Story

Anja Haider-Wallner: „Natur und Lebensqualität erhalten“

Am 19. Jänner 2025 wählt das Burgenland einen neuen Landtag. schauvorbei.at hat die Spitzenkandidaten getroffen und zu ihren Schwerpunkten, Plänen sowie Zielen befragt. Was Anja Haider-Wallner (Grüne) als Landeshauptfrau umsetzen würde, lesen Sie hier.
Anja Haider-Wallner steht in einem Park
Seit Oktober 2023 ist Anja Haider-Wallner Landessprecherin der Grünen Burgenland und seit Juni 2024 Abgeordnete zum Burgenländischen Landtag. © Fabian Müntz

Was sind Ihre drei größten Zukunftsziele für das Burgenland?
Anja Haider-Wallner: Das erste große Ziel bei uns ist, dass der Bodenschutz vorangetrieben wird. Wir wollen, dass die fruchtbaren Böden erhalten bleiben und diesbezüglich bessere Entscheidungen getroffen werden. Einerseits müssen Räume für die Wirtschaft geschaffen werden, die sie braucht, aber auf der anderen Seite brauchen wir auch fruchtbare Böden – für eine gesunde Natur, für frische Luft, für gutes Essen.

Das zweite Thema, das mir persönlich ein großes Anliegen ist, sind lebendige Ortskerne. Wenn man in viele Dörfer fährt, sieht man am Ortsanfang und -ende Fachmarktzentren und Supermärkte. In der Ortsmitte hingegen gibt es viele verstaubte Auslagen und leer stehende Flächen – nicht nur Gewerbeflächen, sondern auch Privathäuser, die nicht mehr saniert werden, weil am Ortsrand gebaut wurde. Wir glauben, dass es für den Zusammenhalt und das gesellschaftliche Miteinander intakte Ortskerne braucht, die über eine gute Grundversorgung vom Bäcker über den Bankomaten bis zum Wirtshaus verfügen. Und es wäre wichtig, dass man alles Nötige gut zu Fuß oder mit dem Rad erreichen kann, damit man nicht für jeden Weg ins Auto steigen muss.

Unser drittes Zukunftsziel ist da auch schon ein bisschen mit drin, und zwar ein gutes Miteinander. Wir leben in einer Gesellschaft, in der es oft zu einer Spaltung kommt, verschiedene Meinungen nicht mehr respektiert werden. Wir müssen gemeinsam Lösungen entwickeln und uns dabei auch ein bisschen von Ideologien verabschieden und sachlich bleiben. Das Burgenland ist so überschaubar, da brauchen wir keine politischen Kleinkriege.

Wie können diese drei Ziele konkret erreicht werden, etwa beim Bodenschutz?
Anja Haider-Wallner: Wir haben zum Beispiel in der Landtagssitzung einen Lehrstands-Werkzeugkoffer vorgeschlagen. Denn oft ist es so, dass die Kommunen gar nicht wissen, wie sie mit leer stehenden Gebäuden umgehen sollen, egal, ob es ein Haus oder der Obi am Ortsrand ist. Man muss den Zuständigen eine Art Handwerkskoffer mitgeben, der Fragen wie beispielsweise „Wie können leer stehende Flächen wieder sinnvoll genutzt werden, bevor woanders neue Flächen versiegelt werden?“ beantwortet.

Es gab vor Kurzem eine Erfassung von Leerständen über Satellitenbilder. Dabei wurden 313 leer stehende Flächen im Burgenland ausgemacht. Wenn man es schaffen würde, diese Flächen zu nutzen oder neu zu bebauen, hätte man enorme Kapazitäten für Geschäftsflächen – Platz für neue Unternehmen, die Jobs schaffen.

Es geht uns aber auch um Straßenflächen. Wir haben sehr viel verbaute Verkehrsfläche im Burgenland. Uns wäre wichtig, den öffentlichen Verkehr noch besser auszubauen und darauf zu schauen, dass er besser angenommen wird. Die Infrastruktur ist schon recht gut, da ist wirklich viel passiert, muss man ehrlicherweise sagen. Aber leider wird das Angebot noch nicht so gut angenommen. Diesbezüglich gibt es sicher noch Potenzial in Sachen Bewerbung. Wie kommuniziert man, welche Vorteile es hat, wenn man den Arbeitsweg mit dem Bus von Oberwart nach Eisenstadt zurücklegt? Dadurch spart man sich als Familie vielleicht das zweite Auto und spart jährlich Tausende Euro.

Sie haben gesagt, dass es keine politischen Kleinkriege im Burgenland braucht. Wie steht es denn um die Kommunikation im Land, wie ist die Stimmung zwischen den Parteien?
Anja Haider-Wallner: Wenn eine Partei alleine die Regierung stellt, dann ist klar, dass sie mit niemandem sprechen muss. Manchmal spricht die SPÖ mit uns, und manchmal eben nicht. Gestern war beispielsweise eine Parteienverhandlung und wir haben die Unterlagen erst vor Ort bekommen. Ich finde es schade, wenn man sich nicht vorbereiten kann. In meiner Welt setzt man sich zuerst zusammen, jeder bringt Vorschläge ein, und dann gibt es ein Papier, auf dem alles zusammengefasst ist und über das dann noch einmal geredet wird. Das heißt: Aufgrund der momentanen Situation ist der Gesetzwerdungsprozess ein anderer, als ich mir wünschen würde. Ich glaube, bessere Lösungen gibt es immer, wenn man verschiedene Perspektiven einbringt und versucht, diese verschiedenen Perspektiven in Gesetze zu gießen. Die Bürgerinnen und Bürger haben unterschiedliche Bedürfnisse, und je mehr Perspektiven man einbringt, desto besser.

Deshalb ist Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung für uns ein sehr wesentliches Thema. Es gibt zwar häufig Dorferneuerungsprojekte, bei denen die Bewohnerinnen und Bewohner ihre Ideen einbringen können, aber das sind abgegrenzte Projekte, und dann ist das auch wieder vorbei. Gerade für das Miteinander in den Gemeinden ist Kontinuität essenziell. Es sollte immer einen Austausch geben zwischen Gemeinderat und Bürgerinnen und Bürgern, ebenso zwischen Landtag und Bürgerinnen und Bürgern. Bei allen Themen und Entscheidungen braucht es Feedbackmöglichkeiten.

Das klingt schön, aber auch nach einem Aufwand für Gemeinden, die zum Teil jetzt schon unter einem hohen Workload leiden. Wie wäre das umsetzbar?
Anja Haider-Wallner: Ich glaube, dass es letztendlich weniger Arbeit macht, wenn man sich vor einem Entschluss alle Möglichkeiten ansieht. Wenn im Gemeinderat Entscheidungen gegen den Willen der Bevölkerung getroffen werden, hat man hinterher die Probleme und den Aufwand. Es rächt sich, wenn die Bürgerinnen und Bürger vor der Tür stehen und sich aufregen. Man findet oft bessere Lösungen, wenn man sich genug Zeit dafür nimmt, als wenn man hudelt und über die Köpfe anderer hinweg Entscheidungen trifft.

Was würden Sie als Landeshauptfrau als Erstes umsetzen?
Anja Haider-Wallner: Ich würde gleich alle Fenster aufmachen und frischen Wind ins Landhaus lassen. (lacht) Das Erste, was ich machen würde, wäre, für mehr Transparenz zu sorgen. Derzeit ist es nicht einfach, konkrete Zahlen über die Finanzen des Landes zu finden, weil die Geldflüsse mit Holding, Land und dazwischengeschalteten Konstruktionen nicht leicht nachzuvollziehen sind. Ich finde: Wenn man nichts zu verbergen hat und alles transparent macht, hat man auch weniger Widerstand. Das passiert jetzt aber leider gar nicht. Als Landtag haben wir zum Beispiel keinen Einblick in die Holding und auch kein Fragerecht. Das heißt, Fragen zur Holding sind nicht zugelassen und werden nicht beantwortet. Das würde ich in Richtung völliger Transparenz ändern. Ich finde das auch für Bürgerinnen und Bürger wichtig, immerhin handelt es sich um öffentliche Gelder.

Und dann natürlich der Boden- und Naturschutz – Stichwort Renaturierung. Wir hatten heuer eine Hochwasserkatastrophe und wissen, dass noch immer im Hochwassergebiet gebaut werden soll. Es gibt eine Novelle des Raumplanungsgesetzes, mit der die Einschränkung für Einfamilienhäuser im sogenannten HQ30-Gebiet zurückgenommen wurde. HQ30 bedeutet, dass in diesem Gebiet statistisch gesehen alle 30 Jahre ein Hochwasser stattfindet – wobei die Zahlen veraltet sind und man heutzutage sicher häufiger damit rechnen muss. Dass auf diesen Flächen wieder Einfamilienhäuser gebaut werden dürfen, finde ich nicht zeitgemäß und auch nicht fair gegenüber Familien, denen die Versicherung dann vielleicht abspringt, weil sie bewusst in einem HQ30-Gebiet gebaut haben. Die Feuerwehr muss aber trotzdem anrücken und Keller auspumpen.

Was ist die größte Stärke der Grünen Burgenland?
Anja Haider-Wallner: Dass wir sehr verbindend sind und sehr konsequent unseren Weg gehen. Bei uns weiß man, woran man ist. Oft, wenn irgendwo etwas gebaut oder zubetoniert wird, heißt es auf Social Media: „Wo sind die Grünen? Warum verhindern sie das nicht?“ Da kann ich nur sagen: Demokratie folgt Mehrheiten. Wenn wir zehn oder sieben Prozent haben, dann wird es schwer. Viele Menschen wählen uns zwar nicht, aber wenn ihnen vor der Haustür etwas hingebaut wird, rufen sie nach den Grünen. Da wissen sie auch, dass wir da sind und in Aktion treten. Wir waren die Einzigen, die in Eisenstadt gegen die Umwidmung des Gebiets, auf dem der vierte Baumarkt entsteht, gestimmt haben. Aber leider ist es oft nicht so sichtbar.

Was bedeutet es Ihnen persönlich, Politikerin zu sein?
Anja Haider-Wallner: Es ist total schön, etwas gestalten zu können. Besonders kommunalpolitisch sieht man sehr unmittelbar, was die eigenen Entscheidungen oder Ideen bewirken. Auf Landesebene dauert es vielleicht ein bisschen länger, dafür sind die Verbesserungen für viel mehr Menschen sichtbar. Ich werde von der Vorstellung von einem guten Leben für alle angetrieben. Wie kann jede und jeder hier in diesem schönen Burgenland ein gutes Leben führen? Wir befinden uns eigentlich in einer privilegierten Situation. Wir haben verhältnismäßig hohe Einkommen, diese Kleinstrukturiertheit, wir haben wunderschöne Natur, gute Kulturangebote und vieles mehr. Das zu erhalten und auch die Menschen mitzunehmen, die es schwer haben, ist mir ein großes Anliegen.

Was hat Sie zuletzt im politischen Diskurs besonders gestört?
Dass der Blick immer wieder auf gewissen Themen fällt, die hochpoppen und politisch instrumentalisiert werden. Ich denke da zum Beispiel an den Fußballverein in Siegendorf. Ja, Sport, Vereine und Fußball sind wichtig, gar keine Frage – aber ich kann dieses Hochspielen auf landespolitischer Ebene nicht nachvollziehen. Vereinsarbeit und Jugendsport sollten nicht zum Politikum werden.

Was hat Sie zuletzt im politischen Diskurs besonders gefreut?
Anja Haider-Wallner: Es freut mich immer, wenn man gemeinsam etwas bewegen kann. Wenn man Rückmeldungen gibt und dann gute Lösungen entstehen. Es gibt zum Beispiel das Programm „Sauber Heizen für alle“, bei dem einkommensschwache Haushalte beim Heizungstausch 100 Prozent der Kosten von Bund und Land zurückbekommen. In der Steiermark wird der Tausch vorfinanziert, weil diese Haushalte das Budget für die Umbauten nicht haben und nicht monatelang auf Fördergelder warten können. Wir sind gerade dabei zu verhandeln, dass auch das Burgenland die Auszahlung und die Beratung neu regelt. Wenn das gelingt, freut mich das wirklich sehr.

Bitte vervollständigen Sie den folgenden Satz: Wählerinnen und Wähler, die den Grünen Burgenland ihre Stimme geben, können sich sicher sein, dass …
Anja Haider-Wallner: … sie weiterhin gute Luft, gutes Essen, gutes, sauberes Wasser, Sicherheit und ein gutes Miteinander im Burgenland haben.

Das sind alles Dinge, die sich wohl jeder Bürger wünscht. Warum tun sich die Grünen Ihrer Meinung nach trotzdem so schwer damit, die Wähler für ihre Themen zu begeistern?
Anja Haider-Wallner: Wir haben so viele Krisen hinter uns. Die Menschen wünschen sich einfach, dass das aufhört, dass es jetzt wieder wie früher wird und die Zukunft kalkulierbarer ist. Dann kommen die Grünen und sagen, dass wir unser Leben massiv verändern müssen, wenn wir die Überlebensfähigkeit der Menschheit auf diesem Planeten sicherstellen wollen. Das können viele nicht mehr hören, das ist ein Zuviel an Krisen. Ich glaube außerdem, dass einige unserer Wählerinnen und Wähler wegen der Coronapolitik abgesprungen sind. Und zuletzt darf man auch Fake News und Kampagnen gegen die Grünen nicht unterschätzen, die vor allem aus Deutschland zu uns überschwappen. Wir sehen das auf Social Media mit Negativpropaganda, die auch auf Messenger-Kanälen geteilt wird.

Wie stehen die Grünen zu den Themen Pflege und Gesundheit?
Anja Haider-Wallner: Bei der Gesundheit der Menschen gibt es im Burgenland Luft nach oben. Die Burgenländerinnen und Burgenländer gehen am häufigsten zum Arzt, haben häufiger Herz-Kreislauf-Erkrankungen, betreiben deutlich weniger Sport usw. Deshalb müssen Gesundheitsförderungsangebote massiv ausgebaut werden. Krankenhäuser sind gut, aber wenn das Krankenhaus notwendig wird, ist vorher meist schon viel schiefgelaufen.

Auch die psychische Versorgung von Kindern und Jugendlichen ist im Burgenland wahnsinnig schlecht. Wir haben nach wie vor keine stationären Betten, wir haben keine Tagesbetreuung. Wenn man beim psychosozialen Dienst einen Termin braucht, wartet man Monate. Es wäre also ein großes Anliegen, dort zu investieren.

Wenn es in Richtung Alter geht, setzen wir auf das Konzept der Community Nurses. Dazu gab es ein vom Gesundheitsministerium finanziertes Pilotprojekt, das leider mit Jahresende ausläuft. Die Länder haben 100 Prozent der Mittel über den Pflegefonds im Finanzausgleich für die Weiterführung des Pilotprojekts bekommen, allerdings nicht zweckgebunden. Sie dürfen das Geld auch anderweitig verwenden – und im Burgenland wird das Pilotprojekt der Community Nurses jetzt eingestellt. Das finde ich wahnsinnig schade. Die Community Nurses haben die Gesundheit in den Gemeinden gefördert, etwa mit monatlichen Stammtischen. Sie haben aufgeklärt, was man für seine Gesundheit tun kann, wie man das Gedächtnis fit hält, das Gleichgewicht trainiert und vieles mehr. Ziel war, dass die Menschen möglichst lange ohne Pflegeleistungen zurechtkommen. Gleichzeitig waren die Community Nurses die ersten Ansprechpersonen, wenn es um die Organisation von Pflegeleistungen ging. Viele Menschen wissen ja gar nicht, an wen sie sich wenden können, wenn jemand in der Familie pflegebedürftig wird und zum Beispiel einen Pflegeplatz braucht.

Die Wirkung von Community Nurses ist enorm und auch wissenschaftlich belegt. Ihre Leistungen verzögern die Pflegebedürftigkeit. Deshalb werden wir auf jeden Fall einen Antrag einbringen mit der Forderung, dass das Projekt doch noch verlängert wird, zumindest in den acht Pilotgemeinden.

Zuletzt noch ein ganz wichtiger Punkt: Wohnortnahe Gesundheitsversorgung muss im Burgenland 24/7 verfügbar sein. Es kann nicht sein, dass kein Arzt in der Nähe verfügbar ist und man ins Spital fahren muss, wenn das Kleinkind nach 22 Uhr starken Durchfall hat. Primärversorgungszentren wären unserer Meinung nach eine gute Lösung.

Vielen Dank für das Gespräch!

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