Story

Pflege der Zukunft: Zwischen Menschlichkeit und Technologie

Die Zahl älterer Menschen steigt, der Druck auf Pflegekräfte nimmt stetig zu. Jetzt sollen technologische Entwicklungen dabei helfen, Mitarbeiter in Pflegeeinrichtungen zu unterstützen und ihnen mehr Zeit für die Bewohner zu verschaffen. Ein Pilotprojekt in Linz zeigt, wie es geht.
Alte Frau im Bett, Pflegerin sitzt mit iPad in der Hand daneben
Die Digitalisierung in der Pflege hat viele Vorzüge. © Getty Images

Künstliche Intelligenz dürfte in den nächsten Jahren so einige Jobs hinfällig machen. Der Pflegeberuf gehört da sicherlich nicht dazu – immerhin spielt die menschliche Komponente bei der Versorgung und Betreuung von Senioren eine entscheidende Rolle. Dennoch gibt es innovative Lösungen, die die Branche revolutionieren könnten. Projekte wie das „Digitale Pflegeheim“ in Linz zeigen, wie moderne Technologien dazu beitragen, Pflegekräfte zu entlasten, Prozesse zu optimieren und die Lebensqualität der Bewohner zu verbessern.

Bereits im Frühjahr 2024 wurde das Pilotprojekt gestartet – angestoßen durch den Pflegetechnologiefonds des Landes Oberösterreich in Zusammenarbeit von x-Tention, den SZL Seniorenzentren Linz, der Austria Assisted Living GmbH und weiteren Projektteilnehmern.

„Gerade in Zeiten der schwierigeren Verfügbarkeit von Pflegekräften wird es wichtiger, im Bereich unserer Möglichkeiten an der Verbesserung der Arbeitsbedingungen anzusetzen“, sagt Robert Ritter-Kalisch, Geschäftsführer der SZL Seniorenzentren Linz. „Das bedeutet, durch den Einsatz von Technologie vor allem von Kontroll- und Dokumentationstätigkeiten zu entlasten und damit Zeit für echte Begegnung mit den Bewohnerinnen und Bewohner zu gewinnen. Dies ist für die meisten Personen ja die Hauptmotivation, warum sie einen Pflegeberuf erlernt haben.“ In den Seniorenzentren Linz wird deshalb auf mehrere innovative Lösungen gesetzt.

Pflegedokumentation per Spracheingabe

Mit Hilfe künstlicher Intelligenz wird die tägliche Pflegedokumentation weiter vereinfacht: Dank der Spracherkennung der Firma voize GmbH kann die Dokumentation nun einfach am Smartphone eingesprochen werden. Aus dem Eingesprochenen: „Frau S. hat eine Tasse Kaffee getrunken und gut gefrühstückt. Blutzucker 120” versteht die KI, was die Pflegekraft dokumentieren möchte, und erstellt Trinkprotokoll, Ernährungsprotokoll und Vitalwert im bestehenden Dokumentationssystem. Händische Eingaben werden damit überflüssig. Der Sprachassistent auf dem Smartphone steckt während der gesamten Schicht in der Tasche und steht zur Dokumentation zur Verfügung. Die KI versteht Dialekte und lernt die Sprechweise der Pflegekräfte. Diese Art der Dokumentation spart jede Menge Zeit, entlastet die Pflegekräfte und schafft mehr Zeit für die Betreuung der Bewohner.

Sturzsensorik und Risikomonitoring

Stürze sind eine häufige Ursache für Verletzungen bei pflegebedürftigen Menschen. Daher sind eine effektive Sturzerkennung und -prävention von großer Bedeutung. Die Sturzsensorik Livy Care ist ein Sturzerkennungssystem mit mehreren Sensoren. Diese verfügen über vielfältige Möglichkeiten, etwa die Erfassung von Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Durch ein engmaschigeres Monitoring können potenzielle Risiken frühzeitig erkannt werden. Der Nachtdienst wird entlastet und die Bewohner-Sicherheit erhöht.

Die Sensoren können aber nicht nur Stürze erkennen, sondern tragen auch dazu bei, die Belastung für Pflegebedürftige und Pflegepersonen zu verringern. So wird demnächst die Einbindung von CGM-Sensoren zur kontinuierlichen Blutzuckermessung in die Livy Care-Technologie getestet: Die vom Sensor gemessenen Blutzuckerwerte werden automatisch in die Dokumentation übertragen und das Personal wird bei zu hohen oder niedrigen Werten sofort alarmiert. Dies erspart einerseits die händischen Messungen und damit den Bewohnern das unangenehme Stechen sowie andererseits die Eingabe in die Dokumentation.

Einsatz von Telemedizin

Telemedizin ermöglicht es, Gesundheitsdienstleistungen mithilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) bereitzustellen oder zu unterstützen, auch wenn Patienten und Gesundheitsdienstleister nicht am selben Ort sind. Dies umfasst Ärzte, Apotheken, Krankenhäuser und Pflegepersonal. Wichtig ist dabei die sichere Übertragung medizinischer Daten für Prävention, Diagnose, Behandlung und Nachsorge in Form von Text, Ton und Bild. Das Telemedizin-System der Firma Docs in Clouds TeleCare GmbH bietet Lösungen für Kommunikation, Dokumentation und Diagnostik. Es stellt sicher, dass Ärzte die benötigten Daten zur richtigen Zeit am richtigen Ort haben.

Im Seniorenzentrum Liebigstraße läuft seit Kurzem ein Pilotprojekt, das den Einsatz moderner telemedizinischer Technologien in der Praxis erprobt. In Kooperation mit der Notfallambulanz des Ordensklinikums Linz Elisabethinen werden regelmäßig gemeinsame Fallbesprechungen durchgeführt. An zwei festgelegten Zeitfenstern pro Aufnahmetag können medizinische Anliegen der Bewohner direkt vor Ort mit diplomierten Pflegekräften und dem ärztlichen Team der Ambulanz besprochen werden.

Die klaren Vorteile von Telemedizin: Ältere Menschen müssen nicht mehr den oft beschwerlichen Weg ins Krankenhaus antreten. Die Zahl von Krankentransporten wird reduziert, da viele Fälle vor Ort gelöst werden können. Und die Notfallambulanz im Krankenhaus wird durch ein verringertes Patientenaufkommen entlastet.

Faktor Datenschutz

Besonderes Augenmerk beim Einsatz der Technologien und der wissenschaftlichen Begleitung wird auf Datenschutz-Aspekte gelegt. Gerade der Einsatz von Sensorik und KI sowie der elektronischen Übermittlung von medizinischen Daten benötigt eine sensible Betrachtung möglicher Auswirkungen auf Beschäftigte sowie Bewohner des Seniorenzentrums und den Umgang mit möglichen Vorbehalten, Ängsten und Bedenken. Bereits im Vorfeld des Projekts waren daher der interne und der unternehmensexterne Datenschutzbeauftragte eingebunden.

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