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Zum 100. Todestag: Was uns Franz Kafka heute noch zu sagen hat

Im Juni 1924 in einem Sanatorium in Kierling verstorben, schuf Franz Kafka vor seinem frühzeitigen Ableben mit nur 40 Jahren viel mehr als die absurde Erzählung von einem Mann, der sich eines Morgens zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt findet.
Fotos und Werke von Franz Kafka
In einem halben Leben verfasste Franz Kafka Werke, die die Ewigkeit überdauern werden. © Shutterstock

Für viele ist Franz Kafka der Autor, dessen albtraumhafte Käfergeschichte im Deutschunterricht interpretiert werden musste. Heuer jährt sich sein Todestag zum 100. Mal. schauvorbei.at wirft einen Blick auf sein Leben und seine Werke.

Der Apfel fällt manchmal doch weit vom Stamm

Kafka wurde am 3. Juli 1883 in Prag – damals Teil von Österreich-Ungarn – geboren. Seine Eltern, Julie Kafka und Hermann Kafka, entstammten beide jüdischen Kaufmannsfamilien und betrieben ein gemeinsames Geschäft in der Stadt. Franz trat nicht in ihre Fußstapfen. Stattdessen schloss er 1906 ein Studium der Rechte ab. Rund zehn Jahre später erkrankte er an Lungentuberkulose, was zu seiner frühzeitigen Pensionierung im Jahr 1922 führte.

Zu seinem Vater hatte Franz Kafka zeitlebens ein angespanntes Verhältnis – ein zentrales Motiv seines Werks. In zahlreichen Erzählungen findet sich eine übermächtige Vaterfigur, die harsch über den Protagonisten verfügt. Paradebeispiel dafür ist die Novelle „Das Urteil“. Darin stürzt sich Georg Bendemann, Sohn eines Kaufmanns, nach einem Streit auf Geheiß seines Vaters in einen Fluss. Der Schreibstil ist nüchtern, die Erzählung absurd, verstörend und unbefriedigend – ein Markenzeichen des Weltliteraten.

Kafkas Labyrinth

Generell gleichen Kafkas Geschichten einem schier endlosen Labyrinth, das wir als Leser zusammen mit den immerzu scheiternden „Helden“ durchqueren müssen. Wir stoßen auf Hindernisse und wagen uns in erdrückende Sackgassen, nur um dann ohne Antworten wieder umkehren zu müssen. Eindrucksvolles Zeugnis davon sind sowohl „Der Prozess“ als auch „Das Schloss“. In beiden Romanfragmenten sind die Protagonisten das gesamte Werk über auf der Suche nach der Antwort auf eine einzige Frage.

In „Das Schloss“ erfährt der weit gereiste Landvermesser K. bis zuletzt nicht, wer seine Dienste überhaupt benötigt. Das Ziel scheint am Ende noch weiter entfernt als zu Beginn. Ein noch schlimmeres Schicksal ereilt Josef K. in „Der Prozess“. Nicht einmal bei seiner Hinrichtung erfährt er, weshalb er eigentlich angeklagt wurde.

Nur Karl Rossmann, Hauptfigur des bisher unerwähnten Romanfragments „Der Verschollene“, bildet in dieser Reihe gewissermaßen eine Ausnahme. Für diesen ersann sich Kafka nämlich ein positives Ende.

In Amerika sollte er vom Tellerwäscher zum Millionär aufsteigen. Der Erfolg blieb allerdings auch diesem „Helden“ verwehrt. Kafka brachte den Schluss des Romans nie zu Papier. Damit findet sich der Auswanderer Karl Rossmann am Ende des Fragments irgendwo in Oklahoma, anstatt in einem Luxusappartement in New York.

Kafkas Romanfiguren sind allesamt Gestrandete in einer Welt, die weder sie selbst noch wir als Leser verstehen. Das Gros der Geschichten des Autors wirkt hoffnungslos, rätselhaft und düster. Ein Umstand, der heutzutage im Wort „kafkaesk“ Ausdruck findet. Kafkas Charaktere haben so gut wie keine Macht über ihr Schicksal. Zumeist handeln sie vollkommen fremdbestimmt.

Kein Kind von Traurigkeit

Häufig außer Acht gelassen wird allerdings, dass Kafkas Texte durchaus auch humoristische Elemente enthalten. In der anfangs referenzierten „Verwandlung“ etwa erwacht Gregor Samsa eines Morgens als Ungeziefer. Er ärgert sich zuallererst darüber, wie er jetzt seinen Zug erwischen soll. In „Der Prozess“ widmen sich die Richter lieber Schmuddelheftchen anstatt Gesetzestexten. Und in „Das Schloss“ sorgen die einfältigen Gehilfen immer wieder für heitere Momente.

Nicht unerwähnt bleiben dürfen außerdem die immer wieder auftauchenden Slapstick-Szenen in Kafkas Werk. Inspiriert vom Stummfilmkino seiner Zeit, erzählt der Autor beispielsweise von einem Gerichtsbeamten, der seine ankommenden Kollegen bis zur Erschöpfung immer und immer wieder die Treppe hinunterwirft.

Über das „Kafkaeske“ und Humorvolle hinaus hat Kafkas Werk zudem eine tiefgreifende sozial- und gesellschaftskritische Facette. Der Literat konfrontiert seine Leserschaft mit den undurchschaubaren Wirren der Bürokratie, gescheiterten zwischenmenschlichen Beziehungen und der schweren Bürde der Unangepasstheit.

Kafka war damit weitaus mehr als ein Autor, der seine Vaterkomplexe in schauderhaft-skurrilen Werken verarbeitete. Es steht außer Frage, dass er wie kein Zweiter Welten erschuf, die von düsterer Beklemmung durchflutet sind. Trotzdem sind seine Geschichten nicht nur „kafkaesk“, sondern gespickt mit wenig beachteten amüsanten Details und satirischen Spitzen, die auch heute noch so richtig piksen.

Wer das für sich selbst prüfen möchte, kann einen Blick in den Fundus an Originaltexten, der von knappen Erzählungen bis zu umfangreichen Romanfragmenten reicht, werfen. Die meisten davon sind kostenlos online zugänglich.

Ein besonderes Schmankerl für Kafka-Fans servieren im Jubiläumsjahr außerdem ORF und ARD. Mit „Kafka“ widmen sie dem Weltliteraten am 24. und 25 März eine sechsteilige Mini-Serie.

Unsere Lese-Tipps

  • Der Prozess“: ein Jahrhundertwerk über das undurchschaubare Konstrukt der modernen Bürokratie. Das Buch ist heute noch genauso aktuell wie vor 100 Jahren.
  • „Erzählungen“: Schlüsseltexte der Moderne, darunter auch Kafkas letztes Werk „Josefine, die Sängerin oder Das Volk der Mäuse“
  • Die Verwandlung“: DIE Kafka-Erzählung schlechthin – ein Muss in jedem Bücherregal
  • Tagebücher 1910-1923“: liefern tiefe Einblicke in den Alltag und die Gedankenwelt des Autors, geschmückt mit Textskizzen
  • Das Urteil“: Die Novelle entstand innerhalb einer Nacht und weist erhebliche Parallelen zu Kafkas eigenem Leben auf.

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