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9. Mai 2024
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Heinz Reitbauer, © Michael Reidinger

Steirereck

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Küchenzeiten: Mo.–Fr. 11.30–14.30, 18.30–22.30
Inhaber: Familie Reitbauer
Küchenchef: Heinz Reitbauer
Sommelier: René Antrag
Sitzplätze: 75
Kreditkarten: Diners, Mastercard, Visa, Maestro
Da liegt eine Weinbeere in einer Sauce aus Olivenkraut, einprägsames Miteinander aus Fruchtigkeit und Salz und eine der vielen Stationen der kleinen Reise durch die kulinarische Welt des alten Österreich, auf die Heinz Reitbauer seine Gäste zum Aperitif mitnimmt. Am Nebentisch eine fröhlich tafelnde Tischrunde, es gibt Wiener Schnitzel für alle, zweifellos eines der besten Wiener Schnitzel Wiens, aber sie scheint nicht zu wissen, was ihr entgeht. Etwa der Amur-Karpfen mit Saturnpfirsich, der in ­Johanniskraut eingelegt ist, ein stimmungsaufhellendes Kraut, das in unseren Zeiten dringend notwendig ist. Der Perlfisch erweist sich als Süßwasser-Version eines Rougets aus dem Mittelmeer. Dazu gibt es sommerlich mit Emmerweizen und Bohnenkraut gefüllte Zucchiniblüte und Perlfisch-Paradeisersaft. Dem Wiener Backfleisch vom Rippenstück eines Weideochsens verschaffen Käferbohnen, Kernöl sowie Wasabi und Krenwurzel steirisches Ambiente. Was macht die Küche Heinz Reitbauers so bemerkenswert, was lässt sie über anderen Küchen stehen? Hier findet sich kein einziges modisches Zitat, kein Rip-off einer berühmten Kreation von Kollegen. Trends, ob sie auf die Namen Japan oder Skandinavien hören, wird man im Steirer­eck vergeblich suchen. Anstelle derer hat Heinz Reitbauer seinen persönlichen Stil entwickelt. Kaum sonst jemand geht so ­fantasievoll, manches Mal auch gewagt, aber nicht zu sehr, mit Gemüsen und Obst heimischer Produzenten um. Wenn es einen Physalis-­Bauern gibt, kann man gewiss sein, dass seine Produkte ihren ­ersten Auftritt auf der Speisekarte des Steirereck finden. Wenn ein weniger bekannter Fisch aus den Salzkammergutseen gerade Saison hat, taucht er gewiss auf den Tellern des Steirereck-Teams auf. Zum Thema Kaviar fällt der Steirer­eck-Küche ebenfalls immer wieder etwas ein, etwa auf Meersalz gebackene weiße Zwiebel plus Zwiebelschmorsaft, junges Spitzkraut ­sowie Pistazien als Creme und als Pulver – ein Teller, der im Magen viel Platz beansprucht. Die freundlich lächelnde Sonnenblume kommt mit Currykraut, Joghurt, Sonnenblumenkernmiso und Sonnenblumen-Stammherz-Ragout und ­gehört zu unseren Favoriten des vergangenen Jahres. Auf die Kunst des Einlegens von Allerlei versteht sich die Steirereck-Crew nicht erst seit den letzten Jahren, wo die Lockdowns zur Aufbewahrung und Konservierung ­aller möglichen Zutaten und Aromen zwangen. Eine in Wabenhonig-Verjus mit Marillenkernen eingelegte Marille mit 100 % Cusco-Chuncho-Schokolade und weißer Schokolade-Bienenwachs-Creme ist ein Dessert Marke Steirereck. Birgit und Heinz ­Reitbauer, die am Wochenende auch nach dem Betrieb am Pogusch sehen (woher nehmen sie nur die Energie, ist es die obersteirische Waldesluft?), sind beherzt arbeitende wie herzliche Gastgeber mit dem gewissen Schmäh, der auch mal ein herzlich lautes Lachen zulässt. Wenn man ihm vertraut, serviert René Antrag zum Essen eine der spannendsten Weinfolgen des Landes, die sich weder in klassisch noch in kontemporär kategorisieren lässt. Sein Geheimnis bleibt, wo er all diese Flaschen auftreibt. Großer Applaus auch heuer wieder dem gesamten Team, das es zuwege bringt, auch unter schwierigen Bedingungen beispiellose Qualität zu liefern und den Gästen ein paar unbeschwerte, kultivierte Stunden zu verschaffen. Diese Unbeschwertheit, kombiniert mit der Güte des Gebotenen, macht das Steirereck zu unserer Nummer eins.