Genauso wie Adventkalender, Lebkuchen und Weihnachtsmarktbesuche gehört auch der Nikolaustag einfach zur Vorweihnachtszeit dazu. Schon am Vorabend stellen Kinder vorfreudig ihre geputzten Stiefel oder Schuhe vor die Tür, in der Hoffnung, dass der Nikolo sie über Nacht mit Nüssen, Obst, Schokolade und kleinen Geschenken füllt. Vielerorts werden Umzüge veranstaltet, anderswo besucht der Nikolaus mit seinem treuen Gefährten, dem Krampus, Kindergärten, Schulen und Wohnhäuser. All das geschieht Jahr für Jahr am und um den 6. Dezember.
Das Datum ist dabei nicht zufällig gewählt. Der 6. Dezember gilt nämlich als Todestag des historischen Bischofs Nikolaus von Myra, der ums Jahr 350 nach Christus im heutigen Demre in der Türkei verstarb. Das heute verehrte Bild vom Nikolaus geht auf ihn zurück.
Gesicherte Fakten über das Leben des historischen Nikolaus von Myra sind allerdings rar gesät. Der Überlieferung nach wurde er bereits mit 19 Jahren von seinem Onkel, der ebenfalls Nikolaus hieß, zum Priester geweiht. Im Jahr 310 wurde er im Zuge der Christenverfolgung angeblich gefangengenommen und gefoltert. An seinem Glauben hielt er dennoch weiter fest. Später soll er am ersten ökumenischen Konzil der Kirchengeschichte, dem Konzil von Nicäa, teilgenommen haben. Einzig seine Tätigkeit als Bischof von Myra sowie seine Großzügigkeit lassen sich belegen. Als Sohn reicher Eltern soll er sein ererbtes Vermögen nämlich unter Bedürftigen verteilt haben.
Weitaus ergiebiger fällt jedoch die Sammlung an Legenden und Geschichten, die sich um den Heiligen Nikolaus ranken, aus. Nicht nur einmal soll er Wunder vollbracht und damit andere vor Unheil bewahrt haben. Besonders bekannt ist etwa das sogenannte Kornwunder. Während einer Hungersnot in Myra soll der Bischof einen Schiffer dazu überredet haben, einen Teil seiner Ladung Korn abzugeben, obwohl sie vollständig für den Kaiser bestimmt war. Trotz der Abgabe fehlte später kein Korn auf dem Schiff, und das gespendete Korn reichte den Menschen in Myra für zwei Jahre.
Großen Einfluss auf den heutigen Nikolausbrauch hatte außerdem die Legende der Mitgiftspende. Darin wird berichtet, wie der Heilige drei arme Schwestern heimlich mit Gold beschenkte, damit jede von ihnen eine Mitgift hatte und heiraten konnte. Aus der Erinnerung an dieses Wunder entwickelte sich im Laufe der Geschichte allmählich das Brauchtum, sich am Nikolaustag gegenseitig zu beschenken oder eine Kleinigkeit in den Schuhen der Liebsten zu verstecken.
Selbst nach seinem Tod soll die Wohltätigkeit von Nikolaus von Myra kein Ende gehabt haben, wie das Wunder von der Heimführung des verlorenen Kindes erzählt. Demnach wollte ein kinderloses Ehepaar den heiligen Nikolaus um die Erfüllung ihres Kinderwunsches bitten. Leider war Nikolaus kurz zuvor verstorben, sodass der Mann ein Stück des Leichentuchs als Reliquie mitnahm. Ein Jahr später, am 6. Dezember, wurde ihnen tatsächlich ein Sohn geboren. Doch an seinem siebten Geburtstag wurde der Bub verschleppt. Ein weiteres Jahr später, als seine Eltern am Nikolaustag in der Kirche für seine Rückkehr beteten, erfasste ein Wirbelwind das Kind und setzte es genau vor der Nikolauskirche ab.
Aus der Vielzahl an Geschichten um den Bischof von Myra entwickelte sich unter Christen im Laufe der Zeit schließlich das Brauchtum, Nikolaus am 6. Dezember zu gedenken. Inzwischen schritt auch die Verbreitung des christlichen Glaubens innerhalb Europas weiter fort und so vermischte sich der Nikolausbrauch mit ursprünglich heidnischen Winterfesten und -feierlichkeiten. Daraus ergaben sich wiederum unzählige lokale Traditionen und Darstellungen. In den Niederlanden wurde aus dem Nikolaus so Sinterklaas, in Deutschland erhielt der Nikolaus ums 16. Jahrhundert seinen Begleiter Knecht Ruprecht. In Österreich wurde über die Jahrhunderte hinweg der vorchristliche Krampus zum finsteren Gegenspieler des barmherzigen Nikolaus. Während der Nikolaus brave Kinder zuhause besucht und belohnt, bestraft der Krampus die Unartigen und mahnt sie zu mehr Frömmigkeit. Dieser noch heute praktizierte Einkehrbrauch geht vermutlich auf das 17. Jahrhundert zurück. Die Krampusrute kommt mittlerweile glücklicherweise aber weitaus seltener zum Einsatz als anno dazumal.
Im Mittelalter und in der frühen Neuzeit gab es in Kloster- und Stiftsschulen außerdem noch den Brauch, einen „Kinderbischof“ zu wählen, der bekleidet in Gewändern eines Bischofs, für einen Tag lang einen Teil dessen Tätigkeiten ausüben und andere loben und tadeln durfte. Im Zuge der Reformation und der Aufklärung kam dieser Brauch aber abhanden.
Einen großen Wandel erlebte das Nikolaus-Brauchtum zuletzt in den USA des 19. Jahrhunderts, wo eine Vermischung verschiedenster europäischer Nikolo- und Weihnachtsbräuche die Figur des Santa Claus hervorbrachte, aus der sich wiederum der Weihnachtsmann mit seinem Schlitten und seinem Haus am Nordpol entwickelte. Christliche Werte verkörpert dieser kaum mehr, vielmehr ist der moderne Weihnachtsmann ein Symbol für eine kommerzialisierte Weihnachtszeit.
In Österreich feiert man den Nikolaustag heute mit kleinen Geschenken, Schoko-Nikolos, sowie Nikolo-Besuchen auf Weihnachtsmärkten, in öffentlichen Einrichtungen oder zuhause. Dabei gedenkt man der Großzügigkeit, Nächstenliebe und Güte des Heiligen Nikolaus.