Ein Wagen fährt vor. Darin haben Brachsen, Rotaugen und Attersee-Saiblinge neben Aalrutte, Reinanke, Barsch und Karpfen Platz genommen. Appetitanregend blicken sie die Gäste der Belétage im ersten Stock des Hotel Post in Traunkirchen an. Flusskrebse aus der Traun in ihrer braunen Schale, die sich erst durch Hitzeeinwirkung feuerrot verfärbt.
Hier wurde die Salzkammergut-Fischküche neu erfunden: Es gibt keine unedlen Fische. Saibling und Reinanke, die immer schon auf den Speisezetteln entlang der Seeufer zu finden waren, sind gleichberechtigt dem Rotauge zum Beispiel, aus dem es in der Poststube ein an Sarde in Saòr angelehntes Gericht mit Zwiebel, Essig und Rosinen gibt. Oder dem als schwierig geltenden Hecht, aus dessen Kopf Lukas Nagls Team im Bootshaus eine Mayonnaise rührt und sie gemeinsam mit Hechtkaviar auf einer Brioche serviert. Die Küchen der drei Betriebe der Gröller Hospitality sind thematisch durchaus verbunden, dabei macht jede ihr eigenes Ding.
Mut zum Risiko
In der Belétage gibt es die Traun-Flusskrebse vom Holzkohlengrill, im Bootshaus serviert man sie mit Brunnenkresse, dezent scharfem Semmelkren und blanchiertem Bärlauch und Bärlauchkapern. Gäste wollen unterhalten werden, sie wollen Abwechslung, nicht nur am Teller, sondern auch im Ambiente. Lukas Nagl und die Betreiber des Unternehmens, Monika und Wolfgang Gröller und Töchter, haben das verstanden und umgesetzt.
Der neueste Coup: Das millionenschwere Projekt Hotel Post, das die Familie mit Mut zum Risiko zu einem fancy Hotel mit dem Anspruch von Jugendlichkeit und kosmopolitischer Frische umgebaut haben. Samt spektakulärem Spa im sechsten Stock. Die Eröffnung fand letzten Sommer statt, seither hat das Schiff ordentlich an Fahrt aufgenommen.
Wolfgang Gröllers Großeltern betrieben einst ein Bahnhofsrestaurant in Sankt Valentin. „Während des Zweiten Weltkriegs war der Großvater Soldat in Russland und er sagte zu meiner Großmutter: ,Wenn wir den Krieg gewonnen haben, kaufen wir ein Hotel auf der Krim‘.“ Es kam, wie man weiß, anders und die Großeltern kauften das Hotel Post in Traunkirchen.
Publikum verjüngt
Die Jahre vor der aktuellen Eröffnung der Post fuhr man mehrmals nach Paris und schaute sich moderne Weinbars und Restaurants an. Die Eindrücke nahmen die Familie Gröller und die Chefs ihrer Teams mit nach Hause an den Traunsee.
Wolfgangs und Monikas Tochter Maria Gröller hat sich beim Look & Feel der Post kräftig eingemischt. Und tatsächlich: „Wir haben das Publikum kräftig verjüngt.“ Die Zimmer sind nicht im kontemporären Farb- und Materialienspiel aus Holz und Erdtönen gehalten, sondern zitieren Pariser Boudoir-Schick in einer Mischung aus Grün und Rosé.
Die Belétage gruppiert sich um die offene Küche mit dem kleinen Counter und die Cocktailbar, deren Angebot und Qualität dank Barman Marcus Volsa gleich vom ersten Tag der Eröffnung an für Furore sorgte. Doch in Wahrheit, so Wolfgang Gröller, habe die neue Toilette in der Belétage am meisten für Gesprächsstoff in der Umgebung gesorgt. Sie kennt keine Trennung nach Geschlechtern.
Fisch und Lamm
Ihm sei immer eine Art Ryokan im Salzkammergut vorgeschwebt, erzählt der japanophile Lukas Nagl. Seine Teams sind perfekt gecoacht und aufeinander abgestimmt. In den Betrieben der Familie Gröller arbeiten Leute in der Küche, die locker ihr eigenes Lokal führen könnten, sich hier aber, eingebettet in einen professionell geführten Betrieb, um ihre Arbeit und nicht um Lohnverrechnung, Behördenkontakt oder Marketing kümmern müssen. Wie die Familie Gröller es schafft, die besten Leute in Service und Küche für sich zu gewinnen, darüber freuen sich Gäste, das fragen sich Mitbewerber.
Ein faires Miteinander war Wolfgang Gröller stets wichtig. Vielleicht liegt es auch daran, dass man im Sommer die Zimmerstunde am Seeufer verbringen kann. Einige der spannendsten Persönlichkeiten der Branche arbeiten in den Hotels Seehotel und Post.
Lukas Nagl spielt in den verschiedenen Restaurants in Traunkirchen das gesamte gastronomische Repertoire aus, lässt dabei die Fische immer eine, aber nicht die alleinige Hauptrolle spielen. Das Lamm aus Rutzenmoos ist unverzichtbar. Der Rücken mit der delikaten Fettschicht ist ein Juwel und wird auch so präsentiert, mit einer Creme aus Petersilienwurzeln und winzigen Champignons. Aus der Schulter und anderen Teilen des Lamms formt Nagl gemeinsam mit Wildreis kleine Laibchen und bäckt sie, dazu reicht er Lammzunge und Lammbries.
Tour zu den Buchten
Die Gröllers haben es geschafft, die tote Saison am Traunsee mit Leben zu füllen. Dem oft recht unwirschen Wetter im Salzkammergut lächelt Wolfgang Gröller eiskalt ins Gesicht, indem er Anfang April ein Schiff mietet und mit seinen Gästen eine Tour zu den malerischen Buchten entlang des Sees unternimmt. Motto und Styling: Kuba. Es gibt karibische Negronis, Bier, karibische Klänge und herrliches Essen vom offenen Feuer.
Bei der Begrüßung am Gelände des steinigen Ufers, auf dem die Ruine des legendären Wirtshauses Karbach steht, hält Gröller eine kurze Rede: „Wir machen das nicht nur für euch, sondern auch ein bisschen für uns.“ Der Hotelier und seine Familie sind neugierige Ausloter der eigenen Grenzen. Und für den sehr unwahrscheinlichen Fall, dass etwas schief geht, sagt Monika Gröller, die Wirtin mit Wirtshausvergangenheit: „Wolfgang kann Service, ich kann kochen, es kann eigentlich nichts passieren.“
Artikel aus A la Carte 02/2025.