schauvorbei.at: Die aktuelle Bundesregierung ist angelobt. Sie haben stets betont, „an einer Koalition hinter der Bühne mitwirken“ zu wollen. Wie bewerten Sie den Erfolg Ihrer Mitwirkung, das Ergebnis der Regierungsbildung und welche Auswirkungen hat die neue ÖVP/SPÖ/NEOS-Koalition auf Wien?
Michael Ludwig: Zum einen bin ich froh, dass es eine Bundesregierung gibt, die aus Parteien der Mitte besteht. Damit ist sichergestellt, dass wir in einem gemeinsamen Europa Schritte für die Stärkung des Wirtschaftsstandorts und des Arbeitsmarkts setzen können. Das Ziel ist auch, das Bildungssystem und das Gesundheitswesen zu verbessern sowie Maßnahmen zum Klimaschutz zu setzen. Die Themen, die die Bundesregierung zu erledigen hat, liegen also auf der Hand.
Als Präsident des Österreichischen Städtebunds kenne ich außerdem die Situation, in der sich viele Städte und Gemeinden befinden. Wir sind auch eng mit dem Österreichischen Gemeindebund akkordiert – und von daher wird man in einem kommenden Finanzausgleich mit Sicherheit auch das Verhältnis zwischen Bund, Ländern und Gemeinden verändern müssen. Der vertikale Verteilungsschlüssel zwischen den Gebietskörperschaften zugunsten von Ländern und Gemeinden muss verbessert werden, denn dort liegen auch große Aufgaben, die in der sogenannten Daseinsvorsorge, also in der Bewältigung des Alltags der Menschen, zu leisten sind. Und das wird mit Sicherheit auch eine große Herausforderung für die kommende Bundesregierung: sich den Themen auf Bundesebene zu widmen, aber auch das Auge auf die anderen Gebietskörperschaften zu lenken.
Am 27. April stehen die Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahlen an. Mit welchen zentralen Themen und Botschaften gehen Sie in diesen Wahlkampf?
Wien ist der Wirtschaftsmotor Österreichs. Wir haben ein Bruttoregionalprodukt von 120 Milliarden Euro und waren im vergangenen Jahr das einzige Bundesland mit einem Wirtschaftswachstum. Das hat viele Gründe. Ein Grund ist mit Sicherheit, dass wir eine sehr ausdifferenzierte Wirtschaft haben mit großen internationalen Konzernen, Klein- und Mittelbetrieben sowie vielen Einpersonenunternehmen. Es gibt eine sehr enge Kooperation zwischen der Stadt Wien, den Sozialpartnern, der Wiener Wirtschaft, aber auch universitären wissenschaftlichen Einrichtungen. Und das macht Wien sehr attraktiv, auch für stark wissenschaftsorientierte Einrichtungen.
Wien ist die zweitgrößte Stadt im deutschsprachigen Raum, aber der wichtigste Universitätsstandort – mit rund 200.000 Studierenden an neun Universitäten, sechs Privatuniversitäten, fünf Fachhochschulen und vielen pädagogischen Hochschulen. Das ist eine wichtige Basis, um Zukunftsberufe zu entwickeln. Mit der Wirtschaftskammer und der Wirtschaftsagentur fördern wir innovative Unternehmen, die sich in Wien ansiedeln. Das ist einer der Gründe, warum wir mehr internationale Betriebsansiedlungen verzeichnen als andere Bundesländer.
Ganz wichtig ist auch die Stabilisierung des Arbeitsmarkts. Wir müssen uns um jüngere Menschen bemühen, die in den Arbeitsprozess eintreten. Das ist aber auch eine Stärke Wiens. Wir waren in den 50er-, 60er-Jahren das Bundesland mit dem durchschnittlich höchsten Alter. Jetzt sind wir das im Durchschnitt jüngste Bundesland, was dazu führt, dass wir davon ausgehen können, dass wir in Zukunft genug Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben, die ins System einzahlen. Das ist für die Sicherung der Sozialsysteme, insbesondere der Pensionen, von zentraler Bedeutung.
Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs Anfang der 90er-Jahre haben wir um fast eine halbe Million Menschen mehr in der Stadt. Das ist fast doppelt so viel, wie die zweitgrößte Stadt in Österreich, Graz, Einwohnerinnen und Einwohner hat. Wir haben diesen Prozess, wie ich meine, gut begleitet – mit leistbarem Wohnraum, Arbeitsplätzen, Kindergärten, Schulen und Freizeiteinrichtungen. Und von daher ist uns wichtig, dass wir im Zuge der Wirtschaftsentwicklung und der Arbeitsmarktsicherung auch genug Frei- und Grünraum erhalten. Wir zählen zu den Städten in Europa mit dem höchsten Anteil an Grünflächen. Vor einigen Jahren waren 50 % der Grundflächen Grünraum. Inzwischen haben wir diesen Anteil auf 53 % erhöht, indem wir ehemalige Bahnhofsareale und sogenannte Brownfield Areals, also ehemalige Industriegebiete, zwar mit Wohnbau versehen, aber gleichzeitig auch viele zusätzliche Parkanlagen geschaffen haben. Diesen Prozess wollen wir weiterführen. Zum einen, um die Lebensqualität weiter auf höchstem Niveau zu halten, aber auch, um Maßnahmen für den Klimaschutz zu setzen.
Wir haben gezeigt, dass wir durch Renaturierung beispielsweise gerade bei Hochwasserereignissen regulierend wirken können. Beim großen Hochwasser im September des vergangenen Jahres war die Umgebung Wiens Katastrophengebiet. In Wien selbst hat die Bevölkerung fast nichts gespürt, weil wir einen vorausschauenden Hochwasserschutz haben – Stichwort Donauinsel. Gegen heftigsten politischen Widerstand haben wir uns damals durchgesetzt und Renaturierungsmaßnahmen gesetzt, zum Beispiel im Wienfluss oder im Liesingbach. Gerade dort, wo wir auch Hochwasser zu verzeichnen hatten.
Von daher ist mir wichtig, dass wir die funktionale Durchmischung aufrechterhalten zwischen leistbarem Wohnraum, Arbeitsplätzen, Bildungseinrichtungen und Kulturraum. Wir haben beispielsweise, was in einer Millionenstadt ja unglaublich ist, eine nennenswerte Landwirtschaft. 14 % der Grundflächen in Wien werden landwirtschaftlich genutzt, etwa durch den Wiener Weinbau. Mit dem Wiener Gemischten Satz haben wir auch eine Marke, die international reüssiert. Zusätzlich ist die Landwirtschaft für die Naherholungsgebiete wichtig. Es ist wirklich sehr schön, wenn man in den Weinbergen spazieren gehen kann. Wir haben aber zum Beispiel auch eine gute Gemüseproduktion. Wien produziert 62 % aller Melanzani in Österreich und 260 % des Gurkenbedarfs in der Stadt. Das heißt, wir exportieren Gurken aus einer Millionenstadt wie Wien in andere Bundesländer und produzieren mehr Brotgetreide als die drei Bundesländer Vorarlberg, Tirol und Salzburg zusammengerechnet. Neben dem Wiener Wein haben wir auch Bier, das fast vollständig in Wien produziert wird, und natürlich das Wiener Wasser, auf das wir sehr stolz sind und das wir laufend auch in Sachen Infrastruktur ausbauen.
Wir errichten derzeit den größten geschlossenen Wasserbehälter der Welt, mit dem wir die Wiener Bevölkerung drei Tage lang mit frischem Wiener Wasser versorgen könnten, falls irgendetwas mit einer Leitung passiert. Wir stecken also sehr viel Geld in die Infrastruktur, was übrigens auch für den Gesundheitssektor gilt. Wir haben beschlossen, in den nächsten Jahren 3,3 Milliarden Euro in Krankenhäuser zu investieren. Parallel dazu – weil wir wissen, dass der niedergelassene Bereich schwächelt – haben wir bis dato 28 dezentrale Gesundheitseinrichtungen geschaffen. Das sind zu einem großen Teil Primärversorgungszentren, aber auch Kindergesundheits-, Schmerz- und Diabeteszentren. Das heißt, wir wollen die hohe Qualität der Gesundheitsversorgung für die Wiener Bevölkerung, aber auch für viele Menschen aus anderen Bundesländern aufrechterhalten und ausbauen.
Ihre Partei hat gemeinsam mit den NEOS ein Fairnessabkommen für den Wahlkampf vorgeschlagen, das unter anderem eine Wahlkampfkosten-Obergrenze von fünf Millionen Euro und Regelungen gegen KI-generierte Fake News beinhaltet. Die ÖVP hat dieses Abkommen kritisiert. Wie stehen Sie zu dieser Kritik und warum ist dieses Abkommen aus Ihrer Sicht wichtig für einen fairen Wahlkampf?
Natürlich ist sinnvoll, dass man einen Wettbewerb der besten Ideen macht und von persönlichen Attacken absieht. Das hilft niemandem, und ich glaube nicht, dass das bei der Bevölkerung gut ankommt. Man merkt einfach: Die Bevölkerung ist interessiert zu erfahren, wie es in Zukunft weitergeht und nicht an politischem Hickhack. Von daher sind solche polarisierenden Maßnahmen und Attacken zwar immer erheiternd für einen Teil der Medien, aber ich glaube, ein Großteil der Bevölkerung will einfach wissen, wie es weitergeht. Es ist gut, wenn wir Angebote zu den verschiedensten Themenbereichen machen und zeigen, dass wir es können. Wir sind ja schon seit langer Zeit Teil einer Stadtregierung und von daher haben wir auch Visionen und Vorstellungen, wie die Zukunft gestaltet sein soll.
Die Wahlbeteiligung und das Vertrauen in die Politik sind in vielen Demokratien zurückgegangen. Welche Maßnahmen ergreifen Sie konkret, um der Politikverdrossenheit in Wien entgegenzuwirken und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in demokratische Prozesse zu stärken?
Es ist natürlich wichtig, dass man sich an einer Wahl beteiligt, wenn man wahlberechtigt ist. Wir haben Bezirke, in denen ist ein Drittel der dort lebenden Menschen nicht wahlberechtigt, weil sie nicht österreichische Staatsbürger sind. Es gibt die Möglichkeit, sich als EU-Bürger bei der Bezirksvertretungswahl zu beteiligen. Darüber hinaus sind Drittstaatsangehörige aber nicht wahlberechtigt und EU-Bürger nicht auf Ebene der Gemeinderatswahl. Wir haben zusätzliche Instrumente entwickelt, wie man sich beteiligen kann, also durch Gesetzesinitiativen, beispielsweise in den Bezirken. Es gibt zum Beispiel den Klimarat und viele weitere Möglichkeiten, mitzuwirken. Das halte ich auch für eine sinnvolle Ergänzung zur repräsentativen Demokratie. Prinzipiell bin ich ein Befürworter der repräsentativen Demokratie, weil insbesondere Menschen, die jetzt viel beruflich beschäftigt sind, wenig Möglichkeit haben, sich noch zusätzlich unmittelbar und täglich zu beteiligen. Von daher ist sicher sinnvoll, die repräsentative Demokratie als Basis aller politischen Entscheidungen zu sehen.
Auf Österreichs Städten und Gemeinden lastet hoher finanzieller Druck. Wien hat seinen Schuldenstand – derzeit 11,9 Milliarden Euro – proaktiv und ganz offen kommuniziert. Ganz im Gegenteil zur Bundesebene, wo die Dimensionen erst nach der Wahl bekannt wurden. Wie wichtig ist Ihnen eine offene Kommunikation?
Es ist sehr kurzsichtig, wenn man glaubt, dass man das verheimlichen kann. Ich glaube, dass Transparenz immer sehr gut und wichtig ist, sie steht der Bevölkerung zu. Wir nutzen alle Möglichkeiten, Sparmaßnahmen zu setzen, und haben beispielsweise gezeigt, dass wir beim jetzt laufenden Rechnungsabschluss an die 500 Millionen Euro einsparen können. Das ist schon eine große Anstrengung.
Trotzdem muss die Wirtschaft auch damit rechnen können, dass wir Investitionen, die in Aussicht gestellt sind, auch umsetzen. Nichts wäre schlechter, als wenn wir jetzt aus reinen Sparsamkeitsgründen vorgesehene Investitionen kürzen oder streichen. Denn wir brauchen Impulse für den Wirtschaftsstandort und den Arbeitsmarkt. Daher werden wir mit Sicherheit auch ganz gezielt überall dort, wo es sinnvoll und notwendig ist, Investitionen vornehmen.
Mit Peter Hanke und Christoph Wiederkehr sind zwei zentrale Persönlichkeiten der Stadtregierung in Bundesämter gewechselt. Wie wirken sich diese Personalwechsel so kurz vor der Wahl auf Ihre Regierungsarbeit aus?
Wir werden jetzt im Gemeinderat die notwendigen Beschlüsse treffen. Bettina Emmerling, die bisherige Klubvorsitzende der NEOS im Gemeinderat, wird die Nachfolgerin von Christoph Wiederkehr als Vizebürgermeisterin und Ressortverantwortliche. Für die Finanz zeichnet interimistisch, also bis zur Konstituierung des nächsten Gemeinderats, der bisherige Finanzdirektor Christoph Maschek verantwortlich. Mit ihm ist vereinbart, dass er das nur diese drei Monate als Beamter und nicht als Politiker macht. Er ist stark in alle finanziellen Angelegenheiten der Stadt eingebunden und wird daher keine Einarbeitungszeit brauchen.
Das ist analog zum Modell, wie es auf Bundesebene mit dem Sektionschef Mayr gehandhabt worden ist. Er war Sektionschef in Ministerfunktion, bis eine nächste Bestellung erfolgt ist – jetzt hat der Minister übernommen.
Mit dem Wechsel von Peter Hanke ins Infrastrukturministerium, wie stehen nun die Chancen für große Infrastrukturprojekte wie den Lobautunnel, für den Sie sich seit Langem einsetzen?
In Sachen Lobautunnel ist nur notwendig, dass ein zuständiger Minister die bestehenden Gesetze umsetzt. Denn der Schluss der Nordostumfahrung ist Teil des Bundesstraßengesetzes und wurde nicht nur im Wiener Landtag und im Gemeinderat, sondern auch im Österreichischen Nationalrat beschlossen. Von daher hat auch die zuständige Einrichtung, die Asfinag, alle Planungsarbeiten vorgenommen. Ein sehr schneller Start ist also realistisch.
2018 sagten Sie im Interview: „Ich möchte Wien zu einem Zentrum des Ausgleichs machen.“ Inwieweit ist Ihnen das gelungen und welche Pläne haben Sie für die Zukunft, um das Zusammenleben in dieser diversen Stadt zu fördern?
Integration ist stets eine Herausforderung. Wien war immer eine Stadt, die ganz stark Zuwanderer integriert hat. Und es hat immer Gruppen in der Gesellschaft gegeben, die das abgelehnt haben. Seit ich denken kann, war das immer ein Thema. Man braucht sich nur österreichische Filmproduktionen aus den 60er-, 70er- und 80er-Jahren anzusehen, egal ob Kottan oder Kassbach: Da war die Frage, wie man Zuwanderern gegenüber eingestellt ist, allgegenwärtig.
Dass es Herausforderungen bei der Integration gibt, ist klar, insbesondere, wenn sie so stark gefordert ist wie derzeit in Wien. Wir leisten in Wirklichkeit für die gesamte Republik einen Großteil der Integrationsmaßnahmen. Eigentlich liegt alles, was Zuwanderung, Asyl und Migration betrifft, in Bundeskompetenz und wir sind die Co-Piloten. Wir haben überhaupt keinen Einfluss darauf, wie viele und welche Menschen zu uns nach Wien kommen. Wir sind das einzige Bundesland ohne Außengrenze. Und von daher erwarten wir uns nur, dass das, was eigentlich vereinbart ist – auch in den 15A-Vereinbarungen – eingehalten wird. Wir kümmern uns nur um die Menschen, die bei uns in der Stadt sind. Wir machen das nicht so wie andere Teile Österreichs, die Flüchtlingsheime schließen und den Asylwerbern empfehlen, nach Wien zu ziehen. Wir sind die Einrichtung, die sich dann um die Menschen, die im Land sind, kümmern muss. Aber sinnvoller wäre natürlich eine gerechtere Verteilung.
Wien war bei der Nationalratswahl das einzige Bundesland mit einem Plus für die SPÖ. Was ist Ihre Erwartungshaltung für die Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahlen im April?
2020 haben wir ein sehr gutes Ergebnis erzielt. Mein Ziel ist, dass wir an dieses Ergebnis herankommen. Warum? Weil eigentlich alle Landeshauptleute in den letzten Jahren, und zwar egal ob es SPÖ- oder ÖVP-Landeshauptleute waren, zwischen dreieinhalb und zehn Prozentpunkte verloren haben. Von daher wäre es ein Riesenerfolg, wenn wir an dieses sehr gute Ergebnis 2020 herankommen. Das ist mein Ziel und dafür werde ich mich bis zum letzten Tag einsetzen.
Die SPÖ ist jetzt wieder in der Bundesregierung. Ist das eine Art Neustart und gibt das einen Schwung, sich intern künftig stärker gemeinsam in dieselbe Richtung zu bewegen?
Das wäre sinnvoll. Denn wenn man immer versucht, gegen die eigene Partei aufzutreten, hilft das niemandem. Deshalb ist wichtig, an einem Strang zu ziehen. Und wenn eine kommende Bundesregierung unangenehme Entscheidungen zu treffen hat – auch aufgrund der derzeit bestehenden budgetären Situation, die wir als SPÖ ja nicht mitverursacht haben –, dann wird es notwendig sein, hier geschlossen aufzutreten.
Wien ist Wirtschaftsmotor und Nettozahler im Bundesbudget. Was sind ihre wichtigsten Forderungen an die neue Bundesregierung und was wäre im Hinblick auf die Situation der Wiener prioritär zu behandeln?
Für mich ist wichtig, dass wir unsere Rolle in einem gemeinsamen Europa erkennen und den Wirtschaftsstandort stärken. Das ist für mich deshalb wichtig, weil uns das nicht nur im internationalen Wettbewerb hilft, sondern auch unser Demokratiemodell im Wettstreit mit anderen Systemen international bewahrt. Wenn man sich die internationale Situation anschaut, dann merkt man, dass Europa generell unter starkem Druck von mehreren Seiten steht.
Es wären Maßnahmen zu setzen, auch auf europäischer Ebene, die gerade für ein exportorientiertes Land wie Österreich ganz wichtig sind. Dazu gehört die Stärkung des Wirtschaftsstandorts, zum Beispiel durch einen gemeinsamen Kapitalmarkt und eine gemeinsame Energie- und Industriepolitik. Zusätzlich muss der österreichische Arbeitsmarkt gestärkt und das Gesundheitswesen weiterentwickelt werden. Wir müssen erkennen, wie wichtig Bildung für die Zukunft ist. Auch da haben wir gute Voraussetzungen mit dem dualen Ausbildungssystem. Die Möglichkeiten, auch als Lehrling tätig zu sein, müssen gestärkt werden. Aber auch Fachhochschulen und Universitäten müssen ausgebaut und Maßnahmen für den Klimaschutz gesetzt werden.
Kürzlich hatte ich eine spannende Pressekonferenz gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Wien, in der es darum ging, dass wir gemeinsam mit Unternehmern zeigen, welche Möglichkeiten es in der Elektromobilität gibt. Dieses Zusammenwirken von Politik, Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft ist ganz wichtig, um eine Zukunftsperspektive für Österreich in einem gemeinsamen Europa zu entwickeln. Von daher gibt es für mich eine hohe Erwartungshaltung an die Bundesregierung. Aber ich bin überzeugt, dass sie sich diesen Herausforderungen stellen wird.
Abschließend eine persönliche Frage: Was treibt Sie nach all den Jahren in der Stadtpolitik weiterhin an und was möchten Sie in einer möglichen nächsten Amtsperiode unbedingt noch erreichen?
Mich treibt an, dass es immer neue Herausforderungen gibt. Dazu fällt mir das folgende chinesische Sprichwort ein: Nur meinen Feinden wünsche ich spannende Zeiten. Ich hätte es ganz gerne einmal ein bisschen ruhiger, um auch mehr Möglichkeiten zu haben, das reichhaltige kulturelle Angebot in Wien zu nutzen. Aber die Herausforderungen treiben mich auch an, ebenso wie die Zustimmung weiter Teile der Bevölkerung. Natürlich gibt es Kritiker, aber viele Menschen unterstützen mich auf dem Weg.
Mir ist wichtig, das Miteinander aufrechtzuerhalten. Ich glaube, Wien ist im Unterschied zu vielen anderen Millionenstädten eine Stadt, in der dieses Miteinander weitgehend gelebt wird. In den Bezirken, in der Stadt, mit der Sozialpartnerschaft beispielsweise, aber auch mit den Religionsgemeinschaften. Ich habe einen Religionsrat mit allen anerkannten Religions- und Bekenntnisgemeinschaften eingerichtet, wo ein anderes Klima herrscht als vielleicht in London, Paris oder Berlin. Und das fällt nicht vom Himmel – auch wenn es bei Religionsgemeinschaften vielleicht naheliegend wäre –, sondern das ist Teil harter Arbeit. Man muss ständig das Gespräch suchen und erfreulicherweise finde ich immer Menschen, die diesen Weg des Miteinander mit mir gemeinsam gehen. Auch in Zukunft werde ich versuchen, diese Herausforderungen gemeinsam mit den Wienerinnen und Wienern zu meistern.
Vielen Dank für das Gespräch!