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3. Mai 2024
Wirtschaft

Video: Interview mit WK-Präsident Andreas Wirth

Wie geht der neue Präsident der Wirtschaftskammer Burgenland mit den aktuellen Herausforderungen um und wie will er burgenländische Unternehmen unterstützen? Beim Interview im schauvorbei-Studio spricht Andreas Wirth über die Themen Nachhaltigkeit, Lehre, Fachkräftemangel und Energie.

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CRM-Verlagsleiter Christoph Berndl (l.) im Gespräch mit Burgenlands WK-Präsidenten Andreas Wirth.

schauvorbei.at: Er ist 39 Jahre alt, kommt aus Steinbrunn und steht seit etwas mehr als einem Monat an der Spitze der burgenländischen Wirtschaftskammer. Heute haben wir ihn zu uns ins schauvorbei-Studio eingeladen. Herzlich willkommen Andreas Wirth!
Andreas Wirth: Vielen Dank für die Einladung!

Am Anfang natürlich gleich die Frage: Wie waren die ersten Tage in der neuen Funktion?
Es war sehr stressig, sehr spannend, sehr aufregend. Aber das ist genau das, was ich brauche. Ich fühle mich wirklich wohl in dieser Rolle und ich freue mich schon auf die neuen Herausforderungen.

Sie sind ja selbst Unternehmer, haben ein Elektrounternehmen und ich glaube auch einen Dorfladen. Was genau ist dieser Dorfladen?
Grundsätzlich ist das Kerngebiet die Elektrobranche. Dort beschäftigen wir insgesamt 70 Mitarbeiter. Der Dorfladen hat sich eigentlich etabliert, nachdem ich das Ortszentrum aufleben lassen wollte. Das habe ich auch gemacht, das ist mir gelungen. Mittlerweile gibt es den Dorfladen seit zehn Jahren. Und was wir dort wollen, ist nichts anderes als regionale Produkte verkaufen. Wir haben auch eine Postannahmestelle – Postpartner.

Diese Regionalität schlägt bei mir im Herz ganz tief drinnen und ich möchte sie auch weitergeben. Deshalb haben wir diesen Dorfladen gemeinsam mit einem kleinen Bistro, das meine Frau betreibt. Es heißt „Mama kocht“. Und damit verwöhnen wir die Leute jetzt schon jahrelang kulinarisch im Ortszentrum.

Kann man sagen, das eine ist sozusagen der Brotberuf und das andere das Herzensprojekt?
Es ist ein Herzensprojekt, definitiv. Wir schaffen damit ja nicht nur Regionalität, sondern auch regionale Arbeitsplätze. Das ist für mich ganz wichtig. Ich stehe stark hinter meinen Mitarbeitern, aber auch meine Mitarbeiter stehen hinter mir. Das wissen sie zu schätzen. Darum auch diese Regionalität und für mich ist das Beleben eines Ortskerns ganz wichtig.

Welche Erfahrungen bringen Sie als Unternehmer und Bundesinnungsmeister mit, die sie jetzt in der neuen Rolle als burgenländischer Wirtschaftskammerpräsident einsetzen können?
Mein Betrieb wurde vor 15 Jahren gegründet. Ich habe als EPU, als Einpersonenunternehmen, gestartet. Da lernt man dann natürlich auch die Hürden kennen. Was heißt das, wenn man krank ist? Dann kommt kein Geld rein. Was heißt das, wenn mehrere Kunden gleichzeitig anrufen? Das heißt, ich habe die Herausforderungen eines EPU am eigenen Leib erfahren. Dann habe ich die Firma mit einem Lehrling und Monteuren aufgebaut.

Mittlerweile sind es wie gesagt 70 Mitarbeiter und da bringt man sehr viel Erfahrung mit. Man weiß natürlich, was es heißt, am Ersten die Löhne und Gehälter zu zahlen. Man weiß aber auch, was es heißt, am 15. die Abgaben zu zahlen. Und man weiß natürlich auch, dass im Juni und im November die 13. und 14. Abgabenquote zu erfüllen ist. Da braucht man Geld auf der Seite. Diese Erfahrungen und das, was ich auf Bundesebene, auf politischer und Sozialpartnerebene mitbekommen habe, spielt mir jetzt ein bisschen in die Hände.

Sie bezeichnen das Burgenland als das Land der Möglichkeiten. Wo sehen Sie hier die größten Chancen und die größten möglichen zukünftigen Entwicklungsfelder?
Ich habe in meiner Antrittsrede klar meine Eigenschaften erwähnt: Zielstrebigkeit, Bodenständigkeit sowie Handschlagqualität, und das Ganze auf Augenhöhe. Ich glaube, das sind die burgenländischen Wurzeln, die man auch weitergeben muss. Das Wichtigste, was man als Unternehmer haben muss, ist Mut. Diesen Mut kann man sich nicht kaufen, den hat man oder eben nicht. Ich sage immer: Wer will, der kann. Angefangen hat die Geschichte eigentlich so, dass meine Mutter mir am ersten Lehrtag im Auto gesagt hat: „Andi, du brauchst nicht nervös sein. Wer will, der kann, der schafft das.“ Und das habe ich mir immer als Motto genommen. Egal welche Hürden, Aufgaben, Ideen oder Projekte – wer will, der kann. Mit diesem Motto haben wir auch großen Erfolg. Diesen Erfolg kann eigentlich jeder im Burgenland haben, der sich etwas traut.

Damit sind wir schon beim Thema: Wir leben in einer Zeit der Krisen. Das betrifft natürlich auch die Wirtschaft. Zwei Stichworte fallen mir da ganz akut ein: Der Fachkräftemangel und das Thema der Lehrlinge. Wie spielen diese beiden Felder zusammen und welche Strategie verfolgen Sie als Wirtschaftskammerpräsident im Burgenland?
Wir haben drei Krisenjahre hinter uns, in denen die Wirtschaft bewiesen und gezeigt hat, was sie wirklich kann. Zum Teil natürlich in Zusammenarbeit mit der Landes- und Bundespolitik. Da waren die Coronapandemie, Materialengpässe und die Energiekrise. Und jetzt muss man natürlich schauen, was auf uns zukommt. Wir haben eine sehr hohe Inflation und Probleme wie das Zinsniveau. Ich sage immer Normalzinsniveau, denn als ich vor 20 Jahren Haus gebaut habe, waren fünf bis sechs Prozent bei einem Kredit normal. Problematisch ist aber die KIM-Verordnung, die den Kredit-Zugang für junge Leute erschwert. Das sind Themen, die wir in der Zukunft natürlich bearbeiten müssen.

Zum Thema Facharbeitermangel: Ich komme selbst aus der Lehre. Wir werden massive Akzente setzen, was die Bereiche Bildung, Bewerbung und Image betrifft, damit wir junge Leute als Lehrlinge lukrieren können. Hier werden wir auch gemeinsam mit dem Land Projekte für diverse Branchen ausarbeiten. Zum Thema Krisen: Ich glaube, die Energiekrise ist ein großes Thema. Wir haben österreichweit Netzprobleme, das betrifft also nicht nur das Burgenland. Aber diese Energieprobleme und diese Energiekosten, die treiben uns schon auf Anschlag. Unsere Betriebe sind da derzeit schon ganz stark gefordert. Wir brauchen Unterstützung seitens der Politik, seitens des Landes und der Energieversorger.

Als erster Schritt ist es mir ja schon gelungen, die Gaspreise zumindest auf ein gewisses Niveau zu bringen, aber da sind wir noch nicht am Ende. Was müssen wir machen? Seit ich in der Wirtschaftskammer in Amt und Würden bin, habe ich eine eigene Abteilung aufgebaut, die sich mit Nachhaltigkeit beschäftigt. Nachhaltigkeit ist nicht nur wichtig für den Klimaschutz, sondern auch für die Zukunft. Machen wir unsere Betriebe fit für die Zukunft. Das heißt: Wir werden ein Auge auf die Themen Energie, Energieeinsparung und Energiegewinnung werfen. Die ersten Maßnahmen sind gesetzt. Jetzt werden wir die Betriebe aktiv unterstützen, damit sie zukünftig stabil dastehen.

Lassen Sie uns gleich beim Thema Energie bleiben. Ich habe von Ihnen gelesen: Energieautarkie, also gesamtheitlich bis 2030, das geht sich nie und nimmer aus. Wie steht das Burgenland aus Ihrer Sicht da, wenn es um nachhaltige Technologien geht?
Ich hab es ja schon einleitend erwähnt: Ich bin bodenständig und „grod außa“. Die Mission 2030 ist ein schönes Ziel, aber man muss die Kirche im Dorf lassen. Wenn die Stromnetze nicht so weit sind, wenn wir keine Möglichkeit der Speicherung haben, dann sind wir nicht stromautark. Wir können noch so viele Windräder oder Photovoltaikanlagen bauen. Wenn das Stromnetz nicht da ist, wenn die Speicherung nicht möglich ist, dann wird es im Winter an einem windstillen Tag finster sein. Und dann muss ich Strom von woanders zukaufen.

Und man muss halt auch sagen, dass man das Gasnetz nicht von heute auf morgen wegzaubern kann. In Österreich haben wir 900.000 Gaskunden, 600.000 davon in Wien, 400.000 davon sind Betriebe. Wie sollen wir das auf Strom umstellen? Wir setzen schon auf Wärmepumpen und Elektromobilität. Bereits das stellt Belastungen für das Stromnetz dar. Da werden wir nicht noch mehr davon schaffen. Ich glaube, es braucht einen Masterplan, eine gute Strategie. Mit unserem Nachhaltigkeitsmanager, den wir jetzt im Burgenland installiert haben, wollen wir diese Probleme aufzeigen und Lösungsansätze erarbeiten, damit die Wirtschaft stabil bleibt und wir Arbeitsplätze stabilisieren und schaffen können.

Sie haben die Ausbildung zum Elektropraktiker initiiert. Ist das schon ein Punkt Ihrer Strategie, sich auf Seiten der Arbeitskräfte zukunftsfit aufzustellen?
Es war ein Kernthema bei mir in meiner Funktion als Bundes- und Landesinnungsmeister. Ziel war, die Branche fit zu machen, damit wir Probleme wie den Facharbeitermangel bekämpfen. Natürlich gibt es die Lehre, es gibt fertige Monteure, es gibt Meister etc. Aber was bei uns wirklich gefehlt hat, waren Hilfskräfte. Und der Elektropraktiker ist nichts anderes als eine ausgebildete Hilfskraft, für die Tätigkeiten, die man aktuell wirklich braucht. Da ist natürlich Photovoltaik an vorderster Front.

Die Ausbildung war ein wirklicher „Ziaga“. Wir haben österreichweit rund 800 Mitarbeiter lukriert. Wir haben sie in Zusammenarbeit mit den Wifis und dem AMS ausgebildet. Im Burgenland ist leider das Problem aufgetaucht, dass es zu wenig Arbeitssuchende gab, die sich für diese zukunftsorientierte Ausbildung gemeldet haben. Aber wir gehen jetzt noch einmal an den Start. Wir haben gemeinsam mit dem Land entschieden, dass uns dieses Projekt das wert ist und dass wir was machen. Jetzt werden wir es im Jänner nochmals neu aufrollen und ich hoffe, dass sich im Burgenland genug Interessierte melden und Helden der Energiewende werden.

Ich muss jetzt noch einmal auf den Fachkräftemangel zurückkommen. Man kann ja natürlich vieles planen. Aber es gibt ganz einfach auch Entwicklungen, die man nur sehr schwer beeinflussen kann, etwa den demografischen Wandel. Gibt es nicht auch zu wenig Junge, die in diesen Branchen nachkommen? Und was wird notwendig sein, um das Thema Lehre bei jungen Menschen wieder attraktiv zu machen? Ich glaube, die Digitalisierung ist Ihnen ja auch ganz wichtig, um die Wirtschaftskammer ein bisschen zu entstauben.
Ja, das ist definitiv ein Thema. Unter dem Begriff Nachhaltigkeit wird auch das Thema Digitalisierung angegangen. Wir werden auf verschiedenste Plattformen auf junge Leute, aber auch auf die Eltern zugehen. Man muss die Lehre nicht attraktiver machen, denn grundsätzlich hat Handwerk goldenen Boden. Die Welt beneidet uns um die Lehre und die duale Ausbildung, so wie wir sie in Österreich haben. Vertreter vieler Nationen kommen und fragen: „Wie macht ihr das?“ Die duale Ausbildung, die Lehre, der klassische Weg im Betrieb, das Praktische in der Berufsschule, das Theoretische, das ist bei uns alles verknüpft. Das ist glaube ich ein Meilenstein, den wir schon haben und hinter dem die Sozialpartner und wir als Organisation stehen. Ich kann den Jugendlichen nur eines mitgeben: Wenn man heute eine Lehre macht, eine duale Ausbildung, hat man eine weltweite Jobgarantie. Und ich glaube, das muss einem etwas wert sein!

Sie haben es vorher schon angesprochen: Wichtig wird es beim Bewältigen großer Aufgaben sein, einen Schulterschluss mit allen Stakeholdern zu finden. Ist es aus Ihrer Sicht bei manchen noch notwendig, dass der Groschen fällt?
Es ist für mich definitiv wichtig, dass wir mit den Stakeholdern aus der Politik sowie mit Interessensvertretern gemeinsam auftreten. Wir haben einen sozialen Auftrag. Dieser Auftrag ist, dass unsere Mitarbeiter eine Beschäftigung und dass wir geringe Arbeitslosenzahlen haben. Und ich glaube, das kann man nur gemeinsam lösen. Für dieses Gemeinsame ist meine Hand ausgestreckt – egal ob Landespolitik, Bundespolitik oder Sozialpartnerschaft. Meine Aufgabe als Interessensvertreter ist nicht, die politische Opposition zu spielen. Meine Aufgabe ist, Rahmenbedingungen zu schaffen, die unsere Betriebe für stabile Arbeitsplätze brauchen.

An den Taten und Erfolgen wird man letztlich gemessen. Ein kleiner Blick in die Zukunft: Wann sehen Sie Ihre Arbeit als erfolgreich an? Welche Ziele haben Sie sich für Ihre Wirkungsperiode gesetzt?
Wir haben schon vieles besprochen, was wir angehen wollen. Dabei brauchen wir eine gute Zusammenarbeit, und damit meine ich auch meine Funktionärskollegen und die Mitarbeiter der Wirtschaftskammer. Wichtig ist mir, die Betriebe in Richtung Nachhaltigkeit zu führen und dem Facharbeitermangel entgegenzuwirken. Außerdem möchte ich die Betriebe so gut es geht durch diese schwierige Zeit bringen und Wachstum erzielen. Wachstum ist wichtig. Dieses Wachstum brauchen wir nicht nur als Wirtschaftskammer, wir brauchen es auch in den Gemeinden. Kommunalabgaben bzw. die Betriebsansiedlungen sind ein wesentlicher Aspekt. Ich werde alles geben und neue Ideen einbringen.

Herr Wirtschaftskammerpräsident Andreas Wirth, vielen Dank für den Besuch im schauvorbei-Studio und alles Gute!