Warum hängen eigentlich Schokolade, Geleeringe, Lametta, Kugeln, Lichterketten, Kerzen und Engel auf dem Weihnachtsbaum? Oder noch tiefer nachgebohrt: Wieso holen wir uns zu Weihnachten denn überhaupt einen Nadelbaum in unsere Wohnräume? Was hat dieser Brauch bitte schön mit Christi Geburt zu tun?
Um diese Frage zu beantworten, müssen wir in der Zeit weit zurückreisen. Genauer gesagt ins alte Ägypten, wo schon vor Jahrtausenden immergrüne Pflanzen – wie es auch unsere Weihnachtsbäume sind – zur Dekoration äußerst beliebt waren. Damals wie heute gelten wintergrüne Gewächse nämlich als Symbol für Vitalität und Hoffnung. Auch die antiken Chinesen schmückten tausende Kilometer weiter entfernt ihre Häuser mit immergrünen Pflanzen – als Sinnbild des ewigen Lebens. Später verzierten auch die Römer ihr Zuhause um Neujahr mit immergrünen Lorbeerzweigen. Den Germanen dienten immergrüne Gewächse indes zum Schutz vor bösen Geistern. Ganze Bäume stellte man in all diesen Kulturen aber wohl recht selten auf. Vielmehr bediente man sich zur Dekoration Zweigen, sorgsam hergestellten Kränzen oder Girlanden.
Der Brauch des Aufstellens eines Baums trat vermutlich erst im Zuge der mittelalterlichen Paradiesspiele in Erscheinung. Bei diesen handelte es sich um theaterähnliche Darstellungen der Geschichte von Adam und Eva. Christlichen Analphabeten sollte auf diesem Wege erklärt werden, wie die sogenannte Erbsünde in die Welt kam. Klarerweise benötigte man für die Erzählung auch den berüchtigten Baum der Erkenntnis. Da die Paradiesspiele traditionellerweise aber immer am 24. Dezember – neben dem Geburtstag Jesu Christus auch der Gedenktag Adams und Evas – abgehalten wurden, stand man in vielen Teilen des christlichen Europas vor einem gewaltigen Problem. Woher sollte man mitten im Winter einen paradiesisch-grünen Baum nehmen? Die Auswahl war beschränkt und so fiel die Wahl notgedrungen auf immergrüne Pflanzen aller Art. Je nach Region fanden zu den Paradiesspielen also Stechpalmen, Büsche, oder vielerorts eben Tannenbäume ihren Weg auf die Bühne. Diese „Bäume der Erkenntnis“ wurden dann zumeist noch mit einem – auch im Winter – roten Apfel behangen, der die verbotene Frucht darstellte. Tada, der Weihnachtsbaum war geboren. Naja, noch nicht so ganz, aber wir sind nah dran.
Interessanterweise folgten auf die Paradiesspiele im Mittelalter die auch heute noch weitverbreiteten Krippenspiele. Für die Kirche gehörten die zwei eben zusammen. Auf die von Adam und Eva in die Welt gebrachte Erbsünde musste, ganz im Sinne eines Happy Ends, die Geburt des Erlösers folgen. Und vermutlich blieb der „Baum der Erkenntnis“ damals im Krippenspiel Teil des Bühnenbildes. Wahrscheinlich vermischten sich die Bräuche wie so oft mit der Zeit, bis immergrüne Bäume in den Köpfen vieler irgendwann einfach zum Fest um Christi Geburt dazugehörten.
Erste schriftliche Verweise, und damit handfeste Belege, für einen Weihnachtsbaum lassen sich schließlich ab dem Ende des Mittelalters finden. Eine Vielzahl der Quellen stammt dabei aus dem Elsass, wo sich Anfang des 17. Jahrhunderts vermutlich bereits in jedem Haushalt, der es sich leisten konnte, ein Christbaum finden ließ. Theorien legen nahe, dass es die Protestanten waren, die den Baum zu Beginn der Neuzeit von den Paradiesspiel-Bühnen ins Wohnzimmer holten. Zum Schutz vor Mäusen hing der Baum damals übrigens noch von der Decke.
Aus dem Elsass gelangte der Brauch schließlich ins heutige Deutschland. Von dort verbreitete er sich durch Kaufleute, Reisende, Adelige und Auswanderer in der gesamten Welt. War der Christbaum anfangs eher in wohlhabenden Kreisen verbreitet, ließ er sich bald schon in den Wohngemächern aller gesellschaftlichen Schichten finden. Bloß die Katholiken verwehrten sich dem Brauch lange Zeit, bis auch sie spätestens zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf den Zug aufsprangen und sich einen Nadelbaum – diese hatten sich inzwischen längst gegen andere immergrüne Gewächse durchgesetzt – als Christbaum ins Haus stellten. Geschmückt wurden die Bäume damals mit Äpfeln, Nüssen und Süßigkeiten. Mit den Moden der Zeit veränderte sich die Dekoration aber freilich immer weiter, sodass sich heute Schokoschirmchen zwischen bunten Kugeln und elektrischen Lichtern tummeln.
Der Vatikan hingegen, focht den Brauch bis tief ins 20. Jahrhundert an. Man befürchtete, der Christbaum könnte die Krippe als weihnachtliches Symbol verdrängen. Erst 1982 erkannte Papst Johannes Paul II den auch unter Katholiken schon längst etablierten Brauch an. Seitdem erstrahlt auch auf dem Petersplatz jedes Jahr ein Weihnachtsbaum. Dieser wird stets aus einem anderen Land importiert, um die weltweite Verbreitung des christlichen Glaubens hervorzuheben.
Aufgrund seiner weltweiten Popularisierung hat sich der Christbaum vielerorts mittlerweile jedoch von seinen christlichen Wurzeln entfernt. Für viele ist der geschmückte Tannenbaum heutzutage nicht nur ein Symbol für das Weihnachtsfest, sondern auch für das nahende neue Jahr oder die Winterzeit im Allgemeinen. Die Beliebtheit des Weihnachtsbaums flacht also nicht ab. Ganz im Gegenteil, gibt es doch jedes Jahr gewaltigen medialen Rummel, wenn die Weihnachtsbäume im Weißen Haus in Washington, D.C., am Trafalgar Square in London oder hierzulande am Wiener Rathausplatz aufgestellt werden. Letzter steht allerdings unter gewaltigem Konkurrenzdruck mit dem „Herzerlbaum“, der ja nur ein paar Meter weiter steht. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.