Die Zahnpasta landet auf der Bluse, der Kaffee auf der Tastatur und im Meeting ist man wieder ins Fettnäpfchen getreten. An manchen Tagen will einfach nichts klappen und es kommen Gedanken auf wie: „Ich mache immer alles falsch!“, „Meine Meinung ist unwichtig“ und „Schuster bleib’ bei deinen Leisten“. Oft rutscht man dann in eine negative Gedankenspirale ab. Dahinter liegen oft tiefsitzende Glaubenssätze, die den Alltag und das Leben generell schwerer machen, als sie sein sollten. Expertin Sabine Schiefer ist diplomierte Lebens- und Sozialberaterin sowie zertifizierte Achtsamkeitstrainerin und kennt sich mit diesem Thema bestens aus.
schauvorbei.at: Was sind Glaubenssätze?
Sabine Schiefer: Ein Glaubenssatz ist eine Annahme, die wir über uns selbst, andere Menschen, das Leben oder die Welt haben, und etwas, das wir für wahr halten. Glaubenssätze beeinflussen stark, wie wir denken, fühlen und handeln und welche Erfahrungen wir dadurch machen, ohne dass wir es bemerken.
„Gedanken sind wie Wellen auf der Wasseroberfläche – Glaubenssätze die Strömung darunter. Aber längst nicht jede Welle wird durch eine Strömung verursacht.“
Sabine Schiefer
Man kann sich das so vorstellen: Glaubenssätze sind wie eine innere getönte oder verzerrte Brille, durch die man die Welt sehen kann und mit der man durch das Leben geht. Das Spannende daran: Wir können diese Brille verändern oder ersetzen, sobald wir erkennen, dass wir sie tragen.
Beispiele für limitierende Glaubenssätze sind:
- „Ich genüge nicht.“
- „Mein Leben ist schwer.“
- „Ich will zu viel.“
- „Ich kann das nicht.“
- „Arbeit ist schwer.“
- „Ich habe keinen erfüllenden Job verdient.“
- „Da muss man durch.“
- „Ich muss mich anpassen.“
- „Ich habe immer Pech.“
- „Niemand liebt mich.“
- „Ich darf keine Fehler machen.“
Neben diesen einschränkenden Glaubenssätzen gibt es aber auch viele, die sehr unterstützend sind, wie zum Beispiel: „Ich finde immer eine Lösung“ oder „Das schaffe ich mit links“.
„Manche Gedanken wiederholen sich deshalb immer wieder, weil sie aus einem Glaubenssatz gespeist werden und Ausdruck dessen sind.“
Sabine Schiefer
Unterscheiden kann man zwischen Glaubenssätzen und Überzeugungen. Weil Erstere vermehrt an der Oberfläche sitzen, sind sie leichter zu erkennen und zu verändern. Letztere hingegen sitzen viel tiefer, sind oft eng mit unserer Identität verknüpft, schwerer sichtbar zu machen und zu transformieren. Doch genau dort liegt meist das größte Entwicklungspotenzial.
schauvorbei.at: Wann spricht man von Gedanken und wann von einem Glaubenssatz?
Sabine Schiefer: Glaubenssätze äußern sich zwar auch durch Gedanken, aber nicht jeder Gedanke ist ein Glaubenssatz. Es handelt sich dabei um eine spezielle Art von Gedanken: Sie sind verallgemeinert, wiederkehrend und fest verankert. Gedanken sind wie Wellen auf der Wasseroberfläche – Glaubenssätze die Strömung darunter. Aber längst nicht jede Welle wird durch eine Strömung verursacht.
Tagtäglich gehen uns Zehntausende Gedanken durch den Kopf – bewusst oder häufig auch unbewusst. Sie sind eine Form mentaler Inhalte. Diese können flüchtig sein oder sich hartnäckig wiederholen, etwa in Form von Gedankenkreisen. Glaubenssätze hingegen stehen hinter manchen Gedanken, sind tiefer liegend, beständig und prägend.
Manche Gedanken wiederholen sich deshalb immer wieder, weil sie aus einem Glaubenssatz gespeist werden und Ausdruck dessen sind. Denn Glaubenssätze bleiben dauerhaft im Hinter- oder Untergrund – bis wir uns ihrer annehmen.
„Affirmationen sind wie Samen, die wir einsetzen. Glaubenssätze sind verinnerlicht.“
Sabine Schiefer
Ein Beispiel: Der Gedanke „Ich habe zu wenig gesagt in der Besprechung“ kann einmalig und auf die konkrete Situation bezogen sein. Wenn solche Gedanken aber immer wieder auftauchen, etwa in allen Meetings, steckt dahinter vielleicht ein Glaubenssatz wie „Ich bin nicht so wichtig wie die anderen“ oder „Meine Meinung zählt nicht“.
schauvorbei.at: Ist ein Mantra dasselbe wie ein Glaubenssatz?
Sabine Schiefer: Affirmationen – oder umgangssprachlich auch Mantra genannt – sind nicht dasselbe wie Glaubenssätze. Denn Affirmationen sind bewusst positive, selbst gewählte oder formulierte Sätze. Glaubenssätze beeinflussen meist unbewusst und können sowohl positiv als auch negativ sein. Affirmationen sind wie Samen, die wir einsetzen. Glaubenssätze sind verinnerlicht.
Ein Beispiel für ein Mantra wäre: „Ich darf Fehler machen und daraus lernen.“ Durch wiederholtes Sprechen oder Denken – möglichst mit entsprechender emotionaler Ladung – fördert man neue Denkmuster und stärkt eine gewünschte innere Ausrichtung und Haltung.
Beispiele für Affirmationen sind:
- „Auch mein Leben darf leicht sein.“
- „Ich bin talentiert.“
- „Eine erfüllende Arbeit steht mir zu.“
- „Ich erlaube mir, Pausen zu machen und mich auszuruhen.“
- „Ich darf erfolgreich sein.“
Affirmationen können dabei unterstützen, alte Glaubenssätze zu verändern und neue Glaubenssätze zu etablieren. Sie zielen auf einen neuen Glaubenssatz ab – eben wie ein Samen, der mit der Zeit tiefe Wurzeln ausbilden kann. Abhängig von der Verankerung des undienlichen, alten Glaubenssatzes, benötigt man dafür aber oft mehr als nur eine Affirmation.
„Meist entstehen limitierende Glaubenssätze bereits in der Kindheit – nicht unbedingt durch ,große‘ traumatische Erlebnisse, sondern oft auch durch wiederkehrende Situationen, in denen ein Kind sich nicht gesehen, nicht gehört und nicht geliebt fühlt.“
Sabine Schiefer
Für einen neuen, stärkenden Glaubenssatz braucht es auch positive Erfahrungen, die durch das Verändern alter Muster entstehen, und eine Verinnerlichung des Gelernten. Nur so kann sich eine neue Wahrheit tief verankern.
schauvorbei.at: Warum sind diese nicht immer bewusst?
Sabine Schiefer: Meist entstehen limitierende Glaubenssätze bereits in der Kindheit – nicht unbedingt durch „große“ traumatische Erlebnisse, sondern oft auch durch wiederkehrende Situationen, in denen ein Kind sich nicht gesehen, nicht gehört und nicht geliebt fühlt. Neben den Eltern und anderen wichtigen Bezugspersonen spielen auch Schule, Freunde und die Gesellschaft eine bedeutende Rolle.
Ein Beispiel wäre: Ein Kind erzählt begeistert von einem Erlebnis im Kindergarten, aber die Eltern hören nur mit halbem Ohr zu, sind mit dem Handy beschäftigt oder wechseln das Thema. Vielleicht passiert das aus Zeitmangel oder Müdigkeit. Doch wenn solche Situationen häufiger vorkommen, kann das Kind verinnerlichen: „Was ich zu sagen habe, ist nicht wichtig.“
Vielleicht entwickelt sich beim Kind dann die Strategie, still zu sein und wenig zu erzählen oder aber besonders laut zu sein. Da uns Glaubenssätze meist unbemerkt ins und durchs Erwachsenenleben begleiten, kann das bedeuten, dass sich diese Menschen in Gesprächen sehr zurücknehmen oder im Gegenteil, dass sie besonders viel und lautstark reden, um endlich gehört zu werden.
„Jene Glaubenssätze nehmen wir dann als unsere ,Wahrheit‘ an. Selbst wenn sie jeglicher rationaler Grundlage entbehrt, tragen wir sie mit durchs Leben.“
Sabine Schiefer
Auch wenn Eltern etwa überfordert und emotional abwesend sind, denken kleine Kinder nicht: „Mama ist gerade erschöpft. Das liegt nicht an mir“ oder „Papa hat eine depressive Verstimmung. Daran habe ich keine Schuld“. Sie beziehen die Situation dann unreflektiert auf sich. „Ich bin eine Last, zu viel, zu laut und zu anstrengend“, aber auch „Ich bin unwichtig und muss mich zurücknehmen“ resultiert daraus.
Es wird nicht hinterfragt und unreflektiert von außen übernommen, was gesagt und vorgelebt wird oder was wiederholt erfahren wurde. Das entspricht einer Art Programmierung. Jene Glaubenssätze nehmen wir dann als unsere „Wahrheit“ an. Selbst wenn sie jeglicher rationaler Grundlage entbehrt, tragen wir sie mit durchs Leben.
Damals hat ein solches Denkmuster Orientierung gegeben und geholfen, sich zurechtzufinden. Aber das Erwachsenenleben machen diese undienlichen Sätze schwerer und unfreier. Denn einmal verinnerlicht, wirken sie wie ein inneres Betriebssystem: Sie laufen – meist unbemerkt – im Hintergrund mit und steuern uns.

„Einschränkende Glaubenssätze bestimmen mit, was wir uns zutrauen, was wir für uns für möglich halten.“
Sabine Schiefer
Tricky ist, dass sich manche Glaubenssätze so wahr, so selbstverständlich anfühlen, dass wir auch als Erwachsene nicht auf die Idee kommen, sie zu hinterfragen, und sie einfach weiterhin für wahr halten. Erst wenn wir beginnen, uns selbst und unser Leben zu beobachten, können wir sie samt ihren Auswüchsen erkennen. Wie etwa: immer wieder ähnliche Probleme im Beruf, ein geringer Selbstwert, Dauererschöpfung, anhaltende Geldprobleme oder Schwierigkeiten, Grenzen zu setzen.
schauvorbei.at: Inwiefern besitzen sie die Macht, uns zurückzuhalten?
Sabine Schiefer: Einschränkende Glaubenssätze bestimmen mit, was wir uns zutrauen und für möglich halten. Man kann sie sich wie unsichtbare innere Stoppschilder oder sogar wie unsichtbare innere Straßensperren vorstellen. Sie halten Menschen davon ab, weiterzugehen – obwohl der Weg eigentlich auch für sie möglich und frei wäre. Menschen halten dann an, zweifeln, drehen um oder gehen Umwege, obwohl sie das Potenzial und die Fähigkeiten hätten.
Manchmal halten uns limitierende Glaubenssätze nicht nur von einem konkreten Ziel ab, sondern von Lebensfreude, Leichtigkeit und innerer Ruhe. Sie können bewirken, dass wir uns zu sehr anpassen, unsere Bedürfnisse unterordnen, uns als unwichtig ansehen oder selbst kleinhalten. Das geschieht aus Angst vor Ablehnung, Versagen oder Kritik.
„Glaubenssätze beeinflussen maßgeblich unsere beruflichen Entscheidungen und damit letztlich auch unseren Erfolg in diesem Feld. Die gute Nachricht: Veränderung ist möglich.“
Sabine Schiefer
Im beruflichen Kontext kann das bedeuten, dass wir uns nicht bewerben, nicht sichtbar machen oder weit unter unseren Möglichkeiten bleiben – nicht weil es keine Chancen gibt oder die Qualifikationen und Kompetenzen fehlen, sondern weil uns innere Sätze den Weg blockieren oder wir uns von ihnen den Weg blockieren lassen.
Viele Menschen kennen Situationen wie diese:
- Sie bewerben sich erst gar nicht auf gewisse Stellenausschreibungen, weil ihnen die innere Stimme nach dem Lesen des Anforderungsprofils sagt: „Das kann ich nicht“ oder „Ich bin nicht gut genug“ oder auch „Dafür bin ich zu alt“.
- Die Annahme, dass die eigene Meinung nicht bedeutsam ist, hält sie davon ab, sich einzubringen und Ideen zu äußern. Vorgesetzte werden so nie davon erfahren und sie vielleicht unterschätzen.
- Wenn sie daran glauben, dass Geld nicht wichtig ist, den Charakter verdirbt oder – wie ein Sprichwort sagt – „stinkt“, dann steuert sie das auch in Gehaltsverhandlungen. Vielleicht fragen sie sogar nie nach einer Gehaltserhöhung.
Glaubenssätze beeinflussen maßgeblich unsere beruflichen Entscheidungen und damit letztlich auch unseren Erfolg in diesem Feld. Die gute Nachricht: Veränderung ist möglich.
schauvorbei.at: Gibt es einen Zusammenhang zwischen Glaubenssätzen und Selbstwert bzw. Selbstbewusstsein?
Sabine Schiefer: Ja, einen sehr engen sogar. Sowohl Selbstwert als auch Selbstbewusstsein werden stark durch Glaubenssätze, die wir im Laufe unseres Lebens entwickeln, beeinflusst und geprägt. Es gibt Sätze, die Selbstwert und Selbstbewusstsein schwächen, und solche, die sie stärken.
„Beginnen wir, einschränkende Glaubenssätze zu erkennen und umzuwandeln, kann sich unser Selbstbild tiefgreifend verändern.“
Sabine Schiefer
Glaubenssätze wirken wie ein Filter: Sie entscheiden, wie wir Erfahrungen einordnen – und ob unser Selbstwert und unser Selbstbewusstsein darunter leiden oder vielleicht sogar wachsen können. Diese Überzeugungen sind wie ein inneres Fundament, auf dem wir unser Leben gestalten – ob wir es nun bewusst merken oder nicht. Wenn dieses Fundament stabil und unterstützend ist, können auch Selbstwert und Selbstbewusstsein wachsen. Wenn es dagegen aus Zweifeln, Kritik oder überhöhten Ansprüchen besteht, wackelt das ganze innere Gefüge.
Wenn man den Satz „Ich genüge nicht“ verinnerlicht hat, dann entsteht oft das Gefühl nur etwas wert zu sein, wenn man sich sehr anstrengt, perfekt funktioniert und bestimmte Erwartungen erfüllt, wie zum Beispiel durch Leistung oder Anpassung. Der Selbstwert ist instabil und von außen abhängig, der innere Wert wird an Bedingungen geknüpft. Hat man hingegen tief verankert „Ich bin genug und ich bin wertvoll“, dann wirkt sich das stabilisierend und stärkend auf den Selbstwert aus.
Ein Beispiel dazu: Zwei Menschen bekommen Feedback im Job, bei dem sie jeweils auf einen Fehler hingewiesen werden. Die eine Person denkt: „Gut, das hilft mir, es beim nächsten Mal anders zu machen.“ Ihr Selbstwert bleibt stabil, weil sie die innere Überzeugung hat „Ich bin wertvoll“ und unterstützende Glaubenssätze wie „Ich darf lernen und wachsen“ sowie „Fehler gehören zum Leben dazu“.
Die andere Person dagegen fühlt sich sofort verunsichert, klein und schuldig und denkt: „Jetzt werden sicher alle denken, dass ich unfähig bin. Ich habe es schon wieder nicht gut genug gemacht. Ich muss mich mehr anstrengen.“ Dahinter könnte die tiefe Überzeugung liegen, nicht gut genug zu sein und Glaubenssätze wie „Ich muss perfekt sein“ oder „Das Beste ist nicht gut genug“.
Beginnen wir, einschränkende Glaubenssätze zu erkennen und umzuwandeln, kann sich unser Selbstbild tiefgreifend verändern. Dieses wirkt sich darauf aus, wie man auftritt, sich zeigt, sich verhält und wie man Entscheidungen trifft.
„Es gibt viele Wege, Glaubenssätze zu verändern. Der erste und wichtigste Schritt ist, sie überhaupt zu erkennen. Denn was unbewusst wirkt, kann man nicht bewusst gestalten.“
Sabine Schiefer
schauvorbei.at: Welche Methoden gibt es, diese zu verändern?
Sabine Schiefer: Es gibt viele Wege, Glaubenssätze zu verändern. Der erste und wichtigste Schritt ist, sie überhaupt zu erkennen. Denn was unbewusst wirkt, kann man nicht bewusst gestalten. Bei oberflächlicheren Glaubenssätzen ist es oft eine einzige Frage, die einen neuen Raum öffnen und etliches in Bewegung bringen kann.
Manchmal ist es bei tief verankerten Überzeugungen der Fall, dass sie stark mit alten Verletzungen verbunden sind. Dazu braucht es Zeit und Geduld mit sich selbst und gegebenenfalls auch professionelle Unterstützung, um den Spielraum – Schritt für Schritt – zu vergrößern und nachhaltige Veränderungen zu erzielen. In diesem Fall genügen Affirmationen nicht, aber sie können unterstützen.
Zu mir kommen oft Menschen in die Praxis, die eine alte Überzeugung „weghaben“ wollen. Das ist verständlich. Doch gerade dieses „Wegdrücken“ hält sie darin fest. Veränderung funktioniert in diesem Fall nicht durch hartes Bekämpfen.
„Die Veränderung eines Glaubenssatzes kann große Auswirkungen auf das gesamte Erleben eines Menschen haben. Darauf, wie er denkt, wie er sich selbst sieht, was er fühlt, wie er handelt, wie er Beziehungen gestaltet und welche Entscheidungen er trifft.“
Sabine Schiefer
Was über viele Jahre und Jahrzehnte gewirkt hat, will nicht über Nacht verschwinden. Denn einschränkende Glaubenssätze wollen uns schützen, beispielsweise vor Enttäuschung. Sich darüber klar zu werden, zu verstehen, anzunehmen und zu würdigen, ist ein essenzieller Schritt, der oft außer Acht gelassen wird.
Eine weitere Herausforderung kann die entsprechende Verhaltensveränderung sein. Jemand, der 40 Jahre lang davon überzeugt war, unwichtig zu sein, wird sich höchstwahrscheinlich nicht von einem auf den anderen Tag konstant so verhalten können, wie jemand, der sich selbst schon immer für bedeutsam gehalten hat. Dabei tauchen Fragen und Unsicherheiten auf. Unangenehme Emotionen kommen hoch und es kann zu vermeintlichen Rückschlägen kommen. Denn ein Zurückgehen ins Altbekannte ist sehr verlockend. Unterstützung kann dabei einen großen Unterschied machen. Aber es lohnt sich allemal, dranzubleiben!
schauvorbei.at: Was bewirkt die Veränderung eines negativen Glaubenssatzes in einen positiven?
Sabine Schiefer: Die Veränderung eines Glaubenssatzes kann große Auswirkungen auf das gesamte Erleben eines Menschen haben. Darauf, wie er denkt, wie er sich selbst sieht, was er fühlt, wie er handelt, wie er Beziehungen gestaltet und welche Entscheidungen er trifft. Das kann vieles ins Rollen bringen – innen wie außen.
„Wichtig ist: Eine Veränderung geschieht nicht durch bloßes ‚Umschreiben‘ eines Glaubenssatzes, sondern durch bewusste Auseinandersetzung und neue Erfahrungen.“
Sabine Schiefer
Wenn beispielsweise aus dem Satz „Ich muss es allen recht machen“ allmählich ein neuer, innerlich stimmiger Satz wird wie „Ich nehme mich und meine Bedürfnisse wichtig“, dann verändert sich nicht nur das Denken. Nein, es verändern sich auch der innere Kompass und der Umgang mit sich selbst. Dazu kommt die Fähigkeit, die eigenen Bedürfnisse und Grenzen nicht nur wahrzunehmen, sondern auch nach außen zu kommunizieren und entsprechend zu leben. Man zeigt sich authentisch, bleibt sich selbst treu und kann besser „Nein“ sagen, ohne Schuldgefühle zu entwickeln.
Die Auswirkungen können – abhängig vom jeweiligen Glaubenssatz – mannigfaltig sein. Dazu gehören:
- mehr Selbstvertrauen
- stabilerer Selbstwert
- höheres Selbstbewusstsein
- innere Freiheit, weil nicht mehr automatisch nach alten Mustern reagiert wird und sich so neue Handlungsspielräume auftun. Diese erlauben, eigene, unkonditionierte Entscheidungen zu treffen.
- mehr Lebensfreude, Leichtigkeit, Gelassenheit und innere Ruhe, wenn der innere Druck nachlässt
- gesündere Beziehungen, soll heißen: ehrlichere, ausgewogenere und tiefere auf Augenhöhe
- mehr Mut: Durch die Veränderung entsteht oft auch die Courage, sich zu zeigen, sich weiterzuentwickeln und Neues zu wagen.
- Selbstfürsorge, Selbstmitgefühl und vielleicht sogar Selbstliebe
Wichtig ist: Eine Veränderung geschieht nicht durch bloßes „Umschreiben“ eines Glaubenssatzes, sondern durch bewusste Auseinandersetzung und neue Erfahrungen. Ein positiver Satz kann nur dann stark wirken, wenn er keine Floskel ist, sondern zu einer neuen inneren Wahrheit wurde.
schauvorbei.at: Danke für das Gespräch!
Tipps von der Expertin
Einige Möglichkeiten, um mit den blockierenden Glaubenssätzen zu arbeiten, sind:
- Hinterfragen: Ein bekannter Ansatz stammt von Byron Katie. Sie zeigt mit „The Work“, wie wir belastende Gedanken hinterfragen und neue Perspektiven finden können.
- Achtsamkeit: Durch bewusstes Wahrnehmen ohne automatische Reaktion wird eine innere Distanz geschaffen, und langfristig kann sich dadurch die emotionale Wirkung des Satzes verändern.
- Affirmationen: Ein alter, blockierender Glaubenssatz wird dabei in einen neuen, stärkenden Satz verwandelt. Wichtig ist, dass der neue Satz stimmig, glaubwürdig und korrekt formuliert sein muss.
- Systemische Aufstellungsarbeit: Einschränkende Glaubenssätze lassen sich gut in Form von Aufstellungen sicht- und spürbar machen und in Bewegung bringen.
- Arbeit mit dem inneren Kind: Viele Glaubenssätze sind bereits in der Kindheit entstanden. Wenn wir dem verletzten inneren Kind in uns begegnen – beispielsweise in inneren Bildern –, können wir heute noch stärken, was damals gefehlt hat. Dazu gehören zum Beispiel Liebe, Zuwendung und Sicherheit.
- Klopftechniken: Dabei werden Akupressurpunkte stimuliert, während Leitsätze wiederholt werden.
- Arbeit mit inneren Anteilen: In der Teilearbeit kann man zum Beispiel der Frage nachgehen, welcher Anteil in einem dieser Perspektive glaubt.
- Neurolinguistisches Programmieren (NLP): Auch im NLP gibt es Tools, die eingesetzt werden können, wie zum Beispiel „Belief Change“.