Gelandet in PDX, am internationalen Flughafen von Portland. Vor mir liegen sechs Tage Roadtrip durch einen Teil des Bundesstaats, der drei Mal so groß ist wie Österreich, nicht einmal halb so viel Einwohner hat – und für Naturerlebnisse der besonderen Art bekannt ist. Also rein in den Jeep und raus aufs Land! Zuerst fahre ich am Historic Columbia River Highway den Fluss entlang, der die Grenze zum Bundesstaat Washington bildet. Der Himmel ist blau, die Sonne wärmt, und das prächtige Wetter straft – nicht nur heute – jene Lügen, die vom ewigen Regen und Nebel in Oregon warnen.
Land der Wasserfälle
Es geht durch eine grüne Landschaft mit bewaldeten Hügeln und Bergen, wo schon nach einer halben Stunde Fahrt die ersten Highlights warten. Oregon ist nämlich auch bekannt für die vielen imposanten Wasserfälle. Je nach Größe spricht man von 200 bis mehr als 1.000 solcher Wunder der Natur. Also auf zu Nummer Eins. Ich biege von der Interstate 84 ab, wo sich unweit der Straße die Wahkeena Falls mit mehreren Kaskaden und einer Höhe von 75 Metern befinden. Ein erhabenes Gefühl, mitten im ansonsten ruhigen Wald, nur das Rauschen des Wasserfalls, das zum lauten Tosen wird, umso mehr man sich nähert. Aber es wird noch spektakulärer.
Nur einen kleinen Spaziergang entfernt, komme ich zu den Multnomah Falls, wo das Wasser aus dem Larch Mountain in zwei Stufen über 190 Meter in die Tiefe stürzt. Nach diesem doppelten Naturschauspiel setze ich den Roadtrip fort, und nach einer Stunde biege ich bei der Stadt The Dalles weg vom Fluss und schlage die Richtung Süden ein. Mit einem Schlag ist die Landschaft anders – Weizenfelder, Obstbäume und sanfte Hügel, Kühe und Pferde grasen – bis ich Dufur erreiche. In diesem verschlafenen 600-Seelen-Nest scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Als ich im 120 Jahre alten Balch-Hotel gleich neben dem Historical Society Museum nach meinem ersten Oregon-Steak die Nachtruhe finde, fühle ich mich in den alten Wilden Westen zurückgebeamt.
Schlafender Vulkan
Der nächste Tag steht ganz im Zeichen des Mount Hood, dessen weißen Gipfel man schon beim Frühstück am Horizont bestaunen kann. Der mit 3.425 Metern höchste Berg Oregons ist ein noch aktiver Stratovulkan, der zuletzt vor gut 200 Jahren ausgebrochen ist, und zwar mit verheerenden Folgen. Heute ist die Natur rundherum streng geschützt, und bei der einstündigen Fahrt ändert sich die Landschaft wieder schlagartig. Es geht immer höher ins Alpine, Schnee taucht auf, der stellenweise die halbe Straße bedeckt. An den Hängen des Mount Hood liegen zwölf Gletscher, zum Beispiel der Palmer Glacier, ein bekanntes Skigebiet. Nachdem ich hier die kühle, klare Luft und die Ruhe genossen habe, fahre ich wieder den Berg hinunter. Nach einem Zwischenstopp bei einem weiteren Wasserfall, den Zigzag Falls in einem märchenhaften Wald, erreiche ich weiter im Süden die Welt der amerikanischen Ureinwohner.
Bei den American Natives
Warm Springs ist die Heimat einer Konföderation von drei indigenen Stämmen. Bevor es in die 2.500-Seelen-Stadt Warm Springs, dem Zentrum des Reservats, geht, lohnt sich ein Abstecher zum Kah-nee-ta Hot Springs Resort. Hier wird der Heilkraft warmer Quellen gehuldigt, man entspannt in Pools, in privaten Cabanas am Flussufer mit Badewanne oder wohnt gleich im Resorthotel. Wenige Kilometer weiter, direkt am Highway 26, liegt das Indian Head Casino, ein Little Las Vegas mitten in Oregon. Nachdem ich den Jackpot sicher nicht gewinnen werde, besuche ich lieber vis-à-vis das Museum der Stämme Warm Springs, Wasco und Northern Paiute. Hier werden deren Geschichte, Kultur und Traditionen bewahrt. Schließlich gehören mehr als 90 Prozent der Stadtbewohner den American Natives an. Davon zeugen auch Wandgemälde ihrer Künstler, die viele Häuser der Stadt zieren.
Smith Rock State Park
60 Kilometer später wartet mein Roadtrip durch Oregon gleich mit dem nächsten totalen Tapetenwechsel auf. Ich zweige von der Hauptstraße zum Smith Rock State Park ab, der wegen seiner markanten Felsformationen aus vulkanischer Asche zu den beliebtesten Naturparadiesen des Bundesstaates zählt. Mehr als 180 Meter ragt eine Kette von vielfarbigen Felsspitzen am gemütlich dahinschlängelnden Crooked River – oft ganz senkrecht – in die Höhe. Kein Wunder, dass hier das Sportklettern in den USA „erfunden“ worden sein soll. Heute ist der State Park mit mehr als 1.800 Kletterrouten ein international bekanntes Ziel für Wagemutige, die sich zum Beispiel auch vor Überhängen wie der mehr als hundert Meter hohen Felssäule Monkey Face, dem eindrucksvollen Wahrzeichen des Parks, nicht fürchten.
Hier standen aber auch schon John Wayne für den Western „Mit Dynamit und frommen Sprüchen“ oder Kevin Costner für den Film „Postman“ vor der Kamera. Von den zahlreichen Wanderwegen durch den Park wähle ich den River Trail, entlang dessen ich nicht nur die Welt der Felsen bewundern kann, sondern auch Adler, Falken und Finken.
„Blaues Juwel“ Crater Lake
Oregon hat insgesamt 255 solcher State Parks mit einer gigantischen Vielfalt an Naturwundern, aber nur einen einzigen „richtigen“ National Park, und der ist mein nächstes Ziel, der Crater Lake. Bevor ich zu Oregons wohl atemberaubendster Naturattraktion komme, mache ich noch kurz Halt am Diamond Lake. Dieser wurde im Jahr 1852 von einem Siedler namens John Diamond „entdeckt“ und nach ihm benannt. Anfang Mai ist er großteils noch zugefroren, was hier bei einer Seeehöhe von 1.580 Metern kein Wunder ist.
Zehn Minuten später erreiche ich dann den Crater Lake, der durch ein Unglück „geboren“ worden ist: Vor rund 7.700 Jahren brach nämlich hier der Vulkan des Mount Mazama aus, was den Berg zum Einsturz brachte und einen riesigen, 600 Meter tiefen Krater auf einer Seehöhe von knapp 1.900 Metern geschaffen hat. Dieser hat sich mit Schnee und Regen gefüllt, sodass er als einer der klarsten Seen der Welt gilt. Wissenschafter haben herausgefunden, dass man bis in eine Tiefe von 36 Metern sehen kann. Das Wasser hat eine so intensive Farbe, dass man den Crater Lake als „blaues Juwel“ bezeichnet. Zu Recht, wie ich gleich sehen werde.
In der warmen Jahreszeit gibt es drei Zugänge zum 53 Kilometer langen Rim Drive rund um den See. Im Frühling ist aber nur der im Süden offen, denn die Landschaft liegt jetzt noch unter einer hohen Schneedecke. Erst vor wenigen Tagen wurde die erste Straße zum Kraterrand freigeräumt, selbst das Besucherzentrum ist noch fast bis unters Dach eingeschneit. Eigentlich ein kalter Anblick, aber die Sonne wärmt wunderbar, als ich durch den Schnee stapfe. Und da liegt er. In der Tat, ein „blaues Juwel“! In der Mitte des Sees liegt Wizard Island. Wie gern würde ich runter zum Wasser wandern. Doch der eineinhalb Kilometer lange, steile Cleetwood Cove Trail liegt ebenfalls noch unter jeder Menge Schnee. Nur im Sommer kommt man direkt an den See. Unerschrockene können bei einer Wassertemperatur von 14 Grad sogar schwimmen. Beliebter sind jedoch Angeln, eine Bootstour oder ein Mittagessen am Ufer. Davon kann ich heute aber nur träumen und muss solche Erlebnisse auf den nächsten Besuch am Crater Lake verschieben.
Auf Scenic Byways
Schweren Herzens geht es also weiter. Und weil bei einer Reise oft der Weg das Ziel ist, wähle ich den Rogue-Umpqua Scenic Byway. Oregon hat viele solcher malerischer Straßen, die das Herz von Roadtrip-Fans höher schlagen lassen. Diese Route entlang des North Umpqua River und durch den Umpqua National Forest nennt man auch Highway of Waterfalls. Warum, ist klar. Ein Wasserfall nach dem anderen, von den Deadline Falls über die Susan Creek Falls bis zu den Watson Falls. Vielerorts sind die Wälder leider ein trauriger Anblick, hat doch ein Blitz vor Jahren einen Brand ausgelöst, der sich zu einem schrecklichen Großfeuer ausgewachsen hat. Spricht man mit Leuten von hier, ist ihnen bei ihren Erzählungen noch der Schrecken von damals ins Gesicht geschrieben. Doch die Natur kommt wieder zurück, wie man bei einer Waldexkursion sieht.
Auf in die Dünenwelt
Nach Tagen im Hinterland steht zur Abrundung noch die Pazifikküste Oregons am Programm – wieder eine komplett andere Welt, wieder ein anderes Highlight mit dem 50 Kilometer langen und 130 Quadratkilometer großen Dünengürtel. Für mein Treffen mit Dina von der Oregon Dunes Restoration Collaborative muss ich sie schon zig Kilometer, bevor ich das Meer erreiche, anrufen. Denn das Mobilfunknetz hat in dieser Gegend große Lücken. Wir kommen aber am richtigen Ort zum richtigen Zeitpunkt zusammen, sodass wir zu unserer gemeinsamen Tour starten können. Der Sand wurde über Millionen von Jahren durch Wellen und Wind aus Felsen zermahlen und ins Meer gespült, und die Gezeiten bringen ihn an die Strände. Bis zu 150 Meter werden die Dünen hoch. Auf den ersten Blick sieht es aus wie ohne Leben, aber dann zeigt mir Dina Spuren von Kojoten und Bären, und wir hören die ersten Singvögel. Hier leben sogar mehr Vogelarten als in den Wäldern, und mit rund 400 verschiedenen Pflanzenarten sind die Oregon Dunes alles andere als karg, wie Dina voller Begeisterung erzählt.
Geheimtipp: Oregons Küste
Nach einer herzlichen Verabschiedung zurück im Jeep, geht es weiter nach Norden entlang der insgesamt 584 Kilometer langen Küste. Sie zählt zwar noch zu den Geheimtipps der USA, wird aber angesichts ihrer Vielfalt immer beliebter. Hier regieren Ruhe und Naturbelassenheit, wechseln sich steile Klippen mit Traumstränden ab, zieren Leuchttürme wie Juwelen ein Diadem und laden Wälder direkt an der Küste zu grünen Abstechern ein. Hätte man doch nur mehr Zeit, aber auch so erfreut mich der eine oder andere lohnende Stopp. Nördlich von Florence sind es zum Beispiel direkt am Highway 101 die Sea Lion Caves. Es handelt sich hier mit einer Höhe von fast 40 Metern um Amerikas größte Meereshöhle, in der das ganze Jahr über bis zu 200 Seelöwen ein Zuhause gefunden haben. Und runter in die Höhle geht es mit einem Lift, sehr bequem! Das wird dann im Hafenstädtchen Newport getoppt. Bei einem Bummel an der Historic Bayfront hört man eine Hundertschaft an Seelöwen, die sich am Pier breitmachen. Einfach an die Reling lehnen, dem tierischen Treiben zuschauen und sich dem strengen Geruch hingeben.
Gute Tipps für Oregon
- Historic Balch Hotel: Dieses Boutique-Hotel in einem Backsteinhaus aus dem Jahr 1907 bietet 18 Zimmer, die ebenso wie der ganze Ort Dufur den Geist der Vergangenheit atmen. Für Geschichtsfans ein Muss!
- Juniper Preserve: Nach einer kilometerlangen Fahrt durch einen Wacholderwald in Central Oregon erreicht man dieses besondere Resort. Neben einem von Jack Nicklaus geplanten Golfplatz erstreckt sich eines der schönsten Hotels Oregons. Luxus pur!
- Sunriver Resort: Tipp Nummer 2 in Central Oregon – das Ganzjahresresort in den Ausläufern der Cascade Mountains bietet neben Golfmöglichkeiten auch Flussfahrten, Radtouren, Wanderwege und Skifahren am Mount Bachelor. Ideal für Aktive!
- Steamboat Inn: Dieses malerische Hotel mit Restaurant direkt am North Umpqua River im Süden Oregons punktet mit seiner erstklassigen Lage. Hören Sie das Murmeln des kleinen, wilden Flusses und genießen Sie den Wald rundherum. Speziell für Romantiker!
- Heceta Lighthouse: Das alte Leuchtturmwärterhäuschen am Heceta Head Lighthouse ist ein Bed & Breakfast in Yachats, direkt an den Klippen mit Blick auf einen wunderschönen Sandstrand. Einfach unvergesslich!
- Coho Oceanfront Lodge: Seine spektakuläre Lage am Pazifik mit einem Panoramablick auf die atemberaubende Küste Oregons macht das Hotel zu einer Besonderheit. Für Fans des Meeres!