Zuerst die Wäsche waschen, Staub saugen oder doch lieber mit Kochen anfangen? Wer die Wahl hat, hat die Qual. So oder so ähnlich: Man kennt’s. In unserer heutigen Zeit steigen die Zahlen durch Überlastung im Alltag deutlich an. Das zeigt auch eine aktuelle Untersuchung von Mavie. Diese belegt, dass sieben von zehn Österreicherinnen und Österreichern unter Stress leiden. Das sind um 16 Prozent mehr als im Vorjahr. Grund dafür ist für mehr als die Hälfte der Job, gefolgt von Finanzen und Familie. Kurz gesagt – der Alltag.
Dabei muss das kein Dauerzustand sein. schauvorbei.at hat Dr. Bruno Pramsohler, Neurologe und Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie wissenschaftlicher Leiter der Schlafmedizin im BLEIB BERG F.X. Mayr Retreat, zum Interview gebeten und sich Tipps gegen Mental Overload geholt.
schauvorbei.at: Inwiefern hat ein gesunder Schlaf Einfluss auf unser Wohlbefinden?
Dr. Bruno Pramsohler: Während des Schlafes regeneriert sich unser Gehirn auf bemerkenswerte Weise. Gedächtnisinhalte, die zuvor im Kurzzeitspeicher abgelegt wurden, werden in den Langzeitspeicher übertragen. Gleichzeitig wird unser Immunsystem aktiviert. Besonders während der Tiefschlafphasen werden schädliche Eiweißprodukte aus dem Gehirn abtransportiert – ein Mechanismus, der unter anderem erklären könnte, wie Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson entstehen können.

„Ein wichtiger Grundsatz: Es geht nicht alles – und schon gar nicht gleichzeitig!“
Dr. Bruno Pramsohler
schauvorbei.at: Ein zu großer Mental Load bzw. Mental Overload, was bedeutet das konkret?
Dr. Bruno Pramsohler: Stress wirkt auf drei Ebenen. Die erste betrifft die Umgebungsfaktoren. Dazu gehören äußere Einflüsse, die Stress auslösen können. Zur zweiten zählen persönliche Faktoren, also wie wir selbst Stress verarbeiten. Die dritte Ebene ist die sogenannte Regeneration.
Aus der Sportmedizin wissen wir: Training alleine reicht nicht, nur in Kombination mit ausreichend Erholungsphasen kann Muskelaufbau effektiv stattfinden. Das gilt auch für unser seelisches Wohlbefinden: Phasen intensiver Arbeit sollten sich mit Ruhephasen abwechseln, in denen unser Gehirn neue Ideen entwickelt und alternative Handlungsstrategien ausarbeitet. Besonders das Stirnhirn ist dabei aktiv und unterstützt kreatives Denken.
Darüber hinaus zeigt die Urlaubsforschung: Für eine nachhaltige Erholung empfiehlt es sich, etwa zwei Mal im Jahr jeweils zwei Wochen Urlaub einzuplanen. Eine Woche ist meist zu kurz, während drei Wochen nicht unbedingt nötig sind. Diese Phasen sind entscheidend, um den Mental Load zu reduzieren und langfristig leistungsfähig und ausgeglichen zu bleiben.
schauvorbei.at: Was kann man tun, um gegenzusteuern?
Dr. Bruno Pramsohler: Um Stress effektiv zu reduzieren, sollte man bei allen drei Ebenen ansetzen: die äußeren Stressoren, den persönlichen Umgang damit und die Regeneration. Zuerst lohnt es sich, die äußeren Belastungen genau zu identifizieren. Im BLEIB BERG F.X. Mayr Retreat haben wir dafür das Modul „Dem Stress auf die Spur kommen“ entwickelt, bei dem wir wie ein Stressdetektiv herausfiltern, welche Faktoren besonders belastend sind. Anschließend werden möglichst viele Strategien entwickelt, um den Stress zu reduzieren. Danach schaut man, was individuell am besten funktioniert. Ein wichtiger Grundsatz: Es geht nicht alles – und schon gar nicht gleichzeitig!
Auf der persönlichen Ebene geht es darum, den eigenen Umgang mit Stress zu reflektieren. Man sollte achtsam mit sich umgehen, sich selbst milder behandeln als üblich und regelmäßig Pausen einplanen. Ein hilfreicher Gedanke: Was würde ich einer guten Freundin raten, die dasselbe Problem hätte?
Nicht zuletzt ist Regeneration entscheidend. Manche Faktoren lassen sich nur begrenzt ändern, etwa Arbeitsbedingungen. Dabei sind bewusste Erholungsphasen essenziell. Dazu gehört, sich körperlich zu bewegen, Ruhephasen einzuplanen und Aktivitäten nachzugehen, die Freude bereiten. Wer bei allen drei Ebenen ansetzt, kann Stress nachhaltig reduzieren und neue Energie tanken.
schauvorbei.at: Danke für das Gespräch!
3 Praxistipps vom Experten
- Prioritäten setzen: Nutzen Sie das Eisenhower-Prinzip! Aufgaben nach Dringlichkeit und Wichtigkeit sortieren. Das, was dringend und wichtig ist, zuerst erledigen, alles andere entweder delegieren oder verschieben. So verhindert man, dass alles gleichzeitig als extrem stressig erscheint.
- Achtsam mit sich selbst umgehen: Reflektieren Sie, wie Sie mit Stress umgehen, und seien Sie dabei nicht zu hart zu sich selbst. Diese Haltung hilft dabei, Druck abzubauen.
- Regeneration bewusst planen: Freizeit aktiv genießen. Arbeit ist Arbeit, Pause ist Pause. Regelmäßige Auszeiten, Bewegung und Hobbys sind entscheidend, um Energie zurückzugewinnen und die innere Balance zu stärken.