Rückenprobleme sind eine der häufigsten Schmerzursachen in Österreich. Rund zwei Millionen Menschen leiden in Österreich darunter. Das belegt eine repräsentative Erhebung von Statistik Austria. Längst sind es nicht mehr nur ältere Menschen, die Beschwerden haben. Orthopäden haben festgestellt, dass auch immer mehr Kinder und Jugendliche unter Haltungsschäden leiden und dabei Schmerzen im Rücken haben. „Die häufigste Ursache für Rückenschmerzen ist eine Fehlnutzung des Rückens und des gesamten Bewegungsapparates. Viele Patienten belasten ihren Rücken übermäßig, indem sie ihre Wirbelsäule als Stütze für das Körpergewicht verwenden, anstatt sich muskulär zu halten. Die Wirbelsäule ist für Beweglichkeit konstruiert. Doch wird sie oft nicht in ihrem vollen Bewegungspotenzial genutzt“, erklärt Osteopathin Eva Hinterleitner.
Wenn bestimmte Strukturen der Wirbelsäule mit mehr Gewicht belastet werden, als wofür sie ausgelegt sind, reagiert der Körper, indem er diese Bereiche „umstrukturiert“. „Es kommt zur Verknöcherung, um der erhöhten Belastung standzuhalten. Dies geschieht jedoch auf Kosten der Beweglichkeit und führt zu degenerativen Veränderungen wie Arthrose oder Bandscheibenvorfällen“, so die Expertin. Die Schlüsselursache für diese Probleme liegt demnach in der fehlerhaften Nutzung und Überlastung der Wirbelsäule.
Wie man sich bettet, so liegt man
Diese Art der Belastungskreuzschmerzen sind schwer zu diagnostizieren. Sie können immer wieder in Abhängigkeit von der Körperhaltung auftreten. Dabei gibt es keinen krankhaften Befund auf dem Röntgenbild. Aber die Muskulatur ist verspannt und reagiert auf Druck. „Viele Patienten kommen zu mir mit Diagnosen vom Orthopäden oder vom Radiologie-Institut. Diagnosen wie ‚Cervicalsyndrom‘ – das lateinische Wort für Nackenschmerzen – bieten keine Hinweise auf die Ursachen der Beschwerden. Die wirkliche Herausforderung und Arbeit an der Heilung besteht darin, diese Gründe herauszufinden und zu behandeln“, sagt Hinterleitner.
Dabei ist ein wichtiger Faktor die Selbstreflexion, wie die Wienerin weiß: „Die wichtigste Diagnose in meiner Arbeit kommt direkt vom Patienten selbst. Denn der beschreibt die Art des Schmerzes. ‚Wie fühlt er sich an?‘, ‚Wohin strahlt er aus?‘ und ‚Wie zeigt mir der Körper das Problem durch seine Körpersprache?‘ sind wichtige Fragestellungen in diesem Kontext.“
Darüber hinaus kann ein geschultes Auge beim Sichtbefund erkennen, warum bestimmte Strukturen leiden. Röntgenbilder oder MRTs sind dennoch wichtige Hilfsmittel. Denn diese Bilder schaffen ein Verständnis für den Körper bei den Patienten. „Mit diesem Verständnis kann man gemeinsam einen sinnvollen Therapie- oder Heilungsplan erstellen. Nach einigen Jahren sollten sich die Bilder idealerweise verbessert haben, oder sie zeigen den Verlauf der Krankheit“, so die Physiotherapeutin. Das bedeutet, es handelt sich dabei um eine Kombination aus technischer Bildgebung und der detaillierten Beschreibung des Patienten, die eine präzise und effektive Diagnose ermöglicht.
Problemfinder
Aber nicht nur das: Auch bei Magen-Darm-Problemen, Nieren-Erkrankungen und Schlaflosigkeit können Rückenschmerzen auftreten. Sogar Zahnschmerzen oder auch die weibliche Menstruation können sie hervorrufen. Diese Art der Diagnose ist ganz im Sinne der Osteopathie. Denn sie geht von einem ganzheitlichen Ansatz aus. „Die ganzheitliche Betrachtungs- und Behandlungsweise der Osteopathie basiert auf einem tiefen Verständnis und einer Liebe für den menschlichen Körper. Wenn man versteht, warum der Körper Schmerzen hat, wird eine nachhaltige Heilung möglich. Jeder Mensch ist anders, weshalb ich individuell mit vielen verschiedenen Werkzeugen behandle“, beschreibt die Osteopathin ihren Herzensberuf. Das bedeutet, dass ein Osteopath alle Systeme betrachtet, die mit dem Problem in Verbindung stehen könnten, Blockaden sucht und diese Verkettungen auflöst.
Die Ebenen sind vielschichtig. Vom Organsystem, über die Flüssigkeitsebene und das knöcherne Skelett bis hin zu Verdrehungen im Faszien-System, die von früheren Traumata herrühren, wird alles analysiert. „Hier ein Beispiel aus meiner Praxis: der Klassiker Schulterschmerzen. Unabhängig von der spezifischen Diagnose steht das Schultergelenk in Verbindung mit vielen Knochen und ist von der Beweglichkeit der umliegenden Strukturen abhängig. Häufig liegt eine Fehlhaltung in der Brustwirbelsäule vor, die zu einer starken Buckelbildung führt. Dadurch kommt das Schultergelenk zu weit nach vorne. Das komprimiert die Sehnen und reibt sie im Laufe der Zeit auf. Dies kann zu einem Einriss in der Sehne führen. Oft sind solche Probleme kombiniert mit massiven Dauerverspannungen im Nacken-Schulter-Bereich. Das wiederum verschlechtert die Durchblutung und damit die Sauerstoffversorgung der peripheren Bereiche und beeinträchtigt die Schultergesundheit“, erklärt die Wienerin ein typisches Szenario.
Wie aber kann man verhindern, dass es erst gar nicht soweit kommt? Oft könnten Schmerzen durch eine Änderung des Lebensstils verhindert werden. Ein bewusster Umgang mit dem eigenen Körper und eine kontinuierliche Pflege und Stärkung dessen sind essenziell, um Rückenschmerzen zu vermeiden. „Prävention ist das Wichtigste! Ich sage immer: Würden die Menschen verstehen, wie wichtig die Wirbelsäulen-Gesundheit ist, würden sie jeden Tag stundenlang Übungen machen und ihren Körper bestmöglich pflegen. Vorbeugung bedeutet nicht nur körperliche Aktivität, sondern vor allem die Erhaltung und Verbesserung der Beweglichkeit der einzelnen Wirbelgelenke. Schwache Muskeln müssen gestärkt werden, um die Körperrückseite zu entlasten“, erläutert die Physiotherapeutin. Soll heißen: Wie sitzt, hebt, liegt oder steht man richtig? Und: Welche Muskelgruppen sollte ich stärken?
Zudem gilt auch beim Rücken, wie bei vielen gesundheitlichen Belangen: ausreichend Wasser trinken. Zwei Liter pro Tag dürfen es schon sein. Ausreichend Schlaf und eine bewusste Ernährung unterstützen ein gesundes Körpergewicht und somit auch den Rücken. Bewusstsein ist dabei der Schlüssel, meint auch die Expertin: „Ein bewusst geführtes Leben bildet den Grundstein für Gesundheit. Für mich bedeutet Leben, auf einer Heilreise zu sein – ein Prozess, der nie aufhört. Wer das verstanden hat, ist meiner Meinung nach auf dem besten Weg, nicht so schnell zu erkranken. Ein gesunder Lifestyle bringt eine Plastizität des Körpers mit sich, wodurch man körperlichen Heilungsprozessen nicht im Weg steht.“
Alltagstaugliche Tipps, um Rückenschmerzen zu vermeiden
- Die richtige Körperhaltung ist der Schlüssel zu Wohlbefinden. Bei einer anatomisch korrekten Körperhaltung sind alle Körperteile richtig ausgerichtet, damit alle Teile des Körpers gleichmäßig beansprucht werden.
- Kurze Intervalle: Bereits fünf- bis zehn-minütiges Stretchen von Nacken-, Brust-, Rücken-, Oberschenkel- und Wadenmuskulatur sorgt für mehr Wohlbefinden und hilft, Rückenproblemen vorzubeugen.
- Aufrecht sitzen: Bei einer ungeraden Sitzhaltung, bei der der Rücken gewölbt ist, wird auf der Vorderseite der Wirbel erhöhter Druck ausgeübt und die Bandscheibe stark belastet. Das erhöht das Risiko von Schädigungen und Verletzungen. Auch Schmerzen im unteren Rücken sowie Muskelsteifheit können die Folge sein.
- Computerposition anpassen: Der Nacken sollte beim Blick auf den Bildschirm nicht angespannt sein. Er sollte sich stets auf Augenhöhe befinden.
- Wechseln Sie die Seite: Viele Menschen neigen dazu, den Hörer beim Telefonieren zwischen Kopf und Schulter zu klemmen. Das hat eine Anspannung von Schulter und Nacken zur Folge. Besser ist es, das Telefon in der Hand zu halten oder mit Kopfhörern zu telefonieren.
- Arbeitsplatzgestaltung: Besonders bei Gegenständen, die im Job häufig genutzt werden, empfiehlt sich eine regelmäßige Umgestaltung des Arbeitsplatzes. Dies beugt Muskel-Ungleichgewichten vor, die durch wiederholte einseitige Belastung entstehen.
- Anti-Karpaltunnelsyndrom: Mehrmals täglich Finger und Handgelenke stretchen, indem man alle Finger spreizt, beugt und ausstreckt und die Handgelenke beugt und kreisförmig bewegt – so beugt man chronischen Belastungen vor.
- Kleine Pausen einlegen: Langes Sitzen in derselben Position führt zu einer schlechten Durchblutung. Das erkennt man an kribbeligen Fingern und geschwollenen Füßen. Kleine Bewegungs-Pausen mehrmals täglich regen die Durchblutung an und bringen den Kreislauf in Schwung.
Was tun, wenn der Schmerz akut ist?
- Rückenlage: Bei akuten Rückenschmerzen auf den Boden legen, entspannen und den Rücken durch Anheben der Knie in Richtung Brust dehnen. Anschließend versuchen, die Rumpfmuskulatur zu aktivieren, indem man den Bauchnabel in Richtung Wirbelsäule drückt. Richtiges Atmen leistet zudem einen wesentlichen Beitrag.
- Sanfte Bewegung: Wenn bereits leichte Rückenschmerzen auftreten, sollte man seine Muskeln dehnen und langfristig mit einem Basis-Stabilisierungstraining beginnen. Pilates und Yoga sind dafür gut geeignet. Auch funktionelles Training mit instabilen Oberflächen wie Power Plate, BOSU, Fit Ball oder auch TRX-Training bieten gezielte Kräftigung.
- Stufenlagerung: Auf den Rücken in Stufenlagerung legen. Knie dabei im 90-Grad-Winkel auflegen. Dies entlastet den unteren Rücken und gibt den Nerven mehr Platz.
- Schmerzmittel: Bei starken Schmerzen können rezeptfreie Schmerzmittel wie Ibuprofen oder Paracetamol hilfreich sein. Sie lindern den Akutschmerz und reduzieren Entzündungen. Dosierungsanweisungen beachten und bei Bedarf einen Arzt konsultieren, da Entzündungen ein wichtiger Teil des Heilungsprozesses sind.
- Entlastungsübungen: Ein Physiotherapeut kann zeigen, wie man sich im Akutfall bewegen und dehnen sollte, um die schmerzhaften Strukturen zu entlasten. Nur zu liegen löst das ursprüngliche Problem nicht. Ein Physiotherapeut oder Osteopath findet eventuell vorhandene Blockaden, löst sie und zeigt passende Übungen für den Akutfall und kann langfristige Heilung aufzeigen.
- Ruhe, Innenschau und Meditation: Schmerz ist oft ein Zeichen, dass schon länger etwas übergangen wurde. Zum Beispiel zu viel Arbeit, große emotionale Belastungen oder zu wenig Zeit für Self-Care. Wichtige Fragestellungen sind: „Was brauche ich jetzt?“ „Kann ich mein Leben neu ausrichten und mehr gesundheitsfördernde Gewohnheiten in den Alltag integrieren?“ „Wovor laufe ich schon länger weg und wessen sollte ich mich jetzt stellen, um langfristig mehr körperliche Freiheit und Glück zu erfahren?“
- Atemtechniken: Im Schmerzfall halten viele Menschen die Atmung an, was die Spannung im Körper erhöht und den Schmerz verstärkt. In einer Entlastungsposition atmen Sie tief ein und aus und stellen sich dabei vor, wie sich der Körper in alle Richtungen ausdehnt. Dies beruhigt das Nervensystem, verbessert die Sauerstoffversorgung und entspannt die Muskulatur.
Diese Tipps können helfen, akute Rückenschmerzen zu lindern und die Heilung zu unterstützen. Wenn die Schmerzen anhalten oder sich verschlimmern, ist es wichtig, einen Arzt oder Osteopathen aufzusuchen, um die Ursache abzuklären und eine geeignete Behandlung zu erhalten.