Leidenschaft kommt beim Thema E-Autos bisher vor allem dann auf, wenn man über sie streitet. Dass sie sich auch an Bord ihren Platz verdienen kann, beweist nun Hyundai mit dem ersten N-Modell seiner Elektropalette. N steht für Nürburgring/Nordschleife und ist bei Hyundai das, was anderswo GTI oder RS heißt. Die Sport-Variante des IONIQ 5 durfte also vor allem eines nicht: gegenüber seinen Benzin-Geschwistern schwächeln.
Das Drehen der Leistungsschraube auf bis zu 650 PS und 770 Newtonmeter Drehmoment plus Tuning an Fahrwerk, Lenkung und Bremsen war den Ingenieuren daher nicht genug. Der IONIQ 5 N musste sich auch anfühlen und -hören wie ein Vollblüter, also alle Sinne bespielen. Dazu hat Hyundai acht Schaltstufen simuliert. Sie tun aber nicht nur mit einem schnöden Zucken am digitalen Drehzahlmesser so, als ob. Auch die Zugkraft setzt bei jedem Gangwechsel authentisch für einen Augenblick aus. Eine perfekte Software-Simulation, die sogar soweit geht, dass der Motor nicht oder nur träge hochdreht, wenn ein zu hoher Gang „eingelegt“ ist.
Im Anabolika-IONIQ gibt es aber auch was auf die Ohren. Die Soundkulisse ist ebenfalls täuschend echt, inklusive Schub-Brabbeln und Drehzahlbegrenzer. Die Basis dafür lieferte der echte Sound des i30 N, der hier digital aufbereitet eingesetzt wird. Der erste Elektro-N ist damit zugleich auch der erste Stromer, der endlich wieder alle Sinne kitzelt, anstatt in steriler Demut dahinzulangweilen. Wer will, kann ihn als perfekten Fahrsimulator bezeichnen, mit dem man auch von A nach B kommt – und wie man das kann!
Abgesehen von den Sportsitzen ist das Cockpit grundsätzlich so möbliert wie bei den braveren Varianten des IONIQ 5. Hier ist es aber in schwarzes Alcantara samt Nähten in Kontrastfarbe gehüllt. Spätestens beim Lenkrad hat es sich dann mit den Ähnlichkeiten. Mit vier Direktwahltasten lässt sich ohne Umwege die Gaudi-Spirale hochfahren. Die Fahrmodi-Auswahl, dazu die für Sound und Schalt-Simulation, plus sogar ein Drift- und ein Race-Programm, in dem alle Systeme auf Rundenstrecken-Bestzeit gebürstet sind. Dann ist da noch der Boost-Knopf: Er macht für zehn Sekunden 41 PS und 30 Newtonmeter Drehmoment extra für den Sprint in 3,4 Sekunden auf den ersten Hunderter locker.
Der eifrige Gebrauch all dieser feinen Zutaten erlöst auch von der Sorge um Reichweiten-Kilometer. Die Währung, um die es dann noch geht, sind schon eher Meter. Aber jedes so verheizte Watt ist für Fahrer-Typen purer Genuss. Nur die insgesamt 2,2 Tonnen Kampfgewicht setzen dem Sportsgeist in den Kurven spät, aber doch gewisse Grenzen.
Im meist nicht so sportlich ablaufenden Alltag sollte der E-Bolide mit einer Ladung knapp 450 Kilometer weit kommen, denn der IONIQ 5 N hat auch bei der Akku-Kapazität von bisher 77 auf 84 kWh aufgerüstet. In der Praxis waren es dann bei gemütlichem Gebrauch doch eher Richtung 300 Kilometer, im Eco-Programm wären wohl noch 50 weitere drin gewesen. 76.990 Euro sind ein stolzer Betrag, aber kein unfairer Gegenwert für das gebotene Gesamtpaket. Tatsächlich sind es nur 7.000 Euro mehr, als der zweitteuerste, aber nur halb so starke Zivil-IONIQ 5 kostet. Und für das sympathische Matt-Hellblau muss beim N nicht einmal extra berappt werden.