Wer Esther Graf heute sieht, ahnt kaum, dass ihre Geschichte in einem kleinen Dorf mitten in Kärnten begann. Aufgewachsen in Altersberg (Bezirk Spittal an der Drau), sang sie schon früh im Chor – und spätestens nach dem Wechsel ans BORG Gastein mit musikalisch-kreativem Schwerpunkt war klar, wohin der Weg führen wird. Heute zählt die 26-jährige Wahlberlinerin zu den spannendsten Stimmen der deutschen Poplandschaft: Millionen monatliche Hörer auf Spotify, gefeierte Songs wie „Mama hat gesagt“, „Loslassen“ oder „Vitamin D[u]“ – und nun die brandneue Single „Wenn’s am schönsten ist“.
Doch trotz Tourvorbereitungen, Songwriting und neuem Album hat Esther im Interview viel zu erzählen: über Inspiration, kreative Grenzgänge, kleine Routinen unterwegs – und das große Ziel, das sie mit ihrer Musik verfolgt.
schauvorbei.at: Esther, du hast ein erfolgreiches Jahr 2024 hinter dir. Wie geht es dir gerade?
Esther Graf: Vielen Dank für die Nachfrage – mittlerweile geht es mir wieder richtig gut! Nach dem Album, der Festivalsaison und der Tour war ich ziemlich erschöpft. Die Ereignisse haben sich regelrecht überschlagen, und ich habe kaum Zeit gehabt, all die schönen Momente wirklich zu verarbeiten. Die Feiertage über Weihnachten haben mir unglaublich gutgetan – sie haben mir den Raum gegeben, das Jahr in Ruhe zu reflektieren und neue Kraft zu schöpfen. Im Frühjahr habe ich dann wieder angefangen, neue Songs zu schreiben. Das fühlt sich richtig gut an, und ich freue mich sehr, dass es nun langsam wieder losgeht. Ich bin jedenfalls voller Energie und gespannt auf alles, was kommt.
schau: Worauf dürfen wir uns bei deiner Tour 2025 freuen?
Esther Graf: In erster Linie natürlich auf neue Songs. Und auf eine komplett neue Show! Mir ist es extrem wichtig, den Leuten jedes Mal etwas Neues zu bieten. Ich will nicht Jahr für Jahr mit dem gleichen Bühnenbild, denselben Arrangements oder demselben Sound auf die Bühne gehen. Das würde weder mir noch dem Publikum gerecht werden. Die Vorbereitungen für die Tour laufen Stück für Stück an – und ich kann jetzt schon verraten: Es wird der absolute Hammer! Wir arbeiten an einer Show, die noch eine Schippe drauflegt im Vergleich zu 2024. Ich bin selbst total gespannt – und ich glaube, ihr könnt es auch sein.
schau: Wie kam es zu dem Titel „Vitamin T[our]“?
Esther Graf: Ich habe ja den Song Vitamin D[u], der einer meiner größten Solosongs ist. Das Wortspiel hat sich dann angeboten, auch für die Tour umzusetzen. Außerdem macht der Titel visuell einfach etwas her und bleibt im Kopf. So bekommt die Tour eine klare Identität – mit einem Augenzwinkern.
schau: Wie läuft die Arbeit am zweiten Album? Kannst du uns schon etwas dazu verraten?
Esther Graf: Mittlerweile läuft es tatsächlich sehr gut. Der Anfang war allerdings gar nicht so leicht – beim ersten Album hatte ich so viel auf dem Herzen, so viele Themen, die mir wichtig waren. Ich habe all das in 15 Songs gepackt, und danach musste ich erst mal wieder ein bisschen leben, um neue Inspiration und neue Themen zu finden. Soundmäßig hat sich relativ schnell herauskristallisiert, dass es diesmal etwas innovativer wird – und sogar ein Stück weit in die Indie-Richtung geht. Das Writing ist sehr Vibe-orientiert. Ich lasse mich viel vom Moment leiten. Inhaltlich geht es um große Generationsthemen, aber auch um kleine, intime Geschichten – manche davon sind sehr persönlich und auch traurig. Ich bin noch mitten im Prozess, aber es fühlt sich jetzt schon sehr besonders an.
schau: Du hast Millionen monatliche Hörer auf Spotify und Tausende Follower auf deinen Kanälen auf Social Media: Verändert das deinen Blick aufs Songwriting? Denkst du da schon an TikTok-Reels oder bleibt der kreative Flow im Vordergrund?
Esther Graf: Ich versuche so gut ich kann, beim Schreiben gar nicht erst an Social Media zu denken – und schon gar nicht an den perfekten TikTok-Ausschnitt. Das ist nicht der Grund, warum ich Musik mache, und ich möchte, dass mein kreativer Flow davon unberührt bleibt. Aber ich wäre unehrlich, wenn ich sagen würde, dass Social Media in späteren Phasen keine Rolle spielt. Gerade bei der Auswahl der Singles oder in der finalen Produktion denke ich natürlich auch mit, was visuell oder viral funktionieren könnte. Das gehört heute einfach zum Job – und ehrlich gesagt macht mir genau dieser kreative Teil daran auch Spaß.
schau: Du schreibst aber nicht nur für dich, sondern auch für andere Artists. Gab’s schon mal einen Song, bei dem du dachtest: „Den hätte ich lieber selbst behalten“?
Esther Graf: Da die meisten Artists, mit denen ich zusammenarbeite, musikalisch ganz anders ticken als ich selbst, kommt dieses Gefühl tatsächlich selten auf. Meistens ist schon im Prozess klar: Das ist genau ihr oder sein Song – und nicht meiner. Aber es gibt einen Song, bei dem ich immer wieder denke: Der hätte auch zu mir gepasst. Das ist »Glücklich« von Montez. Das ist einer meiner absoluten Lieblingssongs, an denen ich je mitgeschrieben habe.
schau: Wie war die Zusammenarbeit mit Künstlern wie Sido, Alligatoah und Montez?
Esther Graf: Mit Sido lief die erste Zusammenarbeit aus Zeitgründen tatsächlich komplett auf Distanz. Jeder hat seinen Part im Studio aufgenommen, ohne dass wir gemeinsam im Raum waren. Später haben wir uns dann beim Videodreh und bei Konzerten kennengelernt – und seitdem war es immer ein sehr freundschaftliches und professionelles Miteinander.
Mit Alligatoah war die Dynamik nochmal ganz anders. Er ist einer der Hauptgründe, warum ich heute da bin, wo ich bin. Er hat mich früh entdeckt, mir Chancen gegeben und Türen geöffnet. Ich habe zu ihm eine Art Großer Bruder–kleine Schwester-Verhältnis – ich verdanke ihm wirklich viel.
Montez war wiederum einer der ersten Menschen, die ich überhaupt in der Musikindustrie kennengelernt habe. Damals hat er noch als Songwriter gearbeitet und wir haben anfangs Songs für mich geschrieben. Später durfte ich dann auch für ihn schreiben. Wir sind seit Jahren befreundet und deshalb ist die Zusammenarbeit mit ihm immer sehr entspannt, kreativ – und macht einfach unglaublich Spaß. Mit Freunden Musik zu machen ist einfach das Beste.
schau: Wie sehr bist du eigentlich in all die Bereiche deines Projekts involviert – und wie schaffst du es, dabei nicht zu sehr ins Grübeln zu geraten?
Esther Graf: Das Artistprojekt „Esther Graf“ ist für mich viel mehr als nur ein Projekt – es ist mein ganzes Leben. Es ist sogar mein bürgerlicher Name, deshalb könnte es nicht näher an mir dran sein. Mein Traum war immer, Musikerin zu werden und ich bin unendlich dankbar, dass ich diesen Weg gehen darf. Ich weiß, dass es ein absolutes Privileg ist, so weit gekommen zu sein – und genau das möchte ich auf keinen Fall verlieren. Deshalb bin ich in allen Bereichen sehr involviert und kenne mich auch auf der Business-Seite gut aus. Ich mag es, die Zügel in der Hand zu halten und das Beste für mein Projekt herauszuholen. Aber ich merke auch, dass es wichtig ist, ab und zu rauszuzoomen, meine Familie und Freunde zu sehen und nicht nur den Fokus auf den Job zu legen. Das tut nicht nur mir gut, sondern auch meinem Projekt, weil es oft die Schwere aus diesem manchmal anstrengenden Job nimmt.
schau: Was würde die 14-jährige Esther heute über dich denken? Und was würdest du deinem jüngeren Ich raten?
Esther Graf: Ich glaube, mein jüngeres Ich würde mich ziemlich cool finden (lacht). Ich habe immer groß geträumt, aber ehrlich gesagt hätte ich nie gedacht, dass ich so weit komme, wie ich es jetzt schon geschafft habe. Außerdem habe ich mir vorgestellt, dass der Weg ganz anders aussieht. Als junges Mädchen dachte ich, ich müsste einfach die beste Sängerin der Welt sein, um es zu schaffen. Heute weiß ich, dass das nicht das Wichtigste ist. Ich würde meinem jüngeren Ich raten, sich weniger auf die Technik zu fokussieren und mehr darauf, wie sie singt. Finde deine eigene Stimme, deinen eigenen Sound und deinen Stil. Das, was dich unverwechselbar macht, ist viel wichtiger als Perfektion.
schau: Welcher deiner Songs fordert dich emotional am meisten, wenn du ihn live singst? Und welchen performst du am liebsten?
Esther Graf: Das ist ganz leicht zu beantworten. Der Song, der mich emotional am meisten fordert, ist definitiv „Ein Lied“ für meine kleine Schwester. Ich habe ihn auf Tour gespielt und bei einem Tourblock war meine kleine Schwester dabei. Jedes Mal, wenn ich den Song vor ihr gesungen habe, musste ich mit den Tränen kämpfen. Am meisten Spaß macht mir aber der Song „Exes“.Der geht richtig nach vorne, die Leute lachen, und der Moshpit bricht los.
schau: Was ist der beste Rat, den du je übers Singen oder Songwriting bekommen hast?
Esther Graf: Oft werde ich gefragt, wie man am besten lernt, besser zu singen. Für mich war der absolute Gamechanger, mich selbst aufzunehmen und die Aufnahmen anschließend anzuhören. Wenn man live in einem Raum singt, hört man sich ganz anders als über Kopfhörer oder Aufnahme. Unsere Wahrnehmung der eigenen Stimme ist oft verzerrt – was wir hören, unterscheidet sich stark davon, was andere hören. Deshalb hilft es sehr, sich mit Kopfhörern aufzunehmen und die eigenen Aufnahmen bewusst zu hören, um das Verhältnis zur Stimme zu verbessern. Beim Songwriting ist mein bester Tipp: Es gibt kein Thema, das zu klein ist, um darüber zu schreiben. Und es gibt auch kein Thema, das schon ausgeschrieben ist. Man kann unendlich viele Songs über Liebe schreiben – und wenn man einen neuen Blickwinkel, einen neuen Satz oder eine neue Perspektive findet, wird der Song ein eigener.
schau: Was würdest du aufstrebenden Singer-Songwritern raten?
Esther Graf: Es klingt simpel, aber ich empfehle unbedingt, seine Stimme und sein Talent auf TikTok und anderen Plattformen zu zeigen – vor allem auf TikTok. Heutzutage kann wirklich jeder vom Kinderzimmer aus zum Superstar werden, indem er sein Talent online präsentiert. Der Algorithmus hat sich so verändert, dass man auch mit null Followern viral gehen kann. Außerdem sollte man keine Angst haben, Menschen anzuschreiben – egal ob andere Songwriter, Produzenten oder Leute aus Plattenfirmen. Sich zu vernetzen ist das Wichtigste, was man tun kann. Das Netzwerk, das man über die Jahre aufbaut, wird eines der wertvollsten Dinge in der Karriere sein.
schau: Du bist Wahlberlinerin, kommst aber aus Kärnten. Könntest du dir vorstellen, irgendwann wieder zurückzuziehen?
Esther Graf: Auf jeden Fall. Ich liebe meine Heimat und jedes Mal, wenn ich zu Hause bin, wächst der Wunsch, irgendwann wieder zurückzukehren. Aktuell ist es aber noch nicht so weit, denn mein ganzes Team ist in Berlin und mein Job findet hier statt. Aber das kann sich in den nächsten Jahren noch ändern – ich bin auf jeden Fall offen dafür.
schau: Durch deine Tourneen bist du häufig unterwegs. Was brauchst du, damit sich ein Ort für dich nach „Zuhause“ anfühlt?
Esther Graf: Ich bin eigentlich sehr pflegeleicht. Solange ich abends meine Skincare-Routine machen und noch eine klare Suppe essen kann, fühle ich mich schnell irgendwo zu Hause.
schau: Wo und wie entstehen bei dir neue Songideen? Eher mitten in der Nacht im Notizbuch – oder braucht’s dafür das Chaos von Berlin?
Esther Graf: Neue Songideen entstehen bei mir am ehesten aus meinem eigenen Leben und aus starken Emotionen. Diese Gedanken werden dann nach und nach zu Songs. Privat höre ich auch sehr viel Musik, und wenn ich neue Alben entdecke, die sich für mich frisch und ungehört anfühlen, motiviert mich das besonders, selbst neue Songs zu schreiben. Vor allem achte ich auf die Texte – interessante Perspektiven und ungewöhnliche Blickwinkel inspirieren mich am meisten, um neue Musik zu kreieren.
schau: Wer ist dein musikalisches Vorbild?
Esther Graf: Da gibt es viele, aber vor allem Julia Michaels, Olivia Rodrigo, Taylor Swift und Avril Lavigne inspirieren mich sehr.
Und wo siehst du dich in zehn Jahren?
Esther Graf: Ich sehe mich als etablierte Deutschpop-Künstlerin, die große Tourneen spielt. Gleichzeitig wünsche ich mir ein erfülltes Privatleben und im besten Fall eine Familie – oder zumindest eine Familienplanung (lacht).
Vielen Dank für das nette Gespräch, Esther!
2025 geht Esther Graf mit ihren Hits auf große „Vitamin T[our]“ – mit Stopps in Österreich, Deutschland und der Schweiz, darunter am 18. Oktober in der SIMMCity Wien. Und schon davor sorgt sie am 22. Juni auf der Wien Energie/radio fm4 /Radio Wien/ HITRADIO Ö3 Festbühne beim Donauinselfest und am 15. August in der Burgarena Finkenstein in Kärnten für die heißesten Auftritte des Sommers.
Unter der Dusche singe ich am liebsten… Songs, die ich kurz davor im Auto gehört habe.
Wenn ich mich selbst in drei Worten beschreiben müsste: offen, fleißig, unordentlich
Mein Lebensmotto lautet: Es gibt einen Plan für mein Leben.
Meine Guilty Pleasure: Reality TV
Abseits der Bühne findet man mich… an der Tischtennis Platte.