schauvorbei.at: Worauf dürfen sich die Besucher der Schloss-Spiele Kobersdorf heuer freuen?
Wolfgang Böck: Sie dürfen sich bei den Schloss-Spielen Kobersdorf auf eine schöne, unterhaltsame venezianische Komödie freuen. Wir werden wie jedes Jahr mit Herzblut und Leidenschaft versuchen, den Besuchern einen vergnüglichen und imposanten Abend zu bereiten. Das Stück „Der Diener zweier Herren“ habe ich mit meinem Team durch die Summe der Erfahrungen ausgewählt, die einen lehren, was man dem Publikum zeigen möchte. Und was ihm dann hoffentlich auch gefällt! Bereits zum dritten Mal in Folge stellen wir bei den Schloss-Spielen Kobersdorf nun österreichische Autoren auf die Bühne. Grund dafür ist, dass sie bis jetzt unterrepräsentiert waren. „Der Bockerer“ ist ein Stück österreichische Zeitgeschichte. Mit „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ kam ein österreichischer Klassiker auf die Bühne. Und nun bei Peter Turrinis „Der Diener zweier Herren“ folgt ein zeitgenössischer Autor.
schauvorbei.at: Sie sind nicht nur Intendant, sondern stehen bei „Der Diener zweier Herren“ auch selbst auf der Bühne. Wie kam es zu dieser Doppelrolle, die sie schon öfters eingenommen haben?
Wolfgang Böck: Wissen Sie, als ich vor 20 Jahren als Intendant begonnen habe, war da eine gewisse Popularität, die ich mitbrachte. Die Besucher wünschten sich, mich auf der Bühne zu sehen. Als ich eimal einen kleineren Charakter verkörperte, war das dem Publikum zu wenig. Ich persönlich würde aber zu kleineren Rollen tendieren. Allerdings war es ein Geburtstagsgeschenk an mich, dass ich den Bockerer im gleichnamigen Stück spielen durfte. Diese Doppelrolle als Intendant und als Schauspieler kann zwischenzeitlich sehr fordernd sein – vor allem bei der Premiere. Aber es ist durchaus befriedigend.
schauvorbei.at: Was ist die herausforderndste Tätigkeit als Intendant?
Wolfgang Böck: Das Schwierigste für mich ist, am Premierenabend den Schauspieler in mir im Zaum zu halten. Denn während sich alle hinter der Bühne bereits vorbereiten, bin ich noch in meiner Rolle als Intendant unterwegs. Dann heißt es: Gespräche führen, Interviews geben, auf die Bühne gehen und alle Ehrengäste nach strengem Protokoll begrüßen. Nur um dann von der Bühne herunterzuspringen und blitzartig in meinen Schauspielcharakter zu wechseln. Manchmal fühlt sich das an, als stünde am Premierenabend der Intendant dem Schauspieler wie ein Pfosten im Weg (lacht).
schauvorbei.at: Haben Sie immer noch Lampenfieber?
Wolfgang Böck: Ja, und ich denke, das braucht es letztendlich auch. Man muss diese Nervosität vor dem Auftritt spüren, um dann konzentriert hinauszugehen und abzuliefern. Wenn es nämlich nur mehr so wäre, als würde man schnell Milch einkaufen gehen, dann wäre es besser, man ginge in Rente.
Als Schauspieler versucht man natürlich, jede Rolle so zu spielen, als wäre sie die Rolle des Lebens.
Intendant und Schauspieler Wolfgang Böck
schauvorbei.at: Gibt es noch Stücke, die Sie unbedingt spielen möchten?
Wolfgang Böck: Mittlerweile kann ich sagen: Nach fünf Jahrzehnten in diesem Geschäft sind bei mir keine Rollenwünsche mehr offengeblieben. Um es frei nach Qualtinger zu sagen: Mir is’ a jede recht (lacht). Ich beuge mich gerne dem, was ich mit meinem Team beschließe und was am besten für das Stück ist.
schauvorbei.at: Die Rolle Ihres Lebens, welche war das?
Wolfgang Böck: Nun, da würde ich die Frage aufteilen in jene Rolle, die mir persönlich am besten gefallen hat, und jene, die am meisten zu meiner Karriere beigetragen hat. Ich habe es geliebt, die Figur des Liliom im gleichnamigen Theaterstück zu spielen – und das drei Mal. Maßgeblich für meine Popularität als Schauspieler war natürlich meine Rolle als Trautmann in „Kaisermühlen Blues“. Als Schauspieler versucht man natürlich, jede Rolle so zu spielen, als wäre sie die Rolle des Lebens.
schauvorbei.at: Worauf legt man als Intendant bei der Auswahl der Schauspieler besonders Wert?
Wolfgang Böck: Es ist wichtig, dass sie ihr Handwerk verstehen. Ein guter Schauspieler sollte auch in der Lage sein, eine große Bühne zu bedienen. In Kobersdorf wird im Freien gespielt, da gibt es zwar eine leichte akustische Unterstützung fürs Ensemble auf der Bühne. Aber es ist dennoch ein großer Innenhof ohne Dach. Da müssen Präsenz und Tragweite der Stimme natürlich passen. Zu guter Letzt sollten Schauspieler Teamplayer sein. Mir ist sehr wichtig, dass alle an einem Strang ziehen. Denn nur so wird das bestmögliche Ergebnis auch erreicht.
schauvorbei.at: Sie sind jetzt zum 20. Mal Intendant bei den Schloss-Spielen Kobersdorf. Inwiefern haben sich die Festivalsommer seitdem gewandelt?
Wolfgang Böck: Das Schloss selbst wurde im Laufe der Jahre immer schöner. Es wurden viele Restaurierungsarbeiten durchgeführt. Wir haben jetzt eine neue Tribüne, bessere Technik, ordentliche Sitze und das Licht wird auf den technischen Jetztstand gebracht. Es hat sich also durchwegs einiges verändert. Aber unser künstlerischer Anspruch bleibt unverändert.
Als Intendant bin ich zwar hinter der Bühne unterwegs und als Schauspieler auf der Bühne oder vor der Kamera. Aber eigentlich sehe ich mich als reinen Schauspieler.
Intendant und Schauspieler Wolfgang Böck
schauvorbei.at: Inwiefern hat die Location des Schlosses Kobersdorf einen besonderen Flair?
Wolfgang Böck: Jeder, der dort gewesen ist, weiß, dass der Spielort einmalig ist. Der geschichtsträchtige Ort des Schlosses vermittelt ein besonderes Flair, ein atemberaubendes Ambiente. Ich denke, im Freiluftgraben – unserem sogenannten Foyer – kann man sich sehr wohl fühlen. Auch der geschlossene Innenhof, der auf das Theater konzentriert ist, passt perfekt zu einer Nacht im Kultursommer. Aufgrund dieser Gegebenheiten ist es ein besonderer Spielort. Ich selbst mag ihn sehr und hoffe natürlich, das Publikum auch!
schauvorbei.at: Was macht einen guten Kultursommer aus?
Wolfgang Böck: Von Landesseite ist es wahrscheinlich ein guter Kultursommer, wenn alle Veranstaltungen ausverkauft sind. Natürlich hat der gemessene Erfolg auch bei uns im Haus damit zu tun, wie ein Stück vom Publikum angenommen wird. Das Wichtigste ist, dass die Besucher den Ort begeistert und zufrieden wieder verlassen, sodass sie hoffentlich im nächsten Jahr wiederkommen. Deswegen ist auch wichtig, ein gutes Stück mit dem dazu passenden Ensemble auszuwählen und jemanden für die Regie zu finden, der es perfekt in Szene setzt.
schauvorbei.at: Sie sind im TV, auf und hinter der Bühne unterwegs. Welche Rolle füllt Sie am meisten aus?
Wolfgang Böck: Als Intendant bin ich zwar hinter der Bühne unterwegs und als Schauspieler auf der Bühne oder vor der Kamera. Aber eigentlich sehe ich mich als reinen Schauspieler. Da habe ich auch die Ausbildung dazu genossen.
schauvorbei.at: Wann und warum haben Sie sich für eine Schauspielkarriere entschieden?
Wolfgang Böck: Oh, das ist schon lange her! Ich war auf einer HTL für Maschinenbau, und es war mir klar, dass aus mir nie ein Techniker werden würde. Ich suchte also einen Ausweg aus diesem Dilemma. Im Deutschunterricht habe ich ein Stück von Wolfgang Bauer gesehen und dachte mir danach: Das könntest du auch machen. Außerdem war ich ein richtiger Klassenkasperl. Ich habe mich damals für die Aufnahmeprüfung an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz angemeldet. Von 120 Personen wurden nur zwölf aufgenommen. Hätte ich es nicht geschafft, wäre mein Lebensweg wahrscheinlich anders verlaufen. Dieses als peinlich empfundene Prozedere einer Aufnahmeprüfung hätte ich kein zweites Mal über mich ergehen lassen.
Drehbuchautor Ernst Hinterberger hat mich im Theater gesehen und gesagt: „Des wär mei’ Kiwara!“ (Lacht.)
Intendant und Schauspieler Wolfgang Böck
schauvorbei.at: Wenn Sie auf Ihre Zeit im „Kaisermühlen Blues“ zurückblicken, was kommt Ihnen dann in den Sinn?
Wolfgang Böck: Tatsächlich nur, dass ich diese Rolle ursprünglich nicht spielen wollte. Ich wurde ja als reiner Theaterschauspieler ausgebildet. Und auch in meinem Beruf gibt es so etwas wie Standesdünkel, wenn man so will. Einen qualitativ hochwertigen Film oder ein gutes Fernsehspiel zu drehen, das war schon in Ordnung. Aber in einer Serie mitzuspielen, das war unter uns Theaterleuten verpönt. Dazu muss man sagen: Damals war es eine andere Zeit, und dieser Hype, der aus Amerika nach Europa geschwappt ist mit Serien wie zum Beispiel „Der Denver Clan“ oder „Dallas“, war doch eher seicht. Ich darf wohl froh sein, dass Regisseur Harald Sicheritz eine Nacht lang auf mich eingeredet und mich dazu überredet hat, die Rolle des Trautmann zu übernehmen. Wir kannten uns schon von vorherigen Filmdrehs. Drehbuchautor Ernst Hinterberger hat mich im Theater gesehen und gesagt: „Des wär mei’ Kiwara!“ (Lacht.)
Eine schöne Erinnerung an diese Zeit ist auf jeden Fall, dass sich die österreichische Kriminalpolizei so authentisch wie noch nie zuvor dargestellt fühlte. Sie haben mich zum „Ehrenkiwara“ ernannt. Daran denke ich heute noch gerne. Es war auf jeden Fall ein Erfolg, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Ich hätte auch nicht gedacht, welche Türen sich dadurch öffnen und was sich daraus alles entwickeln würde. Wenn ich diese Rolle nicht gespielt hätte, wer weiß, ob ich dann nach Kobersdorf gekommen wäre.
schauvorbei.at: Worauf in Ihrer Karriere sind Sie besonders stolz?
Wolfgang Böck: Ich denke, dass jeder Mensch auf seinen eigenen Erfolg – wie auch immer der aussieht – stolz sein darf. Dieser ist aber immer kurzlebig. Man darf sich nur nicht darauf ausruhen. Dann fängt man aufs Neue an. Die Frage, wie man erfolgreich wird, könnte ich nicht beantworten. Vielleicht kann man darauf stolz sein, in dieser Branche halbwegs normal geblieben zu sein (schmunzelt).
schauvorbei.at: Gibt es eine Weisheit, die Sie durch Ihren Beruf erlangt haben?
Wolfgang Böck: Würde man aktiv reflektieren, könnte man vielleicht auf eine spezielle stoßen. Eine fällt mir ein, allerdings könnte das auch nur eine Alterserscheinung sein (lacht): das Wetter in Kobersdorf. Sie wissen schon, wenn die Wettervorhersagen schlecht sind und man sich, bereits bevor etwas passiert ist, in die schlimmsten Szenarien hineinsteigert. Dabei liegt das alles in der Zukunft. Man entwickelt mit der Zeit eine Gelassenheit, die Dinge auf sich zukommen zu lassen.
Man braucht Talent und auch ein Quäntchen Glück, um erfolgreich zu sein.
Intendant und Schauspieler Wolfgang Böck
schauvorbei.at: Was ist Ihr Erfolgsgeheimnis?
Wolfgang Böck: Als Schauspieler hat der Erfolg tatsächlich etwas mit Begabung zu tun. Man braucht Talent und auch ein Quäntchen Glück, um erfolgreich zu sein. Natürlich kann man üben und gewisse Dinge erlernen. Es gibt Tools, um die Stimme zu trainieren und Spannung auf der Bühne aufzubauen. Aber das Spielen selbst muss man erfahren. Selbstverständlich muss man diese Begabung auch pflegen, sonst ist sie vergeudet. Disziplin und der Wille, an der Schauspielkunst zu arbeiten, sind sehr wichtig. Das bedeutet, nicht zu selbstgefällig zu werden und immer wieder aufs Neue bereit zu sein, sich Dinge zu erkämpfen. Geschenkt wird einem nichts. Zudem gibt es bei jeder Rolle Probleme, die sie mit sich bringt. Darauf kann man sich einlassen oder auch nicht.
schauvorbei.at: Welche Probleme meinen Sie damit?
Wolfgang Böck: Als Schauspieler ist man immer wieder auf sich selbst zurückgeworfen, wenn man einer Rolle gerecht werden will. Dann muss man unter Umständen Eigenschaften von sich zeigen, die man eigentlich lieber vor der Öffentlichkeit und sich selbst verstecken würde. Das ist vor allem bei negativen Charakteren der Fall. Dann muss man damit klarkommen, dass das Publikum einen bei dieser Aufführung nicht mögen wird. Mir ist dabei immer wichtig, zu zeigen, warum sich die Figur auf der Bühne so verhält, wie sie es tut.
Es ist auf jeden Fall eine Position, in der man sehr verwundbar ist. Wenn man zart besaitet ist, kann einem die Kritik sehr nahe gehen. Deswegen stellt sich die Frage, wie weit man bereit ist zu gehen und was man zulässt. In diesem Schaffensprozess sind Regisseure wichtig, die auf einer Vertrauensbasis mit den Schauspielern agieren. So können sie das Beste aus uns herausholen. Das kann ein wunderbarer Prozess sein, bei dem man erst richtig in die Rolle findet.
schauvorbei.at: Können Sie mir ein Beispiel geben?
Wolfgang Böck: Zum Beispiel war es letztes Jahr beim Stück „Der Alpenkönig und der Menschenfeind“ so, dass es ein sogenanntes à part gab. Dabei kann man sich aussuchen, ob man direkt zum Publikum spricht und sich so quasi mit ihm verbrüdert. Oder aber man verhält sich distanzierter und macht so eher einen inneren Monolog sichtbar. Bei der ersten Variante erzeugt man schnell den ein oder anderen Lacher beim Publikum. Ich wäre eigentlich für die erste gewesen, aber der Regisseur hat mich überzeugt, dass es besser ist, die zweite zu wählen. Es war am Ende die richtige Entscheidung, um diese Figur dem Publikum näherzubringen.
Danke für das Gespräch!