoss den Sonnenuntergang, dachte an das Erlebte und daran, was bei der nächsten Wales-Reise am Programm stehen wird.
Gute Tipps
Cae Mor Hotel Llandudno: Direkt an der Promenade des alten Seebads liegt das stilvoll renovierte 23-Zimmer-Boutique-Hotel mit langer Tradition. Im Jahr 1890 errichtet, zählt das Cae Mor Hotel heute zu den schönsten Häusern von Llandudno.
Hilton Cardiff: In der walisischen Hauptstadt ist man im Hilton bestens aufgehoben, alleine schon der Lage wegen: Das 4-Sterne-Hotel liegt vis-à-vis dem Cardiff Castle und dem historischen Zentrum mit den Einkaufsarkaden. Vom anstrengenden Citytrip erholt man sich im Wellnesscenter inklusive 18 Meter langem Pool oder im Bar-Restaurant Graze.
Tyn y Cornel Hotel: Mal Abwechslung von Meer und Stadt gefällig? Dann auf zum See Tal-y-llyn im Snowdonia National Park. Hier gibt es außer Natur nichts – nur das Tyn y Cornel Hotel. Wer hier nicht zur Ruhe kommt, findet sie nirgends. Zum Ausgleich bieten sich Kanufahren oder Fischen an.
Wild Pheasant Hotel & Spa: Einen Abstecher ins nordöstliche Hinterland bietet das kleine Marktstädtchen Llangollen. Vom Stadtzentrum einen kurzen Spaziergang entlang des romantischen Flusses Dee entfernt, beherbergt das Wild Pheasant Hotel & Spa Reisende mit allen Annehmlichkeiten.




